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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Bode, Wilhelm von: Friedrich Lippmann: Direktor der Berliner Kupferstichkabinetts, gestorben am 2. Oktober 1903
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83

Friedrich

Lippmann

SO

fehlte bis dahin die bei uns noch unerläßliche wissen-
schaftliche Legitimation für eine solche Stellung, der
Doktortitel; • behufs Erlangung derselben entstand
seine Arbeit über »Die Anfänge der Form-
schneidekunst und des Bilderdruckes«, die auch im
ersten Band des Repertoriums zum Abdruck kam,
eine bahnbrechende Arbeit nach dieser Richtung und
wohl Lippmanns tüchtigste wissenschaftliche Leistung.
Ein schmerzlicheres Opfer als dieser Zwang zu einer
in wenigen Wochen fertigzustellenden Arbeit war die
Trennung von seiner schönen Bildersammlung; den
Kummer über diesen Verlust hat er nie ganz über-
wunden, obgleich mehrere der besten Bilder damals
in die Berliner Galerie übergingen und ihm dort
täglich vor Augen waren.

In seiner neuen Stellung hat Lippmann sofort
bewiesen, daß man den rechten Mann an den rechten
Platz gestellt hatte. Seine Kenntnis des gesamten
Kunstmarktes und seine Bekanntschaft mit den meisten
bedeutenden Sammlern und Händlern ermöglichten
ihm eine Reihe der wichtigsten Ankäufe ganzer
Sammlungen, die er zum Teil trotz der schwierigsten
Verhältnisse durchsetzte, dank auch der warmen Unter-
stützung seines Vorgesetzten, nicht am wenigsten des
hohen Protektors und seiner Gemahlin, welche Lipp-
mann stets ihr besonderes Wohlwollen erwiesen
haben. Dies bewies namentlich gleich seine erste
große Erwerbung: der Ankauf der Sammlung Posonyi-
Hulot in Paris von Dürerstichen und Zeichnungen,
die einst unter Lippmanns Augen in Wien entstanden
war. Aus dem Stock, den diese bedeutendste Dürer-
sammlung in Privatbesitz ausmachte, wußte Lippmann
mit der Zeit eine Sammlung von Dürerzeichnungen
(jetzt fast 100 Stück), von Stichen und Holz-
schnitten des Meisters zu gestalten, die nur der
einzigen Sammlung der Albertina nachsteht. Ähn-
liches erreichte er späteri für Schongauer durch Er-
werbung der Sammlung Felix, sowie für die meisten
deutschen Kleinmeister, für die Ornamentstecher durch
Erwerbung der Sammlung Destailleur (jetzt in der
Bibliothek des Kunstgewerbemuseums), für Rembrandt
durch die Ankäufe in den Versteigerungen Buccleugh
und Sträter, für Rubens durch eine hervorragende
Sammlung von Stichen nach diesem Meister u. s. f.
Der Ankauf der Hamiltonmanuskripte mit .' dem be-
rühmten von Botticelli illustrierten Dante, im Jahre 1882,
ist noch in aller Erinnerung. Die Sammlung der Holz-
schnittbücher ist durch Lippmann erst recht eigentlich
angelegt und zu einer der bedeutendsten erhoben
worden; die illustrierten Bücher des 18. Jahr-
hunderts konnte er durch eine Schenkung von Frau
Professor Bernstein auf die gleiche Höhe bringen.
In neuester Zeit konnte die Sammlung der Hand-
zeichnungen in ähnlicher Weise durch den Ankauf
der grossen A. v. Beckerathschen Sammlung auf ein
ganz neues Niveau gebracht werden. Daneben hat
Lippmann die Erweiterung des Bestandes und die
Verbesserung desselben durch Anschaffung hervor-
ragender Abdrücke stets gleichmäßig im Auge gehabt,
wodurch das Berliner Kabinett aus einem systemlosen
Konglomerat einiger kleinerer, keineswegs gewählter

Privatsammlungen zu einer der bedeutendsten und ge-
wähltesten Sammlung ihrer Art geworden ist.

Wie die Vermehrung und Verbesserung der
Sammlungen, so hat Lippmann in gleichem Maße
auch eine günstige Aufstellung, sowie die Veröffent-
lichung der ihm anvertrauten Schätze sich zur Auf-
gabe gemacht. War er durch sein scharfes und ge-
übtes Auge, durch seine umfassenden Kenntnisse und
seine Sammelleidenschaft zu der Bereicherung des
Kabinetts ganz ungewöhnlich begabt, so war er durch
sein technisches Geschick und die damit verbundene
Freude an allem Einrichten für die praktischen Aufgaben
eines großen Kabinetts fast in noch höherem Grade
berufen. Lippmanns Aufstellung der Stiche, Zeich-
nungen, Bücher u. s. f., ihre Instandhaltung und
Restaurierung, wie ihre Katalogisierung, die Einrich-
tung der Mappen, Schränke und was sonst dahin
gehört, ist vorbildlich für fast alle deutschen Kabinette
geworden.

Die Publikationen Lippmanns, für die ihm vor-
wiegend das Berliner Kabinett, wie er es gestaltet
hatte, das Material lieferte, sind weniger wissen-
schaftliche als künstlerische. Er hat zwar als Mit-
begründer und Mitherausgeber des »Jahrbuches der
Königl. Preußischen Kunstsammlungen« und durch
eine Reihe von Aufsätzen, meist über neuere Er-
werbungen des Kabinetts, wie durch sein treffliches,
in verschiedenen Sprachen erschienenes Werk über
den italienischen Holzschnitt und sein Handbuch der
Kupferstichkunde tüchtiges geleistet und vielfach an-
regend gewirkt, aber weit bedeutender, weit einfluß-
reicher waren seine großen Publikationen mit Nachbil-
dungen nach Zeichnungen, Stichen und Holzschnitten.
Seine Publikation der Dantezeichnungen Botticellis, der
Stiche und Holzschnitte Cranachs, der Zeichnungen
Dürers, sowie der Handzeichnngen Rembrandts
sind in ihrer Art unerreicht; die geschmackvolle
Ausstattung des Jahrbuchs und anderer Museums-
publikationen ist ihm vor allem zu danken. Sein Ruf
war so unbestritten, daß man ihn auch im Auslande für
ähnliche Prachtpublikationen um Rat fragte und ihm
neidlos bei internationalen Veröffentlichungen, wie der
der »Chalkographischen Gesellschaft«, die Leitung über-
ließ. Auch die Reichsdruckerei, mit deren verdienst-
vollem künstlerischen Vorstand, Geheimrat Röse, er in
glücklichster Weise zusammenzuarbeiten verstand, hat
ihre Kunstpublikationen selten ohne seinen Rat und
Beistand herausgegeben.

Durch die Umänderungen, welche in den
Museen infolge der Vollendung des Kaiser Friedrich-
Museums in nächster Zeit bevorstehen, wird auch
ein langjähriger Wunsch Lippmanns in Erfüllung
gehen: das seit Jahren arg beengte Kupferstichkabinett
wird durch Überweisung der Säle des jetzigen Anti-
quariums seinen Raum verdoppeln und dadurch Platz
für Ausstellungen, regelmäßige und wechselnde, ge-
winnen; gleichzeitig wird durch die Anlage eines
Aufzugs der Besuch des Kabinetts dem Publikum
wesentlich erleichtert und sicher auch sehr ver-
mehrt werden. Daß es Lippmann nicht mehr ver-
gönnt war, diese Neueinrichtung durchzuführen, zu
 
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