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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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Schultze, Paul: Internationale Kunstausstellung der Secession München, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0266

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Internationale Kunstausstellung der Seoession München. II.

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der -Secession nicht mehr als eine Bürgschaft auf Erfolg,
sondern nur individuelle Neigungen entscheiden.

Ganz besonders aber in der Landschaft scheint es
sich abzuklären, was der moderne Maler eigentlich
will. Was das ist, lässt sich nicht mit einem Worte
sagen, ich möchte den Fragenden vor eines der Bilder
führen und dieses die Antwort geben lassen: vor das
„Allerseelen" von Leo Putx. Ein Blick in einen Friedhof,
der sich ins Thal hinabsenkt, Berge schließen den Horizont,
kein Himmel blickt hinein. Grüne Dämmerung. Gräber
und schiefe Kreuze, ärmlich geschmückt; ganz hinten
durch die Pforte naht ein Zug, ein Schimmern von hellen
Gewändern, Priester .... Das ist ein Motiv, wie es
zu allen Zeiten, die sentimentale Stimmungen kannten,
gemalt worden ist, aber so wäre es nie gemalt worden.
Und das ist das Moderne daran, dass als Erstes und
Wichtigstes der Ton spricht: noch ehe man das Bild
recht besehen, steht man schon im Banne seiner Stim-
mung, die aus den Tönen redet. Dann durch das gänz-
liche Verzichten auf Linienkomposition; nur mit dem
Gegenüberstellen farbiger Flächen ist hier komponirt.
Nirgends ein erzählender, sondern nur stimmungserregen-
der Inhalt. Novellistische Zuthaten sind da unnötig,
wo die eindringliche Sprache der Farbe ertönt. Alles
in allem also eine Annäherung an die Prinzipien der
alten Meister vermittelst neuer Ausdrucksmittel von einer
Delikatesse und Feinheit, von der man sich vor zwanzig
Jahren hier noch nirgends etwas träumen ließ.

Auch auf Kampmann's großes Bild möchte ich den
hinweisen, der mich nach dem Wesen des modernen
Landschafters früge. Die Poesie des Waldes ist zu
allen Zeiten besungen worden, so aber noch nie. Kamp-
mann's Mittel sind das Gegenübersetzen zweier Töne.
Er führt uns in einen hochstämmigen Buchenwald: tiefe
Dämmerung ringsum, schweigender WTald und rosenrot
leuchtender Abendhimmel, der sich von den Silhouetten
der Stämme und Äste abzeichnet. Kampmann hat wohl
noch nicht Größeres und Einfacheres gemalt. Auch er
hat viel von den Schotten gelernt, ist aber in nichts
ein Imitator von ihnen.

Ein Maler par excellence ist Bergmann geworden.
Seine zwei Bilder gehören zu dem Schönsten der Aus-
stellung. Von allen Motiven ist nicht viel zu sagen,
Baumgruppen am Wasser, einige buntscheckige Kühe
darin; aber zum Entzücken schön gemalt. Auch er hätte
das wohl nicht gekonnt, wenn er nicht gewisse Vorbilder
gesehen hätte, aber es ist doch wahrhaftig keine Schande,
etwas gelernt zu haben. — Wundervoll ist auch Dill's
Frühlingstimmung in der Po-Niederung. Zarte lichte
Birkenstämme, zwischen denen blaue Blütenflächen dem
Sumpfboden entsprossen, mattes weiches Sonnenlicht
flutet darüber. Auch hier der leis verklingende Mollton,
der Dill's Schöpfungen in neuester Zeit eigen ist.

Eine im Sattel des Könnens so festsitzende Gene-
ration kann sich jetzt auch erlauben, ihren Farben-

symphonien einen Text unterzulegen, ohne mit ihm den
Wohlklang der Musik zu unterdrücken. Da ist Oämiseh
mit seinem Schloss Trausnitz. In dem Bilde ist alles,
was man von dem modernen Maler fordert: delikateste
Lösung der Tonwerte, einheitliche Flächenwirkung, in-
dividuellste Komposition: ein Gipfeln im Malen. Und
doch klingen da leise, leise Worte mit, welche erzählen
von dem einsamen Keiter und dem fernen Schlosse,
dessen Zinnen, vom abendlichen Strahl vergoldet, auf
den Höhen thronen. Ein Stück Eichendorff.

Auch Keller-Reutlingen verzichtet nicht darauf, ein
Farbenpoet zu sein. Da ist sein Blick auf „Marktbreit".
Feierliche Abendstimmung. Tief unter uns Dächer und
Giebel; das Geräusch der Gassen tönt herauf. Einsam
ragen Speicher und Türme in die Dämmerung, öde
Höhenzüge schauen drauf herab. Keller-Reutlingen ist
nicht wuchtig in seiner Malerei, aber eine andächtige
Naturversenkung stempelt ihn zum feinsinnigen Künstler.
Aus seinem „Abend" spricht ein inniges, deutsches
Element, dessen Zauber sich nicht leicht jemand ent-
ziehen kann.

Schönleber wirkt vollendet, wie ein Ausschnitt aus
der Natur. Noch selten hat man Wasser so flüssig,
so durchsichtig gesehen, noch selten Felsen so stofflich,
Luft so klar und Fernen so weit. Wenn man an einem
hellen Tag das Bild durch die hohle Hand betrachtet,
kann man sich der Illusion hingeben, an der Riviera
zu wandeln. Und gerade das schließt das Negative des
Urteils ein: das Bild hat etwas zu Objektives, um nicht
Unpersönliches zu sagen. Es ist, als ob Schönleber sich
hinter dem Bild versteckt hätte, als ob er, der doch
eine so ausgeschriebene markante Handschrift schreiben
könnte, sich darauf kaprizirt hätte, Kurrentschrift zu
schreiben. Man hat die Empfindung: Schönleber hat zu
viel daran gethan, das Bild muss ein Studium gehabt
haben, in dem es kräftiger, persönlicher gewirkt hat;
das was dann noch dazu gekommen ist, war nicht für
den Künstler, sondern für das Publikum. Und das tritt
hier auf der Secessionisten-Ausstellung mehr als irgendwo
zu Tage.

Emmy Lischke hat ein Bild da, das sich auch nicht
ganz dem doch sonst so weit gezogenem Rahmen der
Ausstellung einfügt. Obgleich ohne alle Frage hoch-
poetisch, farbig und ungemein geschickt gemalt, leidet es
unter einem gewissen altmodischem konventionellen Ton,
der den reinen Genuss stört. Es ist, als ob sie sich
die Mittel der Modernen noch nicht so recht zu eigen
gemacht hätte und der Farbenklang, den das Bild anstrebt,
nicht ganz zur Reife gekommen wäre. Aber trotz alle-
dem bleibt das Ganze doch ein durch und durch vor-
nehmes Kunstwerk.

Es ist hier nicht möglich, auch alle nur den Ge-
nannten Gleichbedeutenden aufzuführen. Nur noch aus
dem Vollen einige Namen: Rabending, der zu seinen
alpinen Motiven zurückgekehrt ist, Buttersack mit seinen
 
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