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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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Schölermann, Wilhelm: Die Märzausstellungen der Düsseldorfer Künstler, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0178

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Die Märzausstellungen der Düsseldorfer Künstler.

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südlicher Luft offenbart hatte. Er hat sich wieder-
gefunden. Die (auf dem Schneebild mit der Leichen-
prozession) durch die Spachtel ruhig ausgeglättete
Luft, die doch eines zarten Flimmerns nicht entbehrt,
wirkt ungemein wohlthuend. In richtigem Abstand
von einem Bilde nmss das normale Auge nicht mehr
Ölfarbe, sondern Luft sehen. Man ist nicht darum
modern, weil man an unnötigen Stellen eine halbe
Tube Kremserweiß auf der Leinwand ausdrückt. Die
stark aufgesetzte Farbe im Vordergrund wirkt dies-
mal um so kräftiger im Gegensatz. Die in den
Tauschnee tief eingedrückten Wagenspuren mit
Wassertümpeln dazwischen zeigen ein flimmerndes
Kaleidoskop in gelb-grauer Tonskala. Auch die Stim-
mung wird, durch die stark herausgearbeitete Per-
spektive, mit der in der Fleckenwirkung schön ein-
gesetzten Staffage so einheitlich, stark und fein zu-
gleich, selten erreicht. In dem andern Bilde „Auf
dem Heimweg" (eine Hammelherde bei Sonnen-
untergang) geht Herzog weit ungebundener zu Werke.
Er erreicht hier namentlich in der Luftbildung eine
Wirkung, die ans Großartige streift, und schlägt den
machtvollsten und einheitlichen, leuchtend gelben
Accord an, der auf der Ausstellung zu finden ist.
Für die Künstler ist dieser Treffer ein Gegenstand
der lebhaftesten Anerkennung.

Der augenblicklich in Italien weilende Heinrich
Hemies hat zwei aus seinem langjährigen Studien-
aufenthalt in Holland herrührende Arbeiten beige-
steuert, die an atmosphärischer Feinheit zu dem Aus-
gesuchtesten gehören, was die Jungen gebracht haben.
Es gehört allerdings ein langjährig gebildetes Auge
dazu, um sie ganz verstehen und genießen zu können.

Max Stern schafft, bei starker Neigung zum
Impressionismus, recht ungleichwertig und auch
Gerhard Janssen hätte sich die verunglückte Wieder-
holung seines „Sängers am Rhein" sparen können.
Alexander Franz' Damenbildnis ist eine Verbindung
von guter Zeichnung mit einem matten, zuckersüß-
lichen Kolorit, das ihm jetzt häufiger anzuhaften
scheint und ihn ungenießbar zu machen droht.

Habe ich von den vielen tüchtigen kleineren
Bildchen nicht jedes erwähnen können, so liegt das
eben an der Fülle des Guten. Ein reizendes Stück
Sonnenschein (Elblandschaft) von Gustav Marx fiel
mir besonders auf. Es scheint direkt vor der Natur
gemalt zu sein. Was Namen wie Brütt, Oeder und
Munthe bedeuten, braucht nicht immer wieder betont
zu werden. Eine encyklopädische Kritik ist ein
Unding.

Der Hauptzug in der jungen Düsseldorfer Kunst

ist, unter all den herrschenden Gegensätzen und
Wirren, mit dem Wort: Gesundheit ausgedrückt.
Die Ursachen dazu mögen teils in der verhältnis-
mäßigen Abgeschlossenheit liegen, mit der man hier,
abseits vom Gewühle, arbeiten kann, teils daran,
dass man mehr Bilder malt als — Beschlüsse fasst
und weniger nach dem Auslande schielt, als anderswo.
Mau hat nicht die vielen Ablenkungen der Groß-
stadt, die in Zersplitterung ausarten und die so
manches Talent der Reichshauptstadt verwirrt und
untergraben haben.

Düsseldorf hat keine dieser ungünstigen Vor-
bedingungen, denn es ist und bleibt Provinzstadt.
Den sehr disputirbaren Vorzug, alle Bilder, die ge-
malt werden, gleich aus erster Hand sehen zu kön-
nen, alles, was Paris, England, Schottland und die
Niederlande produziren, fortdauernd auf sich ein-
wirken zu lassen, genießt man hier nicht. Aber
man gewöhnt sich daran, selbständig zu sehen. Die
Eigenart kommt leichter und ungehemmter zu ihrem
Recht. Man dürfte hier kaum einen namhaften
Künstler finden, der seine Weisheit aus dem Aus-
lande holt oder sich von Schlagworten und Tenden-
zen ins Bockshorn jagen lässt.

Was man hier sieht, ist der in gebundener Kraft
abgelagerte und zu vielseitiger Harmonie durchdrun-
gene, hin und wieder von einem frei-genialen Zug
unterbrochene Realismus. An den Spitzen der Zeit-
strömung des In- und Auslandes wird dieser Realis-
mus bereits von der neu - idealistischen Strömung
abgelöst. Davon ist hier noch nichts zu merken.
Aber wir haben einen Vertreter in dem hochbegab-
ten und ernst ringenden W. Spatz, der weit eher,
als der vielseitige und tüchtige, aber phantasiearme
Arthur Kampf, berufen erscheint, in dieser Rich-
tung für die Düsseldorfer Malerei bahnbrechend zu
werden.

Die für den Ausgang des Jahrhunderts so be-
zeichnende ästhetische Beweglichkeit wirft ihre
Wellen erst, nachdem eine neue „Windrichtung"
bereits längere Zeit angedauert hat, an unser Ge-
stade. Sie sind darum aber nicht weniger gründlich
fühlbar.

Mit dem Steigen der Phantasiethätigkeit geht
wieder ein Hereinziehen der großen symbolischen
Weltgedanken in die Kunst Hand in Hand und der
philosophische und religiöse Mensch spricht sich
wieder mehr aus, als er es in einer Periode des
strengen Naturalismus zu thun vermochte.

Das, was heute im Entstehen ist, was unter der
Oberfläche keimt und treibt, drückt Paul Gerardy
 
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