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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Hintze, Erwin: Miniaturen-Ausstellung: im Schlesischen Museum für Kunstgewerbe und Altertümer zu Breslau
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0091

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Miniaturen-Ausstellung

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aus den reichen Bücherschätzen der burgundischen
Herzöge, deren Hof im 14. und 15. Jahrhundert
der Mittelpunkt aller künstlerischen Bestrebungen im
Norden war. Der große Bastard Anton von Burgund,
ein natürlicher Sohn Philipps des Guten, ließ die
Abschrift der Chronik des Froissart unter der Ober-
aufsicht seines Bibliothekars David Aubert aus Hesdin
im Artois zwischen 1468 —1469 anfertigen. Die
Bibliothek des Bastard wurde im 16. Jahrhundert
verkauft. Damals erwarb die Froissarthandschrift der
schlesische Humanist Thomas Rhediger, durch dessen
Vermächtnis sie mit vielen anderen Kunstschätzen —
erwähnt sei nur die ansehnliche Porträtgalerie und
die Kollektion von zwanzig französischen Wachs-
bossierungen von etwa 1570, die heute das Breslauer
Kunstgewerbemuseum bewahrt — später in den Besitz

Weiter haben wir demnächst eine Arbeit von Salomon
Reinach in Paris zu erwarten, in welcher die Meisterfrage
der an der Herstellung der 224 Miniaturen beteiligten
Illuminatoren näher erörtert werden soll.

Die Ausstellung enthielt noch ein zweites aus der
Bibliothek des Anton von Burgund stammendes
Manuskript, den Kodex des Valerius Maximus, der
im Jahre 1704 von Veit Ferdinand von Mudrach der
Breslauer Stadtbibliothek geschenkt wurde (Nr. 35).
Zwei Quartanten umfassen das in neun Büchern nach
moralischen Gesichtspunkten geschriebene Geschichts-
werk des Valerius Maximus in einer französischen Über-
setzung des Simon von Hesdin und Nicolas de Gonesse.
Der Kodex ist einige Jahrzehnte älter als die Froissart-
handschrift und enthält neun größere Illustrationen,
die jedesmal am Beginn eines Buches stehen und

der Stadt Breslau überging. Das Manuskript besteht
aus vier starken Folianten. Der Inhalt der Chronik
Froissarts behandelt die zeitgenössische Geschichte von
Frankreich, England, Schottland, Spanien, der Bretagne,
Gascogne, von Flandern und den umliegenden
Nachbargebieten. Alle vier Bände sind mit zahl-
reichen Illustrationen, Randleisten und Initialen auf
das prächtigste ausgestattet. Wegen ihrer hohen Voll-
endung zählen sie unter die vorzüglichsten Leistungen
der gesamten mittelalterlichen Illuminierkunst. Es
würde zu weit führen, an dieser Stelle auf die künst-
lerische Bedeutung der Chronik näher einzugehen.
Es erübrigt sich auch, da einem jeden, der näheres
zu erfahren wünscht, die Publikation von Alwin
Schultz »Beschreibung der Breslauer Bilderhandschrift
des Froissart«, Breslau 1869, zur Verfügung steht.

gleichsam durch ihren Inhalt den Ton für das be-
treffende Buch angeben sollen. Außerdem weisen
beide Bände noch zahreiche kleinere Miniaturen im
Texte auf, die allerlei reizvolle Genreszenen aus dem
Leben vom Anfang des 15. Jahrhunderts wiedergeben.

Bevor der mittelalterlichen Illuminierkunst durch
die Erfindung des Buchdrucks der Garaus gemacht
wurde, war sie berufen, noch einigen Inkunabeln
durch farbigen Schmuck das Ansehen von Hand-
schriften zu verleihen, indem bunte Initialen, Rand-
leisten und figürliche Darstellungen nachträglich in
den gedruckten Text eingemalt wurden. Als Beispiele
für diese letzte Zeit der Buchmalerei waren ein livre
d'heures aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts
im Besitze Sr. Exzellenz des Grafen Andreas von
Maltzan auf Schloß Militsch und eine venezianische
 
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