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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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Seidlitz, W. von: Grundzüge für eine Künstler-Bibliothek, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0185

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Grundzüge für eine Künstlerbibliothek.

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Zeit, die so sehr geneigt ist, sich von aller Über-
lieferung loszureissen, kann eine solche die besten
Dienste leisten.

An all den Orten, wo Künstler in größerer Zahl
leben, sollte eine solche für deren Zwecke besonders
eingerichtete Bibliothek bestehen, die möglichst all
die Werke enthielte, welche für die künstlerische
Ausbildung wünschenswert sind (aber keine mehr); die
auch zu den Abendstunden aller Wochentage jedem,
der künstlerische Zwecke verfolgt, zugänglich wäre;
die endlich so verwaltet würde, dass diese Kunst-
beflissnen sich leicht in ihr zurechtfinden und sie in
der für sie bequemsten Weise benutzen könnten.
Sie müsste also einen Lesesaal von ausreichender
Grösse haben, in dem man auch nach größeren Vor-
lagewerken zeichnen kann; die Werke müssten an
den Wänden dieses Saales aufgestellt und ohne
weitere Anfrage zugänglich sein (dürften aber nicht
durch die Benutzer selbst au ihren Standort zurück-
gestellt werden, da sonst Unordnung unvermeidlich
wäre); ein übersichtlich und praktisch angeordneter
gedruckter Katalog müsste zur Hand und für ein
geringes käuflich sein; alle leicht ersetzbaren Werke
sollten für eine bestimmte, aber mit Strenge einzu-
haltende Frist ohne weiteres ausgeliehen werden.

Eine solche Bibliothek wäre ein Mittelding
zwischen einer Privat- und einer Leihbibliothek.
Der Gesichtspunkt der Vollständigkeit käme hier
gar nicht in Frage. Am nächsten dürften diesem
Ideal die Bibliotheken einzelner großer Künstler-
vereine kommen; doch sind diese naturgemäß nur den
Vereinsmitgliedern zugänglich. Dagegen wären die
Bibliotheken der Kunstakademien sehr wohl in der
Lage, unter einigen Änderungen der Art und Weise,
wie sie jetzt verwaltet werden, diesem allgemeinen Be-
dürfnis zu entsprechen. Es bedürfte dazu nur der
Erkenntnis, dass der Staat durch eine Öffnung dieser
Bibliotheken für die gesamte Künstlerschaft (ein-
schließlich der Dilettanten) die Kunst nachdrück-
licher zu fördern vermöge als durch manche Ein-
richtungen, die man gewohnt ist, als zu einer Kunst-
akademie gehörend zu betrachten. Lieber die Meister-
ateliers in eine freiere und weniger kostspielige Form j
staatlicher Kunstpflege umgewandelt, in Ateliers,
die unentgeltlich an hervorragende Künstler ver-
geben werden: dafür aber die Bibliotheken allen zu-
gänglich gemacht und dem entsprechend eingerichtet.
Wie der Staat für die Männer der Wissenschaft das !
Material in seinen großen Bibliotheken bereit hält, 1
s<> sollte er auch dafür Sorge tragen, dass den
Künstlern als den Schöpfern idealer, die Volks- j

erziehung fördernder Werke das für sie nötige
Bildungsmaterial bereit gestellt sei. Jene umfassenden
Staatsbibliotheken würden die hieraus für sie er-
wachsende, durchaus notwendige Entlastung als eine
Wohlthat empfinden.

Hier hat uns nur die Frage zu beschäftigen,
wie eine solche Bibliothek zusammengesetzt sein
sollte. Eine Künstlerbibliothek soll es sein, keine
Kunstbibliothek. Auszuschließen ist also alles, was
die Künstler nicht unmittelbar brauchen. In erster
Linie die Kunstgeschichte, soweit sie bloß auf die
wissenschaftliche Erforschung der Vergangenheit
ausgeht, zur Mehrung der künstlerischen Erkenntnis
aber nicht unmittelbar beiträgt. Dann die Archäo-
logie, soweit sie ihren besondern Zwecken nachgeht.
Endlich die Ästhetik, soweit sie rein philosophischen
Zielen nachstrebt. Einige den Stand der neuesten
Forschung zusammenfassende Hauptwerke genügen
auf diesen Gebieten vollständig dem Bedürfnis der
Künstler. Dagegen müssten Keproduktionswerke
künstlerischen Inhalts, die die Werke der einzelnen
Kunstzweige, der einzelnen Zeiten, der einzelnen
Künstler, sowie den Inhalt der Sammlungen vor-
führen, nach Möglichkeit vertreten sein, (namentlich
auch Photographien einzelner Werke). Soweit sie
zu kostspielig sind, um für eine andere Stelle noch
als diejenigen, wo sie unbedingt angekauft werden
müssen, beschafft werden zu können, wird wenigstens
ein Hinweis im Katalog auf die Bibliothek, das
Museum u s. \v , wo sich Exemplare befinden, geboten
sein. Die Originalwerke der vervielfältigenden Kunst
werden aus diesem Grunde überhaupt nur in verhält-
nismäßig wenigen Fällen für eine solche Künstler-
bibliothek angeschafft werden können: solche Werke
werden nach wie vor in den Kupferstichkabinetten
aufzusuchen sein. Für die Befriedigung der Bedürf-
nisse der Künstler im allgemeinen aber, also soweit
es sich nicht bloß um solche Originalwerke oder
besonders kostspielige Reproduktionswerke handelt,
sind diese Kabinette, die an einigen Orten eine
solche Pflicht haben übernehmen müssen, weil die
Akademie des Orts sie zu erfüllen nicht in der Lage
war, weder geeignet noch berufen. Diese Anstalten
dürften daher leicht zu bestimmen sein, alle nickt
durch ihren eigentlichen Zweck geforderten lllustra-
tionswerke und Kunstschriften herzugeben, wenn
es sich um die Bildung einer solchen Akademie-
Bibliothek handeln würde.

Die folgende Zusammenstellung will nur die
Ge.sichtspmikfe feststellen, die hierbei maßgebend
I sein dürften, geht iilso nicht anf Vollständigkeit,-oder
 
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