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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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Frimmel, Theodor v.: Van Dyck's William Villiers in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0200

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Van Dyck's William Villiers in Wien.

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ist, und vieles andere kann schon heute erörtert
werden.

Prüfen wir zunächst die Benennung des Dar-
gestellten als William Villiers, Vicount Grandison.
Sie scheint nach der Überlieferung an dem Bilde
zu haften, womit freilich nichts bewiesen wäre, wenn
sie nicht auch sonst genügend gestützt werden könnte,
um sie als zutreffend anzuerkennen. Dieselbe Per-
sönlichkeit, nur um etwa fünf bis acht Jahre älter,
ist nämlich von Van Dyck noch einmal gemalt
worden, in wesentlich anderer Stellung und in anderer
Umgebung. Dieses zweite Bild ist mit der aus-
drücklichen Angabe, dass es den „William Villiers,
Vicount Grandison" darstellt, von P. v. Gunst (wohl
Pieter van Gunst) gestochen worden.J) Damals, es
mag 30 bis 40 Jahre nach der Entstehung des Ge-
mäldes gewesen sein, wird man noch bestimmt ge-
wusst haben, wessen Abbild man durch den Stich
vervielfältigen ließ. Bei der augenscheinlichen Uber-
einstimmung der Gesichtszüge lässt sich denn auch
nicht zweifeln, dass auch das Wiener Bild den Wil-
liam Villiers darstellt. Der genannte junge Kriegs-
mann, der Neffe des berühmten George Villiers,
Herzogs von Buckingham, ist 1613 geboren. 1630
wurde er Viscount Grandison. Gegen Ende August
1643 ist er infolge einer Verwundung, die er sich
vor Bristol geholt hatte, gestorben. Auf seinem
Grabmal in der Kathedrale von Oxford sind die
wichtigsten Momente seines Lebens angegeben. So
nach dem Text der „Portraits of illustrious perso-
nages of Great Britain", Bd. II. Freundliche För-
derung beim Aufsuchen der obigen Daten, die in
den meisten englischen Nachschlagebüchern fehlen,
verdanke ich dem bekannten Genealogen und Heral-
diker Jos. Klemme in Wien.

Das Datum der Geburt ist genügend, um die
oben besprochenen Bildnisse von Van Dyck's Hand
annähernd zu datiren. Auf dem Gemälde bei Jacob
Herzog in Wien ist der Held sehr jugendlich, etwa
zwanzigjährig dargestellt. Vielleicht ist er nach seinen

biographischen Nachschlagebücher Auskunft, besonders die
„Biographia britannica" (Bd. IV. 1757).

1) Links unten steht: A. v. Dyck pinx.", rechts: P. v.
Gunst sculps. et exc. Amstelod." Unten mitten: Ex Museo
Sereniss. Ducis de Grafton". Der Titel lautet: „William
"Villiers, Vicount Grandison, father to ye Late Duchesse of
Cleaveland." — Vergl. hierzu auch Guifi'rey: „Äntoine van
Dyck, sa vie et son oeuvre", S. 266, No. 569. Die Halbfigur
aus demselben'Bilde kehrt wieder im II. Bde. der „portraits
of illustrious personages of Great-Britain" (1821). Als Be-
sitzer ist dort der Earl of Clarendon angegeben; der Dar-
gestellte wird wieder William Villiers genannt.

ersten Waffenthaten gemalt worden. Denn rechts unten
sind ziemlich absichtlich Stücke der Rüstung ange-
bracht. Das Bild mag noch 1632 oder 1633 ent-
standen sein, wohl noch innerhalb des ersten Jahres,
das Van Dyck in London nach seiner Berufung
dahin verbrachte. Sicher ist es vor dem Frühling
von 1634, vor der Abreise des Van Dyck aus Eng-
land entstanden.

Auf dem zweiten Bildnis ist Villiers schon um
fünf bis acht Jahre älter; auch ist er nicht mehr
der Dandy von früher, obwohl das Kostüm noch
gewählt und die Züge noch jugendlich genug sind.
Wenn der Stich nicht täuscht, muss dieses zweite
Bild gegen 1640 entstanden sein. Van Dyck dürfte
es zwischen dem Spätherbst 1635, der ihn wieder
in England sah, und seiner Abreise im Jahre 1640
gemalt haben.1)

Beachten wir nun die Auffassung, die Kompo-
sition, die Ausführung und die Erhaltung des Bildes
in Wien! Ist es auch sicher von Van Dyck? Wer
könnte es sonst gemalt haben? Da ich das Bild
mit und auch ohne Spiegelglas davor habe sehen
können, als es bei Herzog aufgestellt wurde, darf
ich mir wohl erlauben, einige Beobachtungen mit-
zuteilen. Die Erhaltung ist eine vorzügliche. Die
vorhandenen kleinen Ausbesserungen und Retouchen,
die ja an keiner großen alten Leinwand fehlen,
stören die Gesamtwirkung nicht im mindesten.
Gesicht und Hände sind wenig berührt. Gelitten
hat die ferne dunkle Landschaft links im Bilde.
Diese zeigt fremde Töne von späterer Hand.

Wie die ganze Figur nun so vor uns steht,
müssen wir sagen, dass es der Künstler vortrefflich
verstanden hat, einen etwas eitlen Jüngling aus vor-
nehmem Hause darzustellen, einen Stutzer, der seine
ganze Schönheit gemalt zu sehen wünscht, nicht
nur Gesicht und Gestalt, gleichviel, wie es dem
Maler beliebt, sondern auch die schönen Kleider
und diese nicht in letzter Linie. Das sorgfältig
gewählte Kostüm von den hellen Stulpenstiefeln
mit den Doppelohren am Fußrücken, von den zin-
noberroten goldgestickten Hosen und dem gelben
Wams bis zum Spitzenkragen und den reichen
Spitzenmanschetten und bis zum schwarzen feder-
geschmückten Hut sollte offenbar mit aller Natur-
treue wiedergegeben werden. Die Züge des jungen
Mannes sind nicht eben geistreich, verraten aber

1) Ich schalte hier ein, dass das zweite Villiers-Bildnis,
das P. v. Gunst gestochen hat, auch in der „Times" vom
16. Januar 1893 und in anderen englischen Zeitungen um
jene Zeit erwähnt wird.
 
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