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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Schleinitz, Otto von: Londoner Brief, [1]
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Florentiner Neuigkeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0083

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149

Florentiner

Neuigkeiten

150

das in der »National Gallery« befindliche Gemälde
Turners, »Die Gründung Carthagos«, erinnert.

Eine interessante Reliquie von Reynolds, ehemals
in dem Besitz Turners, nämlich die Palette von
Reynolds, schenkte der Maler Val Prinsep der könig-
lichen Akademie. Daß es doch noch mitunter mög-
lich ist, ein gutes Bild alt englischer Meister nicht
nur zu entdecken, sondern auch billig zu kaufen,
ereignete sich kürzlich in den Auktionsräumen von
Foster. Jemand, der nicht wußte, was er besaß,
übergab der genannten Firma »Ein Schulbild Mrs.
Siddons«, das er selbst für einige Pfund Sterling ge-
kauft, zum limitierten Preis von zehn Pfund Sterling.
Mr. Buttery, der Restorator der »National Gallery«, der
schließlich 350 Guineen für das Portät zahlte, hatte
bei der Besichtigung sofort erkannt, daß es sich zwar
um einen sehr vernachlässigten, immerhin aber echten
Romney hier handelte.

Wie das Gute oft so nahe liegt, vermag ich in-
sofern auch aus eigener Erfahrung zu bekunden, als
ich kürzlich durch Zufall bei einem Besuch meiner
Nachbarin, Mrs. Medex, auf ihr, sie als junges Mädchen
darstellendes, von Sir E. Millais gemaltes hübsches
Aquarellbild aufmerksam wurde. Die betreffende
Arbeit des großen und populärsten aller englischen
Künstler findet sich zur Zeit in keinem Kataloge,
dürfte indessen besonders interessant erscheinen, weil
das in Rede stehende Porträt von Millais' Hand das
erste ist, welches in fremden Besitz überging. Die
Familie Millais und die der porträtierten Dame standen
zu jener Zeit in näherem Verkehr.

Walter Cranes »The Decorative Illustration of
Books« kam in zweiter, sehr gelungener Auflage
heraus. Von den Illustrationen sind nur zwei minder-
wertig reproduziert: Hans Burckmairs »Weiß-König«
und Sandys »Old Chartist«. Der letztgenannte Künstler
gehört in mancher Beziehung zu den Präraffaeliten,
deren Zeitgenosse er war. Unter allen Umständen
muß man ihn jedoch den Karikaturisten jener
Bruderschaft nennen. Die von ihm bildlich dar-
gestellte Satyre auf Millais »Isumbras« kann in seiner
Art als die feinste Ironie auf die präraffaelitische
Epoche angesehen werden. Anstatt des Ritters, wie
in Millais' Werk, sitzen dieser, Rossetti und Holman
Hunt gleich Heymonskindern auf dem Roß.

Zu Ehren des verstorbenen Mr. Phil. May, des
Gefährten seiner bereits früher heimgegangenen Mit-
künstler im engeren Sinne wie Leech, Keene und
Beardsley fand eine Ausstellung von Blättern in
Schwarz und Weiß in der »Leicester Gallery« statt.
Mays Arbeiten erfreuen sich einer so außerordentlichen
Beliebtheit, daß der größte Teil der dort vereinigten
Zeichnungen u. s. w. bereits verkauft wurde.

Für den Nekrolog habe ich zunächst das Hin-
scheiden des 1817 geborenen Landschafters und
Akademikers J. C. Horsley zu verzeichnen. Im Jahre
1843 erhielt er, wie Watts, einen Preis beim Wett-
bewerb für die Ausschmückung des Parlamentsgebäudes.
Er war durch und durch Puritaner und gegen das
Aktstehen der weiblichen Modelle, drang hiermit aber
nicht durch. Horsley galt seinerzeit als ein ernstlicher

Konkurrent Leightons bei der Präsidentenwahl für
die Akademie. Er ist es haupthächlich gewesen, der
seit 1870 die Ausstellungen der alten Meister im
»Burlington House« zusammenbrachte.

Nicht minder ist der Tod eines Mannes zu be-
klagen, der als Autorität für alles, was kunstvolle
Gold- und Silberschmiedearbeit betrifft, sozusagen
ein Monopol in England besaß. Es ist dies der
durch seine Werke von Kennern hinlänglich geschätzte
Mr. Joseph Cripps. Unter seinen Schriften hebe ich
hervor: »Old English Plate«, »Old French Plate«
und »College and Corporation Plate«.

O. VON SCHLEINITZ.

FLORENTINER NEUIGKEITEN

Mit Genugtuung darf man aus den Florentiner
Sammlungen über kleine Veränderungen in der Auf-
stellung berichten, die, an und für sich geringfügig, doch
den Wert besitzen, daß sie bedeutenden, nicht genugsam
berücksichtigten Kunstwerken gutes Licht und eine auf-
fallendere Position verschafft haben.

Darunter fallen die Umhängungen in der Akademie
noch unter die Leitung des frühern Direktors E. Ridolfi.
Vor allem wurde ein Hauptwerk Baldovinettis, das nicht
sympathische, doch für die Erkenntnis des Meisters äußerst
wichtige Trinitätsbild aus der Dunkelheit unterhalb eines
Fensters fortgenommen und in den zweiten Saal nebenan
in gutes Licht gebracht. In demselben Räume hat das
herrliche »Gastmahl in Emaus« von Pontormo, aus der
Certosa, das völlig totgehängt war, zwar noch nicht die
gebührende Stelle erhalten, ist aber wenigstens in Augen-
höhe für den Beschauer gebracht. Auch die edle Pietä
desselben Meisters präsentiert sich in besserem Licht.
Endlich ist eine Kopie des fehlenden Predellenstücks
von Gentile da Fabrianos Anbetung der Könige, das sich
in Paris befindet, dem Originalwerk eingefügt worden. Ist
auch der Gegensatz zwischen alt und neu störend bemerk-
bar, so erscheint dies der früheren Lücke gegenüber als
wichtige Verbesserung.

Im Palazzo Pitti kann man hier und da das Eingreifen
Corrado Riccis gewahr werden. Vor allem wurde Tizians
bestes Bild (ohne alle Einschränkung gesagt), das Porträt
des »jungen Engländers«, auf einer Staffelei am Fenster
aufgestellt. Bei den nicht günstigen Lichtverhältnissen der
einzige Ausweg, dieses Werk, für das kein Lobesepitheton
ausreicht, in seinen fast unbegreiflichen Qualitäten über-
schauen zu lassen. An den alten Platz dieses Porträts kam
aus dem letzten Saal Rembrandts Bildnis eines alten Mannes
und in den letzten Saal wurde das Bild Julius IL, das
Exemplar aus Tizians Umgebung, in derselben Weise, wie
es bisher hing, aufgehängt.

Das sind ja gewiß nur Abschlagszahlungen, aber man
darf sie doch als einen Bruch mit dem Grundsatz des
»quieta non movere« betrachten, der, so sehr man ihn auf
die Pittigalerie im ganzen angewandt zu sehen wünscht,
doch, allzu streng beobachtet, einigen der besten Kunst-
werke in Florenz Gewalt antut.

Im übrigen darf man voraussehen, daß Riccis tätige
Natur vielerlei in der Aufstellung der Florentiner Samm-
lungen ändern wird. An Veranlassung dazu fehlt es so
wenig, wie an berechtigten Wünschen. Was hat es bei-
spielsweise für Sinn, daß Botticellis »Frühling« in der Aka-
demie hängt, und die »Geburt der Venus« in den Uffizien?
Daß zwei als Gegenstücke gemalte Bildnisse, Herzog
Guidobaldo von Urbino und seine Gemahlin Elisabetta
Gonzaga darstellend, das eine im Pitti, das andere in der
 
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