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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Erbauliches und Beschauliches
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0042

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Bücherschau

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öffentlichen Kunstpflege sofort zu protegieren. Der I
Staat muß konservativ sein. Aber er hat seine Ange-
hörigen alle mit gleicher Liebe zu bescheinen. Er
kann nicht einfach dekretieren: weil du deine Bilder
in der Kantstraße statt am Lehrter Bahnhofe aus-
stellst, werde ich deine Werke nicht mehr in die
Staatsgalerie einlassen.

Nicht einmal künstlerische Überzeugung spricht
aus solchem Handeln; denn Sezession und Glashaus
als scharfgetrennte Typen anzusehen, geht gar nicht.
Heine z. B. ist in Berlin Sezessionist, in München
Glaspalastbewohner. Andererseits scheint es, als wenn
der Kaiser selbst auch durchaus nicht die Sezessionen
in Bausch und Bogen verdammt, denn er hat doch
als ganz, persönlichen Willensakt dem bayrischen Prinz-
regenten die verweigerten 100000 Mark angeboten,
von denen doch vielleicht die Hälfte den Münchener
Sezessionisten zugeflossen wäre!

Man blicke einmal nach Wien, wo der greise
Monarch (was wahrhaftig nicht "verwunderlich ist)
kein Hehl daraus gemacht hat, wie wenig ihm die
Darbietungen der Sezession behagen; aber in bezug
auf die offizielle Behandlung gibt es zwischen Künst-
lerhaus und Olbrichs »Krauthappel« keinen Unter-
schied. Wie in München, so nimmt auch in Wien
der Landesherr von beiden Ausstellungen gleiche
Notiz. Staatskäufe werden hier wie dort nach dem
Vorschlage der Kommission gemacht; verdiente Mit-
glieder erhalten die üblichen Staatstitel, wie kürzlich
erst Rudolf Bacher, der »akademischer« Professor
geworden ist. Klimt war sogar ernstlich als Lehrer
an der Akademie in Erwägung gezogen worden.

Wozu überhaupt der Streit? Die Sezessionen
haben sich wie eine Naturnotwendigkeit in allen
großen Kunstzentren vollzogen und das Publikum,
das heißt also der Staat, hat den Nutzen davon. Wir
brauchen eine Kunstausstellung, wo der gesunde
Mittelstand (geschmacklich gesprochen) sein Schön-
heitsbedürfnis stillen kann und eine andere für die
ästhetisch Verfeinerten, die Progressisten. Es kann
so wenig eine Schande sein, sich an einem gemüt-
lichen Bilde eines Tiermalers älterer Schule zu er-
quicken, wie sich jemand als Pharisäer fühlen darf,
der die Qualitäten von Manets Stier zu schmecken
weiß. Aber wer von der Kunst Sensationen solch
letzter Art verlangt, der kann auch die Anforderung
stellen, daß ihm das Hundert Bilder, mit dem er sein
Interesse an der Jahresproduktion befriedigt, gesondert
vorgeführt werden. Ebenso wie das Häuflein von
Künstlern, deren Ideale mit denen der überwiegen-
den Menge ihrer Berufsgenossen nicht mehr über-
einstimmen, das gute Recht haben muß, durch einen
reinlichen Zusammenschluß ihrer Werke ihrem Zeit-
alter zu zeigen, was sie erstreben. Lehnen dann die
sachkundigen Elemente des Volkes solche Dokumen-
tierung nicht ab, sondern beweisen, wie es in Berlin
und München der Fall ist, durch Besuch, Kauf und
Presse, daß sie die Sezession wollen, so hat der Staat,
als der Vertreter des Volkes, kein Recht, diese Gruppe
in den Schatten zu stellen. Wer ein Kunstwerk unter-
drückt, begeht ein Verbrechen gegen das keimende Leben!

BÜCHERSCHAU

Kunsthistorische Gesellschaft für photographische
Publikationen unter Leitung von A. Schmarsow, F.
v. Reber, K- Hofstede de Groot. Achter Jahrgang igo2;
neunter Jahrgang 1903.

Der achte Jahrgang bringt auf 26 Tafeln lauter Italiener.
Sehr interessante, wenn auch stark beschädigte Bruchstücke
von einem Tabernakel in Nuovoli bei Florenz, das als
Arbeit Antonio Venezianos durch Vasari bezeugt ist;
die Kreuzabnahme erinnert freilich durchaus an Giottino.
Vom Treppenaufgang zum Chor in San Miniato zu Florenz
zwei Heiligengestalten, die noch zwischen Gotik und
Renaissance schwanken, und ein Hieronymus, der wohl
mit Recht als eine Jugendarbeit Castagnos bezeichnet wird.
Aus der Kapeile des Kardinals von Portugal in derselben
Kirche die in ihrer Raumeinteilung wunderbar einfache
Verkündigung Baldovinettis, der Crowe und Cavalcaselle
noch gar nicht gerecht zu werden wußten, und die bereits
den Einfluß der Niederländer verratenden Evangelisten
und Kirchenväter desselben Künstlers in den Schildbögen
der Kuppel, sowie Propheten in den Zwickeln der Nischen;
endlich die beiden großartigen, den Vorhang zurück-
schiebenden fliegenden Engel Pollajuolos zu den Seiten
des Rundfensters der Altarnische. Von Domenico Ghir-
landaio zwei sehr bezeichnende Wandbilder von S. Andrea
in S. Donnino bei Florenz. Für Buonfigli werden die
beiden kleinen Darstellungen des hl. Franziskus mit der
Armut und dem Ordensjoch, in der Münchener Pinakothek,
wo sie als florentinisch aus der ersten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts gelten, in Anspruch genommen, wozu Schmarsow
in einem Privatbrief bemerkt, daß er die Münchener
Täfelchen für etwas früher halte als die zum Vergleich
herangezogenen Fresken im Stadthause zu Perugia, da sie
dem Niccolö da Foligno noch verwandt sind, wie das bei
frühen Arbeiten Buonfiglis der Fall ist. Von dem Ver-
kündigungsbilde der Uffizien wird die Städteansicht des
Hintergrundes in starker Vergrößerung wiedergegeben,
wodurch freilich die Annahme, daß es sich bei diesem lieb-
reizenden Werke um eine Jugendschöpfung Lionardos
handelt, stark gestützt wird, da es der von 1473 datierten
gezeichneten Landschaft des Künstler in den Uffizien sehr
nahe verwandt erscheint, während doch die Figuren in
ihrer metallischen Bestimmtheit die Zweifel an der Richtig-
keit dieser Zuweisung nicht ganz zu beseitigen vermögen.
Dagegen dürfte die Zuschreibung eines merkwürdigen
runden Temperabildes in der Wiener Akademie, einer
Madonna mit dem Christkinde und dem Johannesknaben,
an Michelangelos Jugendzeit trotz unangenehmster Ma-
nieriertheit der Komposition durchaus aufrecht zu erhalten
sein, da das Bild ungemein an die Londoner frühe Madonna
erinnert und bereits auf die Madonna Doni hinweist. Den
Beschluß macht eine sehr wirkungsvolle Anbetung der
Hirten von Caravaggio im Oratorium S. Lorenzo zu Palermo,
die nur wegen der fehlenden Beglaubigung mit einem
Fragezeichen versehen ist.

Der neunte Jahrgang, mit 27 Tafeln, ist ganz den
nordischen Schulen des 15. Jahrhunderts, namentlich den
deutschen, gewidmet. Enthält er auch viel unselbständige
und örtlich bedingte Leistungen, so führt er doch nach
verschiedenen Richtungen dankenswertes Material für Ver-
gleichungen und nähere Bestimmungen vor; als bemerkens-
werte Schöpfungen ragen aber dabei die Tafeln des
Schühleinschen Altars in Tiefenbronn (wo sich auch der
wichtige Altar von Lukas Moser befindet), sowie die bisher
unbekannt gebliebene Verkündigung aus Aix hervor. Die
einzelnen Bilder sind: zwei Tafeln aus dem Stift Wilten
bei Innsbruck, um 1432; ein Triptychon aus dem Kanton
 
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