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Bücherschau
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Die gesunde einfache Porträtierkunst, wie sie Rem-
brandt, ohne sich wesentlich von den Genossen abzu-
heben, in den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts ausübte,
ist im Leidener Museum und in der Publikation durch
zwei signierte und von 1626 datierte gute Arbeiten des
Jan van Ravesteijn vertreten, das Bildnis des Jacob van
Brouckhoven und seiner Gattin.
Jovis van Schooten erscheint mit einem reichen Schützen-
stück aus dem Jahre 1650 als der Leidener van der Heist,
nicht viel anders als Jacobus van der Merk, von dem ein
Einzelportrat abgebildet ist. An Stelle des Ferdinand Bol,
dessen Porträt eines Herrn Burgersdijk von jener theatra-
lischen Beredtsamkeit erfüllt ist, die seit den fünfzigerjahren
des 17. Jahrhunderts in Holland höchst beliebt war, würden
wir im Leidener Museum lieber einem anderen Rembrandt-
Schüler begegnen, dem Oerard Dou, der seiner Vater-
stadt in bürgerlich tüchtiger, erfolgreicher Tätigkeit
treu blieb.
Von Jan Steen sind zwei Gemälde im Leidener Mu-
seum. Eines davon ist abgebildet, eine biblische Szene,
Rahel und Laban. Mit bunten Trachten, im Stil der Ko-
mödie geschildert, ist diese Darstellung undeutlich wie
manche ähnliche Darstellungen des Meisters. Jan Steen
macht das Unwesentliche des biblischen Berichtes zur
Hauptsache. Sein beweglicher Geist ließ sich nicht auf
ein eng umfriedetes Darstellungsgebiet beschränken, er
wurde nicht Spezialist, wie die meisten seiner Kunstge-
nossen! Was er liebte, fand er überall, selbst in den
Evangelien und im Alten Testament: die komische Mensch-
lichkeit.
Den Abschluß der Publikation bildet die Nachbildung
einer Bildweberei, eines schönen Dekorationsstückes mit
Blattwerk und Tieren. Für die Geschichte des Gobelins
ist dieses Werk, das italienischen Arbeiten dieser Gattung
nicht unähnlich sieht, sehr wichtig, da es nachweislich
von dem Leidener Wirker Willem Andries um die Mitte
des 16. Jahrhunderts ausgeführt ist. m. /. f.
Emil Heilbut, Die Impressionisten. Berlin, Bruno Cassirer.
1903.
Heilbut hat in seiner Broschüre über die Impressio-
nisten selber eine impressionistische Studie geliefert. Mit
leichter Hand notiert er die Eindrücke, welche die Wiener
Frühjahrsausstellung auf ihn gemacht hat. Und man hört
ihm gerne zu. Denn es ist ein Mann von feinem künst-
lerischen Empfinden, gesättigt von der Kultur unserer Zeit,
einer, der mitten in unserer Kunstbewegung steht, der zu
uns spricht. Zu seinen Bemerkungen über die Gruppe
der Franzosen und Deutschen, die sich an Manet an-
schließt, ist er schon dadurch legitimiert, daß er ihr mit
seinen Sympathien besonders nahe steht — freilich durch-
aus nicht allen, die sich zu jener Gruppe bekennen. Am
eingehendsten würdigt er Manet, Monet, Sisley und Renoir.
Fein und treffend ist die Bemerkung über Toulouse-Lautrec,
dass auch seine Gemälde als »Griffelkunst« betrachtet sein
wollen. Cezanne bereitet ihm augenscheinlich Verlegen-
heit. Er konstatiert die wachsende Schar seiner über-
zeugten Pariser Anhänger und kann sich angesichts dieser
Erscheinung offenbar nicht zu einem entschiedenen Aus-
druck der Bedenken entschließen, die Cezannes Kunst in
ihm aufsteigen läßt. Heilbuts Verurteilung der tüpfelnden
Neoimpressionisten — der Koriandlmaler, wie sie ein
Freund launig nannte — als langweiliger Pedanten findet
gewiß bei den meisten freudige Zustimmung. Es ist
schwer zu begreifen, daß sich neuerdings — nach einem
Gemälde auf der Berliner Sezessionsausstellung zu schließen
— ein so selbständiger. Künstler wie unser Christian Rohlfs
diesen Pflasterarbeitern der Malerei angeschlossen hat.
Weniger gern unterschreiben wir die Verurteilung Bes-
nards als eines »ganz äußerlichen Künstlers«. Kluger-
weise verzichtet Heilbut auf eine eingehendere Betrachtung
der impressionistischen Plastik. Es wäre ihm gewiß
schwer geworden, den Gewinn nachzuweisen, den die
Skulptur bei Rodin — und anderen — aus dem »Ab-
schütteln gewisser Reste von Skulpturalem, das heißt
formalistischen Wesen« gezogen hat. Eine Reihe von
dreißig Autotypien bietet Reproduktionen nach Werken
der meisten erörterten Künstler. Die Abbildungen sind
so gut geraten wie nur möglich. Darum bleibt es aber
doch wahr, daß die schwarz-weiße Wiedergabe keinem
Gemälde weniger gerecht werden kann, als einem im-
pressionistischen, a. p.
Berichte über die Tätigkeit der Provinzialkommission
für die Denkmalpflege in der Rheinprovinz und der
Provinzialmuseen zu Bonn und Trier. I—VI. Bonn
1896-1902. Mit zahlreichen Abbildungen.
Die oben genannten Berichte, die zugleich in den
Jahrbüchern des Vereins von Altertumsfreunden in den
Rheinlanden erscheinen, entrollen uns ein anschauliches
Bild von der bewundernswerten Fürsorge der Rheinprovinz
für die ihrem Schutze anvertrauten Kunstaltertümer und
von der ungewöhnlichen organisatorischen Befähigung und
Leistungskraft ihres Provinzialkonservators, des Professors
Paul Giemen. Zugleich bieten sie uns in Text und Ab-
bildungen ein kunstgeschichtliches Material von großem
Werte dar. Um nur einige der hier behandelten Denk-
mäler hervorzuheben, so nenne ich das Münster in Aachen,
die romanischen Wandgemälde der Severuskirche zu Bop-
pard und der Pfarrkirche zu Niedermendig, die Benediktiner-
abteikirche in Offenbach am Glan, die Willibrordkirche in
Wesel, den Dom zu Trier, die Abteikirche in Altenberg,
das Rheintor in Andernach, Schloß Burg an der Wupper,
die Hohenstaufenpfalz Kaiserswerth, die kurfürstliche Burg
zu Koblenz, die Wernerkapelle bei Bacharach, die Wand-
gemälde in der katholischen Pfarrkirche zu Nideggen, die
Wandgemälde in St. Gereon zu Köln, die landgräflich
hessischen Grabdenkmäler in der evangelischen Pfarrkirche
zu St. Goar und die altchristlichen Grabkammern bei
S. Matthias in Trier. Es wäre zu wünschen, daß das
leuchtende Vorbild, das die Rheinprovinz bietet, in den
übrigen Provinzen und Staaten Deutschlands immer weitere
Nachfolge fände. h. e.
Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz. Heraus-
gegeben von Paul Clemen. Band VIII. 1. Kreis Jülich,
bearbeitet von Karl Franck-Oberaspach und Edmund
Renard. Mit 13 Tafeln und 156 Abbildungen im Text.
Düsseldorf 1902.
Von dem mustergültigen, groß angelegten Denkmäler-
werk der Rheinprovinz sind bisher vier Bände vollständig
und vom fünften Band zwei Lieferungen erschienen. Der
Schluß des fünften Bandes soll die Stadt Bonn behandeln
und demnächst veröffentlicht werden. Band sechs und
sieben sind der Stadt Köln vorbehalten. Da ihre Be-
arbeitung aber längere Zeit und Vorbereitung erfordert,
so wird zur Vermeidung einer größeren Stockung einst-
weilen bei Band acht in den Veröffentlichungen fort-
gefahren. Das vorliegende erste Heft dieses achten Bandes
umfaßt die Kunstdenkmäler des Kreises Jülich. Unter
den hier mit gewohnter Sorgfalt und Sachkenntnis ver-
zeichneten Kunstaltertümern seien zunächst eine recht er-
hebliche Reihe flandrischer Schnitzaltäre vom Beginn des
16. Jahrhunderts, die sich an verschiedenen Orten finden,
hervorgehoben. Ferner nenne ich: die katholischen Pfarr-
kirchen zu Aldenhoven und Linnich, der Lettnerbogen der
katholischen Pfarrkirche zu Siersdorf, das Chorgestühl in
Bücherschau
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Die gesunde einfache Porträtierkunst, wie sie Rem-
brandt, ohne sich wesentlich von den Genossen abzu-
heben, in den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts ausübte,
ist im Leidener Museum und in der Publikation durch
zwei signierte und von 1626 datierte gute Arbeiten des
Jan van Ravesteijn vertreten, das Bildnis des Jacob van
Brouckhoven und seiner Gattin.
Jovis van Schooten erscheint mit einem reichen Schützen-
stück aus dem Jahre 1650 als der Leidener van der Heist,
nicht viel anders als Jacobus van der Merk, von dem ein
Einzelportrat abgebildet ist. An Stelle des Ferdinand Bol,
dessen Porträt eines Herrn Burgersdijk von jener theatra-
lischen Beredtsamkeit erfüllt ist, die seit den fünfzigerjahren
des 17. Jahrhunderts in Holland höchst beliebt war, würden
wir im Leidener Museum lieber einem anderen Rembrandt-
Schüler begegnen, dem Oerard Dou, der seiner Vater-
stadt in bürgerlich tüchtiger, erfolgreicher Tätigkeit
treu blieb.
Von Jan Steen sind zwei Gemälde im Leidener Mu-
seum. Eines davon ist abgebildet, eine biblische Szene,
Rahel und Laban. Mit bunten Trachten, im Stil der Ko-
mödie geschildert, ist diese Darstellung undeutlich wie
manche ähnliche Darstellungen des Meisters. Jan Steen
macht das Unwesentliche des biblischen Berichtes zur
Hauptsache. Sein beweglicher Geist ließ sich nicht auf
ein eng umfriedetes Darstellungsgebiet beschränken, er
wurde nicht Spezialist, wie die meisten seiner Kunstge-
nossen! Was er liebte, fand er überall, selbst in den
Evangelien und im Alten Testament: die komische Mensch-
lichkeit.
Den Abschluß der Publikation bildet die Nachbildung
einer Bildweberei, eines schönen Dekorationsstückes mit
Blattwerk und Tieren. Für die Geschichte des Gobelins
ist dieses Werk, das italienischen Arbeiten dieser Gattung
nicht unähnlich sieht, sehr wichtig, da es nachweislich
von dem Leidener Wirker Willem Andries um die Mitte
des 16. Jahrhunderts ausgeführt ist. m. /. f.
Emil Heilbut, Die Impressionisten. Berlin, Bruno Cassirer.
1903.
Heilbut hat in seiner Broschüre über die Impressio-
nisten selber eine impressionistische Studie geliefert. Mit
leichter Hand notiert er die Eindrücke, welche die Wiener
Frühjahrsausstellung auf ihn gemacht hat. Und man hört
ihm gerne zu. Denn es ist ein Mann von feinem künst-
lerischen Empfinden, gesättigt von der Kultur unserer Zeit,
einer, der mitten in unserer Kunstbewegung steht, der zu
uns spricht. Zu seinen Bemerkungen über die Gruppe
der Franzosen und Deutschen, die sich an Manet an-
schließt, ist er schon dadurch legitimiert, daß er ihr mit
seinen Sympathien besonders nahe steht — freilich durch-
aus nicht allen, die sich zu jener Gruppe bekennen. Am
eingehendsten würdigt er Manet, Monet, Sisley und Renoir.
Fein und treffend ist die Bemerkung über Toulouse-Lautrec,
dass auch seine Gemälde als »Griffelkunst« betrachtet sein
wollen. Cezanne bereitet ihm augenscheinlich Verlegen-
heit. Er konstatiert die wachsende Schar seiner über-
zeugten Pariser Anhänger und kann sich angesichts dieser
Erscheinung offenbar nicht zu einem entschiedenen Aus-
druck der Bedenken entschließen, die Cezannes Kunst in
ihm aufsteigen läßt. Heilbuts Verurteilung der tüpfelnden
Neoimpressionisten — der Koriandlmaler, wie sie ein
Freund launig nannte — als langweiliger Pedanten findet
gewiß bei den meisten freudige Zustimmung. Es ist
schwer zu begreifen, daß sich neuerdings — nach einem
Gemälde auf der Berliner Sezessionsausstellung zu schließen
— ein so selbständiger. Künstler wie unser Christian Rohlfs
diesen Pflasterarbeitern der Malerei angeschlossen hat.
Weniger gern unterschreiben wir die Verurteilung Bes-
nards als eines »ganz äußerlichen Künstlers«. Kluger-
weise verzichtet Heilbut auf eine eingehendere Betrachtung
der impressionistischen Plastik. Es wäre ihm gewiß
schwer geworden, den Gewinn nachzuweisen, den die
Skulptur bei Rodin — und anderen — aus dem »Ab-
schütteln gewisser Reste von Skulpturalem, das heißt
formalistischen Wesen« gezogen hat. Eine Reihe von
dreißig Autotypien bietet Reproduktionen nach Werken
der meisten erörterten Künstler. Die Abbildungen sind
so gut geraten wie nur möglich. Darum bleibt es aber
doch wahr, daß die schwarz-weiße Wiedergabe keinem
Gemälde weniger gerecht werden kann, als einem im-
pressionistischen, a. p.
Berichte über die Tätigkeit der Provinzialkommission
für die Denkmalpflege in der Rheinprovinz und der
Provinzialmuseen zu Bonn und Trier. I—VI. Bonn
1896-1902. Mit zahlreichen Abbildungen.
Die oben genannten Berichte, die zugleich in den
Jahrbüchern des Vereins von Altertumsfreunden in den
Rheinlanden erscheinen, entrollen uns ein anschauliches
Bild von der bewundernswerten Fürsorge der Rheinprovinz
für die ihrem Schutze anvertrauten Kunstaltertümer und
von der ungewöhnlichen organisatorischen Befähigung und
Leistungskraft ihres Provinzialkonservators, des Professors
Paul Giemen. Zugleich bieten sie uns in Text und Ab-
bildungen ein kunstgeschichtliches Material von großem
Werte dar. Um nur einige der hier behandelten Denk-
mäler hervorzuheben, so nenne ich das Münster in Aachen,
die romanischen Wandgemälde der Severuskirche zu Bop-
pard und der Pfarrkirche zu Niedermendig, die Benediktiner-
abteikirche in Offenbach am Glan, die Willibrordkirche in
Wesel, den Dom zu Trier, die Abteikirche in Altenberg,
das Rheintor in Andernach, Schloß Burg an der Wupper,
die Hohenstaufenpfalz Kaiserswerth, die kurfürstliche Burg
zu Koblenz, die Wernerkapelle bei Bacharach, die Wand-
gemälde in der katholischen Pfarrkirche zu Nideggen, die
Wandgemälde in St. Gereon zu Köln, die landgräflich
hessischen Grabdenkmäler in der evangelischen Pfarrkirche
zu St. Goar und die altchristlichen Grabkammern bei
S. Matthias in Trier. Es wäre zu wünschen, daß das
leuchtende Vorbild, das die Rheinprovinz bietet, in den
übrigen Provinzen und Staaten Deutschlands immer weitere
Nachfolge fände. h. e.
Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz. Heraus-
gegeben von Paul Clemen. Band VIII. 1. Kreis Jülich,
bearbeitet von Karl Franck-Oberaspach und Edmund
Renard. Mit 13 Tafeln und 156 Abbildungen im Text.
Düsseldorf 1902.
Von dem mustergültigen, groß angelegten Denkmäler-
werk der Rheinprovinz sind bisher vier Bände vollständig
und vom fünften Band zwei Lieferungen erschienen. Der
Schluß des fünften Bandes soll die Stadt Bonn behandeln
und demnächst veröffentlicht werden. Band sechs und
sieben sind der Stadt Köln vorbehalten. Da ihre Be-
arbeitung aber längere Zeit und Vorbereitung erfordert,
so wird zur Vermeidung einer größeren Stockung einst-
weilen bei Band acht in den Veröffentlichungen fort-
gefahren. Das vorliegende erste Heft dieses achten Bandes
umfaßt die Kunstdenkmäler des Kreises Jülich. Unter
den hier mit gewohnter Sorgfalt und Sachkenntnis ver-
zeichneten Kunstaltertümern seien zunächst eine recht er-
hebliche Reihe flandrischer Schnitzaltäre vom Beginn des
16. Jahrhunderts, die sich an verschiedenen Orten finden,
hervorgehoben. Ferner nenne ich: die katholischen Pfarr-
kirchen zu Aldenhoven und Linnich, der Lettnerbogen der
katholischen Pfarrkirche zu Siersdorf, das Chorgestühl in