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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0244

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475

Denkmäler. — Sammlungen und Ausstellungen.

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DENKMÄLER.

A. R. Das Lathcrdcnhmal in Berlin, das am 11. Juni
auf dem Neuen Markte, inmitten einer architektonisch sehr
ungünstig gestalteten Umgebung, enthüllt worden ist, kommt
in seiner ganzen Anordnung dem Rietschelschen Denkmal in
Worms am nächsten. Wie bei diesem, erhebt sich auch bei
dem in Berlin die Gestalt des Reformators auf einem hohen
Sockel inmitten einer von einem Dockengeländer umfriedig-
ten Plattform, zu deren offener Vorderseite etwa ein Dutzend
Stufen hinaufführen. Auf den oberen Podesten der Treppen-
wangen sitzen rechts Ulrich von Hutten mit dem Kranze
des Poeta laureatus, sich über eine seiner Flugschriften
beugend, eine träumerische Gestalt von etwas müder Haltung,
links der ganz in Erz gehüllte Franz von Sickingen, der
unter dem geöffneten Visier nach dem Feinde spähend in die
Ferne blickt, während das stets bereite, entblößte Schwert,
dessen Griff die Rechte umspannt hält, auf den Knieen liegt.
An den vorderen Ecken des Sockels, der die Gestalt des Re-
formators trägt, sitzen links Reuchlin und Spalatin, rechts
Justus Jonas und Kaspar Cruciger, jedes Paar in lobhaftem
Gespräch, das sich um die Obersetzung und Auslegung der
Bibel zu bewegen scheint. An den hinteren Ecken des
Sockels lehnen sich Melanchthon (links) und Bugenhagen
(rechts), beide aufrecht, aber in angemessener Unterordnung
unter die Hauptfigur, die die Rechte auf die geöffnete Bibel
legt, während das erhobene Haupt, nach rechts gewendet,
kühn und entschlossen jedem Widersacher entgegenblickt:
„Das Wort sie sollen lassen stah'n!'1 Es sind also im Ganzen
neun Figuren, drei weniger, als das Wormser Denkmal auf-
zuweisen hat. Ein tragisches Schicksal hat es gewollt, dass
auch das Berliner Denkmal nicht von seinem Schöpfer vol-
lendet worden ist. Als Martin Faid Otto im Frühjahr 1893
noch im besten Mannesalter starb, hinterliess er, wie einst
Rietschel, gerade die Hauptsache, den Kopf der Lutherstatue,
unvollendet, und die beiden Vorkämpfer des Reformations-
werks waren auch noch nicht weit über die Skizze hinaus-
gediehen, weil es in Otto's Absicht lag, diese beiden Figuren
völlig abweichend von dem preisgekrönten Entwurf zu ge-
stalten. Der Kopf Luthers und die Gestalten Huttens und
Sickingens waren die Hauptaufgabe, deren Ausführung seinem
Nachfolger Victor Tobcrcntz zufiel, und man muss anerkennen,
dass diesem Künstler in der Gestalt Sickingens ein Meister-
wurf gelungen ist. Wenn der Reformator selbst nicht so
imponirend, nicht so gewaltig wirkt, wie man es gewünscht
hätte, und vor allem keinen besonders eigenartigen Zug auf-
zuweisen hat, so darf man nicht vergessen, dass Luthers
Figur der bildenden Kunst überhaupt wenig Gelegenheit zur
Entwickelung großer Mannigfaltigkeit bietet. Ist doch Donn-
dorf selbst, der Vollender des Rietschelschen Luther, in seinem
kürzlich enthüllten Lutherdenkmal in Eisenach über den von
Rietschel und ihm gewonnenen Typus nicht hinausgekommen,
und er wird wohl noch lange Zeit hinaus gültig bleiben,
wenn der Bildner nicht zu gesuchten Mitteln (Veränderungen
des Kostüms, Bedeckung des Hauptes u. dgl. m.) greifen
will. Desto eigenartiger, tiefer und geistvoller ist die noch
von Otto herrührende Charakteristik der sechs Mitarbeiter
Luthers, bei deren Gruppirung auch der überwiegend auf das
Malerische gestellte Sinn des Künstlers zu günstigem Aus-
druck gekommen ist. Als ein Ganzes genommen darf das
Berliner Lutherdenkmal als ein wohlgelungenes Werk be-
zeichnet werden, wozu auch die vortreffliche Ausführung in
Bronze wesentlich mitgewirkt hat.

SAMMLUNGEN UND AUSSTELLUNGEN.

0. H. Aus Horn schreibt uns unser dortiger Korre-
spondent: Durch den Eifer des Unterrichtsministers Baccelli
ist im Laufe des Frühjahrs ein erfreulicher Fortschritt in der
Ordnung der dem Staate gehörigen Kunstsammlungen erzielt
worden, und am 9. Juni hat die Eröffnung der neu ein-
gerichteten Räume im Palast der Academia dei Lincei statt-
gefunden. Dieser Palast war vor einer Reihe von Jahren
dem Staat von seinem Besitzer, dem patriotisch gesinnten
Fürsten Corsini unter sehr billigen Bedingungen überlassen
worden, und mit ihm die nach ihm benannte Gemälde-
galerie, sowie eine sehr reichhaltige Sammlung von Stichen
und Handzeichnungen. Die Galerie war seitdem dem Pub-
likum geöffnet, und ihre Hauptstücke (von Fra Bartolommeo,
Murillo u. a.) sind längst allbekannt; die Stiche und Hand-
zeichnungen aber waren so gut wie unzugänglich, da nichts
von ihnen ausgestellt war und es besonderer Erlaubnis be-
durfte, um sie in den Räumen der Akademie zu besichtigen.
Jetzt sind sie mit der Galerie vereinigt, außerdem aber noch
zwei andere Kunstsammlungen in den Palast Corsini über-
geführt worden. Die eine von diesen ist die Galerie Tor-
lonia, welche seit langer Zeit durch eine testamentarische
Bestimmung dem Staate gehört, von diesem aber niemals ent-
gegengenommen war und in dem Palast Torlonia für das
Publikum fast immer unzugänglich war. Die andere ist all-
mählich durch Ankäufe des Staates in dem städtischen Leih-
hause (Monte di Pietä) entstanden, wo nicht selten wert-
volle Kunstwerke versetzt werden und endlich der Auktion
verfallen; diese Sammlung hat entschieden größeren Wert
als die meist aus Schulbildern oder Kopien bestehende Samm-
lung Torlonia.— Die jetzige einheitliche Aufstellung all dieser
verschiedenen Bestandteile im Palazzo Corsini wird eröffnet
durch einen Saal mit Skulpturen, die zumeist der ersten
Hälfte dieses Jahrhunderts, der Schule Canova's angehören;
die Arbeiten Tenerani's ragen unter ihnen hervor. Das
Hauptwerk, Canova's Kolossalgruppe des Herkules, welcher
den Lichas in den Abgrund schleudert, ist vorläufig noch
im Palazzo Torlonia geblieben , da die Überführung beson-
dere Vorbereitungen erheischt. Unter den wenigen Antiken
fällt eine überlebensgroße weibliche Gewandfigur auf, welcher
man den Namen „Hygiea" gegeben hat, und die wohl das
Werk eines griechischen Meisseis nachalexandrischer Zeit
sein dürfte. In den folgenden Sälen sind die drei Samm-
lungen Corsini, Torlonia und „Monte di Pietä" ungetrennt
aufgestellt, doch die Herkunft der einzelnen Stücke kenntlich
gemacht. Ein Katalog fehlt noch (ausgenommen die Galerie
Corsini) und dürfte auch sehr schwer herzustellen sein, da
es für viele Bilder an jeder Tradition und noch mehr an
wissenschaftlicher Vorarbeit mangelt. Aus der besonders
an Porträts reichen Sammlung Torlonia sei das große Bild
einer dem Beschauer zugewandt stehenden männlichen Figur
hervorgehoben, welches Dosso Dossi zugeschrieben wird.
Unter den Bildern vom „Monte" befindet sich ein ganz vor-
zügliches Werk von Garofalo, Christus in Gethsemane; in
der Mitte der Heiland, der durch den Engel gestärkt wird,
links die drei Schläfer in wunderbar natürlicher und charak-
teristisch abgestufter Darstellung; rechts in der Tiefe Judas
bei Fackelschein mit den Kriegsknechten herankommend.
Auch an Bildern aus dem Quattrocento fehlt es der Samm-
lung nicht. Von Signorelli ist eine meisterhafte Studie eines
älteren Mannes vorhanden, dessen Kopf so stark zurück-
geworfen ist, dass das Gesicht in Verkürzung gesehen wird. —
Von der Sammlung der Stiche und Handzeichnungen ist
natürlich nur ein kleiner Teil ausgestellt; hoffentlich wird
 
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