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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Schleinitz, Otto von: Londoner Brief, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0081

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlagrvon E. A. ^SEEMANN in Leipzig, Querstr. 13

Neue Folge. XV. Jahrgang 1903/1904 Nr. 9. 24. Dezember.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Ver-
lagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein 8: Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

LONDONER BRIEF

Die Ausstellungssaison beginnt in ihrer aufsteigen-
den Linie bemerkbar zu werden. In der »New
Gallery« hat sicli augenblicklich bis zum Ende des
Jahres die »Society of Portrait Painters« niedergelassen,
während im Januar, Februar und März 1904 in dem-
selben Institut, unter Leitung von Mr. C. Halle, eine
internationale Ausstellung stattfinden wird. Von den
Künstlern der erstgenannten Oesellschaft ist Orchardson
mit vier guten Porträts vertreten, unter denen ich
namentlich das des Lords Lothian und Sir David
Stewarts, Lord Provosts von Glasgow erwähne.
»Madame Besnard«, das vortreffliche, von ihrem
Gatten gemalte Porträt, ist seinerzeit so viel in Paris
besprochen worden, daß ich mich nur darauf be-
schränke, die allgemeine Londoner Anerkennung des
Werkes gleichfalls festzustellen. Hervorragende Ar-
beiten haben ferner geliefert: Mr. Stuart Wortley, der
Präsident der Gesellschaft, John Collier, Brough,
Lavery, Shannon, Professor Max Liebermann (Selbst-
bildnis), Rothenstein, Benjamin Constant und der
Spanier Zuloaga. Sein »Gallito und Familie«, durch-
weg in harten Linien und Farben entworfen, stellt
wenige ansprechende Persönlichkeiten, diese allerdings
voller Leben und ohne Zugeständnisse an den Ge-
schmack des Publikums dar.

Herman G. Herkomer tritt in seiner Malweise
entschieden in die Fußtapfen von Hubert von Her-
komer. Jener hat drei vorzügliche Porträts geliefert,
die so glücklich in der Manier des letzteren hergestellt
sind, daß nicht nur sonst sehr vorsichtige Blätter der
englischen Presse bei ihrer Kritik in einen Irrtum
verfielen, sondern daß allgemein das Publikum glaubte,
Werke des Professors vor sich zu sehen. Die drei
in Rede stehenden Porträts sind die von »Miß Edith
Weber«, »Mr. Caleb Kemp« und des »General Sir
Alfred Turner«. Der Künstlerveteran Mr. G. F. Watts
beschickte das Institut mit zwei Bildern, von denen
das eine »Mrs. Cavendish Bentinck« ein Werk aus
seiner frühesten Epoche repräsentiert, während das
andere »Mrs. Robert Crawshay«, auch »Dame mit
Rosen« genannt, ausstellungsreif, erst in diesem Jahre
vom Maler vollendet wurde. Jenes ist ein merk-
würdiges Gemisch aus der üblichen Manier des frühen
Victoria-Zeitalters und der alten venezianischen Schule.

Mr. Morley, der Freund Gladstones sandte das von
Professor von Lenbach gemalte und erheblich nach-
gedunkelte Porträt des verstorbenen Staatmannes, ein
Werk, dessen Meister sich zu Rembrandt verhält wie
etwa Watts zu Tizian und Sargent zu Velazquez.

Boldini, der in der vorigen Ausstellung durch
sein Porträt Whistlers so berechtigtes Aufsehen erregt
hatte, war diesmal durch ein nicht minder interessantes
Bildnis vertreten. Dies stellt den Johannisburger
Magnaten Lionell Philipps dar, und da das betreffende
Gemälde als Kunstwerk so bedeutend ist, bleibt es
völlig unverständlich, wie die Akademie eine derartige
Arbeit ablehnen konnte. Wenn man sich indessen
erinnert, daß seinerzeit der französische Landschafter
Harpignies und der Bildhauer Rodin in 'dem ge-
dachten königlichen Kunstinstitut gleichfalls keine
Aufnahme finden konnten, so vermag allerdings kaum
noch etwas Verwunderung zu erregen. Bei dieser
Gelegenheit soll bemerkt werden, daß Mr. G. Ar-
buthnot seine ihm gehörige Replik des vom Meister
geschaffenen Marmorwerkes im Luxembourg »Die
Danaide«, auf ein Jahr dem »South Kensington
Museum« (Victoria und Albert) geliehen hat. Eben-
daselbst wurde A. Rodins »Johannes der Täufer« auf-
gestellt, eine Bronzefigur, die von mehreren Kunst-
freunden dem Museum als Geschenk überwiesen ist.

Ähnlich wie in Berlin und Paris hat sich in
London ein aus den angesehensten Personen aller
Stände zusammengesetzter Verein gebildet, um Kunst-
werke in solchen Fällen für die öffentlichen Galerien
anzukaufen, in denen letzteren die erforderlichen
Mittel fehlen. In dem betreffenden Aufruf wendet
sich die Spitze namentlich gegen Amerika und Deutsch-
land, um zu verhindern, daß diese beiden Länder
bedeutende, in englischen Händen befindliche Kunst-
werke nach dem Kontinent und über die See ent-
führen.

Die Bildhauerarbeiten in der »New Gallery« sind
in diesem Jahre von so hohem Interesse, daß wenig-
stens die hervorragendsten genannt werden sollen.
So hat Rodin die Büsten des verstorbenen W. E.
Henley und . von Viktor Hugo ausgestellt, Onslow
Ford sandte die Marmorbildnisse von den Akademikern
E. A. Abbey, Orchardson und H. von Herkomer,
ferner die des Ministers Balfour und des Musikers
Paderewski, sowie von Georg Henschel. Der Bild-
 
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