Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

DOI Artikel:
Hintze, Erwin: Miniaturen-Ausstellung: im Schlesischen Museum für Kunstgewerbe und Altertümer zu Breslau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0090

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
163

Miniaturen-

Ausstellung

164

und des römischen Kriegsvolkes ein übriges getan, so
z. B. in zwei Handschriften aus der Breslauer Stadt-
bibliothek, die außer ihren reichen Kanonbildern noch
weitere Illustrationen, die Madonna mit dem Kinde,
Johannes den Evangelisten, die heil. Barbara und
Katharina, den Tod der heil. Ursula und des heil.
Alexius in vollseitigen Miniaturen enthalten (Nr. 9,
14). Endlich bei einem Missale Vratislaviense vom
Ende des 15. Jahrhunderts ist die gotische Tradition
meist überwunden. Statt des bisher üblichen Teppich-
musters prangt im Hintergründe eine farbig leuchtende
Landschaft und die Heiligen sind in größerer Natür-
lichkeit uns menschlich näher gerückt; Besitzer: Schle-
sisches Museum für Kunstgewerbe und Altertümer,
Breslau (Nr. 29).

Treffliche Proben mittelalterlicher Illuminierkunst
in Schlesien gibt die datierte Bibelhandschrift Eber-
hards vom Jahre 1354 mit ihren Initialen und Rand-
leisten in reichem figürlichem Schmuck, ferner eine
Lebensgeschichte Jesu in deutscher Sprache mit zahl-
reichen Illustrationen, die meist am Rande des Textes
angebracht sind, von etwa 1420; beide Handschriften
bewahrt die Gymnasialbibliothek in Neiße (Nr. 6, 7).
Wegen seiner künstlerischen Miniaturen verdient be-
sondere Beachtung das Original der Statuten des
Breslauer Domkapitels vom Jahre 1468 aus dem
Fürstbischöflichen Diözesanarchiv in Breslau (Nr. 17).
Links oben als Randleiste sehen wir in farbenreicher
Ausführung die Patrone der Domkirche: die heil.
Johannes Evangelista, Johannes den Täufer und Vin-
centius Levita. Rechts auf einem Vollbilde thront
nach der bekannten Schilderung der Apokalypse
Christus als Weltenrichter; hinter ihm sind die Marter-
werkzeuge angebracht. Zu seinen Füßen sitzen in
der Reihenfolge, wie sie im Chore saßen, ein Bischof,
sieben Prälaten und ein Kanoniker als Totengerippe
in geistlicher Tracht. Spruchbänder enthalten Selbst-
anklagen, die sich auf die Amtstätigkeit der Auf-
erweckten beziehen. Unten tut sich der Höllen-
schlund auf. Ein Verdammter, vom Flammenschwert
der göttlichen Gerechtigkeit durchdrungen, wird von
teuflischen Ungeheuern umringt. Der Sinn der Dar-
stellung ist, daß es jedem, der die gebotenen Kapitels-
statuten nicht hält, einst ergehen wird wie diesem
armen Sünder in dem Höllenrachen.

In dem Manuskript der Hedwigslegende aus der
Breslauer Universitätsbibliothek besitzen wir ein
Werk zweifellos schlesischer Kunst mit Angaben
über den Künstler und die Entstehungszeit (Nr. 13).
Diese deutsche Übersetzung der Vita S. Hedwigis
ließ der Breslauer Patrizier Antonius Hornig für
sich herstellen. Angefertigt wurde die vorliegende
Handschrift im Jahre 1451 von dem Breslauer Virdung-
schreiber Peter Freytag aus Brieg, der wahrscheinlich
auch der Zeichner der sechzig Federzeichnungen des
Manuskriptes ist. Die feinen Zeichnungen sind schwarz
ohne farbige Behandlung ausgeführt. Es liegen ihnen
ältere Vorlagen zugrunde, die jedoch modernisiert
und in vielen Äußerlichkeiten der Zeit des Verfertigers,
also der Mitte des 15. Jahrhunderts angepaßt sind.
Dem Zeichner dürfte der bekannte Kodex aus Schlacken-

werth in Böhmen bei seiner Arbeit als Muster gedient
haben. Das Nähere hierüber hat Hermann Luchs in
seinem Aufsatze »über die Bilder der Hedwigslegende«,
Breslau 1861, auseinandergesetzt.

Zwei Antiphonarien aus der alten Magdalenen-
bibliothek, jetzt in der Breslauer Stadtbibliothek, sind
beachtenswert, weil sie neben den heil. Andreas und
Maria Magdalena die Bildnisse ihrer Donatoren in ganzer
Figur mit Namens- und Wappenangaben enthalten.
David Jentshs (f 1499) und Laurencius Heugel (f 1513)
sind, die Stifter der beiden fast völlig nach Inhalt und
Ausstattung gleichartigen Antiphonarien. Die dem
einen Bildnisse beigegebene Jahreszahl 1408 ist
falsch und eine spätere Zutat (Nr. 27, 28). — Die
noch häufig in Schlesien erhaltenen großen Noten-
handschriften aus dem Mittelalter waren wegen Platz-
mangels auf der Ausstellung nur durch ein Graduale
Vratislaviense aus der Breslauer Magdalenenbibliothek
(jetzt in der Breslauer Stadtbibliothek) vertreten (Nr. 21).
— Als Beispiele für die oftmals verschwenderische
Ausstattung mittelalterlicher Gebetbücher hatten die
Stadtbibliothek in Breslau ein französisches Gebet-
buch mit reichen Illustrationen vom Ende des
14. Jahrhunderts (Nr. 8), die Breslauer Dombibliothek
zwei Nonnenbreviere aus dem 15. Jahrhundert und
die Freistandesherrliche Majoratsbibliothek zu Warm-
brunn ein Officium Beatae Mariae Virginis aus der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts beigesteuert
(Nr. 31—33)-

Auch die orientalische Illutninierkunst konnten
wir in einigen Proben kennen lernen. Drei
arabische und türkische Korankommentare in Original-
einbänden aus dem 17. Jahrhundert weisen auf ihren
Titelblättern Miniaturenschmuck rein ornamentalen
Charakters auf, da ja bekanntlich der Kunst des Islam
die Darstellung von Lebewesen verboten war. Auf
goldenem Grunde sind die blauen, grünen und roten
Muster in herrlichster Farbenschönheit aufgetragen
(Nr. 40—42). — Von den beiden persischen Hand-
schriften in Originaleinbänden enthält die eine einen
Roman in Versen, die Geschichte des Mihr und der
Müschtery, geschrieben 1480, die andere Dschamis
romantisches Epos: Joseph und Zulaicha, geschrieben
1569 (Nr. 43, 44). Ein eigenartiger Reiz liegt in
den beigegebenen Miniaturen mit den steifen Figuren
und den schweren satten Farben. Die orientalischen
Handschriften gelangten während der Türkenkriege
nach Schlesien und befinden sich heute in der Stadt-
und der Dombibliothek in Breslau und der Frei-
standesherrlichen Majoratsbibliothek in Warmbrunn.
Endlich zwei hebräische Handschriften aus Warm-
brunn wurden von dem Polen Meschullam-Simel
1716 und 1719 geschrieben und mit einigen Zeich-
nungen ausgestattet (Nr. 38, 39).

Den Glanzpunkt in der Abteilung der mittelalter-
lichen Miniaturen bildete die weltberühmte Chronik
des Jehan Froissart (Nr. 36). Nicht nur der heimat-
liche Lokalpatriotismus, sondern alie Kunstkenner weit
über Deutschlands Grenzen spenden ihr uneinge-
schränktes Lob und beneiden die Breslauer Stadt-
bibliothek um ihren Besitz. Die Handschrift stammt
 
Annotationen