Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0220

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
427

Vom Kunstmarkt.

428

von den Vielen, die in ihrer Zeit hoch angesehen sind, ohne
jedoch in der Kunstgeschichte irgend eine andere Rolle zu
spielen, als die, daran geholfen zu haben, die alte Historie
zu Tode zu hetzen. Seine Farbe ist noch durchaus braun,
nicht einmal brutal bunt, ganz fern von jener deliciösen
Verfeinerung der Modernen. Ein Anlauf, mit diesen zu
gehen, ist unerkennbar, wie sein Misserfolg, da er beim
Äußerlichen blieb, ohne den Kernpunkt zu berühren. — Und
so stehen denn selbst Freunde der dahingegangenen Epoche
ohne Interesse vor den malerisch nichts sagenden Kostüm-
gruppen wie dem Ulrich von Hutten und der Ermordung
des Oraniers, da sie durch und durch konventionell sind und
gradsogut von einem andern Vertreter der Richtung her-
rühren könnten. Da sie im Grunde von rein zeichnerischen
Gesichtspunkten aus aufgebaut sind, ist Lindenschmit ge-
nießbarer, wo er auf die Farbe verzichtet. Da finden sich
viele korrekt gezeichnete Studien und malerische Kompo-
sitionsideen, die indess auch alle zu konventionell wirken,
um ein tieferes Interesse zu erwecken. Bei dem einen sagt
man sich: das hätte Diez besser gemacht und bei dem andern
wäre einem ein Makart aus erster Hand lieber. Auch seine
älteren Waldbilder haben wohl nur die Manierirtheit der
abgestorbenen Kartonschule, ohne ein Fünkchen vom Geiste
Schwind's zu zeigen. — Wohl in der richtigen Erkenntnis,
dass des Meisters Arbeiten allein zu wenig Interesse erwecken
könnten, fügten die Veranstalter eine kleine Zahl von Werken
der Maler hinzu, die aus Lindenschmit's Schule hervor-
gegangen sind, unter denen sich etliche ganz moderne Namen
rinden. Aber dem Ganzen sieht man an, dass sie auch nicht
auf der Akademie malen gelernt haben und wo sie's nicht
wo anders gelernt haben, haben sie's überhaupt nicht ge-
lernt. Von Marr ist eine talentsprühende Arbeit aus der
Zeit des Landknechtsjubels da, von Kunz Meyer einige an-
mutige kleine Bilder, von H. E. v. Berlepsch zwei frische
Landschaftsstudien, die sich gar nicht in den übrigen Rahmen
der Ausstellung fügen wollen. Noch zwei andere Secessio-
nisten sind vertreten, Samberger und Breill. Während der
letztere einige fein gezeichnete und geschmackvoll getönte
Studien aus Tunis und seinen bekannten arabischen Schleier-
tanz bringt, zeigt sich das Talent Sambergers mit einigen
älteren Bildnissen schon ganz auf dem Wege, auf dem er
heute dem ödesten Manierismus zu verfallen droht. — Dann
noch mehrere Arbeiten, die mit Talent, aber ohne malerisches
Können gemalt sind und zuletzt noch eine ganze Reihe von
Sachen, die zwar ohne Können, aber auch ohne Talent ent-
standen sind. Gemalte Langeweile. — Der Kunstverein
bringt hie und da eine Kollektiv - Ausstellung eines inter-
essanten Talentes, welche jedoch nicht imstande ist, das
Niveau zu heben, das sich auf unter Mittelmäßig bewegt..
Man kennt ja den Charakter der Kunstvereine, der hier auch
nicht viel anders ist als sonstwo. Es bleibt immer ein Verein
von Dilettanten für Dilettanten, und die wenigen Künstler darin
vermögen nicht viel auszurichten. Es kann nicht meine
Aufgabe sein, aufzuzählen, was alles ausgestellt wurde. Von
all dem vielen hinterließ nur weniges dauernde Eindrücke.
Ein vielversprechendes Talent, Max Erter, stellte — meines
Wissens zum erstenmal in München — eine größere An-
zahl von Bildern aus, die wie ein Bürgschein für die
Zukunft aussahen. Max Kuschet sandte aus Rom eine
große Anzahl von kühnen Impressionen, Studien und
Bildern, die, den Normallaien gänzlich unverständlich, viel
Schönes brachten. Kuschel giebt sich augenscheinlich die
größte Mühe, ganz er selbst zu bleiben, und niemand
kann leugnen, dass ihm das geglückt ist. Interessant und
talentsprühend war alles, was er brachte, man kommt je-

doch über ein kleines „aber" nicht hinweg. Es ist nicht
leicht, dies „aber" in drei Worten zu formuliren; ich habe
vor den Bildern die Empfindung gehabt, als führte dieser
Weg zum Manierismus, zu einem sehr individuellen zwar,
aber eben doch zum Manierismus. Es giebt heut schon eine
große Anzahl, die von der neuen Formel zehren, die sie sich
einmal selbst geschaffen. — In einer Schwarz-Weißausstellung
fielen viele ausgezeichnete Arbeiten auf, u. a. von Stuck, Dasio,
Erler. Vor längerer Zeit waren die Kartonzeichnungen von
Sascha Schneider ausgestellt, die soviel von sich reden
machten. Es war ja Mode geworden, in den Blättern
Schneider mit Klinger in einem Atem zu nennen, eine so
recht bezeichnende Thatsache für die Urteilslosigkeit der
Menge, die das Bedeutende ignorirt und sich für das Mittel-
mäßige begeistert. Nicht als ob die Arbeiten Schneiders
nicht ein gutes und bemerkenswertes zeichnerisches Talent
verrieten, — nur giebt es dutzende von gleichen und größeren,
um die kein Hahn kräht. Schneiders Kartons zeichnete kein
besonders starkes gestaltendes Talent aus, das es verstände,
eine überzeugende mystische Stimmung zu erwecken, sondern
mehr ein solides zeichnerisches Können, welches auffallende,
tendenziöse Stoffe illustrirt und zwar in einer Weise, die im
gründe ganz in die akademischen Bahnen einlenkt, die wir
glücklich hinter uns zu haben glaubten. Der „Christus in
der Vorhölle" hätte seinen Ursprung in einer akademischen
Komponierschule haben können. Und zum zweiten, weshalb
das Format und die Kohlezeichnung? Das erste wohl um
aufzufallen — und darin hatte Schneider offenbar Recht,
denn als Radirungen wären sie nicht den hundertsten Teil
so bemerkt worden; aber eine so große Komposition muss
entweder als Dekoration farbig gedacht sein oder doch mo-
numental wirken, was beides nicht der Fall war. Die Kohle-
technik hat jedoch gar keine Begründung. Man lese einmal
Klingers „Malerei und Zeichnung", in der das Wesen der
„Griffelkunst" so klar wie nirgend anders dargestellt ist. Es
sollte mich wundern, wenn Schneider bei dieser Technik
bliebe. &

VOM KUNSTMARKT.

Der Katalog %u der Miniaturen-Sammlung des verstor-
benen Mr. Henry Doetsch. Die Miniatur-Malerei ist fast so
alt wie die Schrift und die Malerei selbst. Schon in Ägypten
war diese Art der Malerei ein uralter Brauch; auf manchen
Papyrusrollen, von denen unter anderen das British-Museum
einige besitzt, sind solche Ornamente und Figürchen deut-
lich als schmückende Zugabe nachgewiesen. Während der
Entfaltung ihrer drei ersten Stilperioden: der byzantinischen,
romanischen und gothischen liegt die Ausübung dieser Kunst
der Klein- und Feinmalerei fast ebenso ausschließlich in den
Händen der Mönche in den Klöstern, wie bei den Schöu-
schreibern an den Höfen und in den Universitätsstädten. Die
betreffende Kunstthätigkeit verbreitet sich während jener
Zeit hauptsächlich in Britannien, Frankreich, Italien und
Deutschland, woselbst die Karolinger und das Sächsische
Kaiserhaus ihre mächtigen Gönner und Förderer wurden.
Die fürstlichen Bibliotheken und die Großen wetteiferten um
den Besitz von künstlerisch verzierten Prachtmanuskripten.
So kam es, dass die Miniaturmalerei zu Anfang des 16. Jahr-
hunderts einerseits in den freisten Besitz aller technischen
Hülfsmittel gelangte und damit ihre vollkommensten Leist-
ungen hervorbrachte, andererseits aber gesellten sich zu
dem Typisch-Ideellen mehr aus dem Leben realistisch be-
obachtete Züge, welche sich fortstrebend so steigern, bis sie
ihre Vollendung im eigentlichen Porträt gefunden haben.
 
Annotationen