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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Hintze, Erwin: Miniaturen-Ausstellung: im Schlesischen Museum für Kunstgewerbe und Altertümer zu Breslau
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0092

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i67

Miniaturen-

Ausstellung

168

Druckausgabe des Valerius Martialis von 1492 aus
der Reichsgräflich von Hochbergschen Majoratsbiblio-
thek zu Fürstenstein ausgestellt (Nr. 30, 37).

Durch die Erfindung der Buchdruckerkunst ver-
loren die Illuminatoren in kurzer Zeit ein großes
Gebiet ihrer künstlerischen Tätigkeit. Durch das
Malen von kleinen Bildnissen und Dosendeckeln
mußten sie fortan ihren Lebensunterhalt verdienen.
Ferner eröffnete ihnen ein neues Arbeitsfeld die am
Ende des Mittelalters aufkommende Gepflogenheit,
scheidenden Freunden auf einem Pergament- oder
Papierblättchen Worte der Erinnerung zu widmen
und dieses Gedenkzeichen bisweilen mit kleinen
Malereien und farbigen Wappen auszustatten. Endlich
kam im Verlaufe des 16. Jahrhunderts das Stammbuch
in Mode, das von nun an häufig Gelehrte und Edelleute
auf ihren Reisen bei sich führten, um beim Abschied
ihre Fach- und Standesgenossen um eine Einzeichnung
oder kleine Malerei zu bitten.

Gleichsam eine Übergangssfufe zwischen mittel-
alterlicher Illuminierkunst und späterer Stammbuch-
malerei bedeuten drei auf Pergament gemalte Miniaturen
aus der Reichsgräflich von Hochbergschen Majorats-
bibliothek zu Fürstenstein (Nr. 520). Als Verfertiger
wird kein geringerer als Albrecht Dürer genannt, der
sie, wie die dem Monogramm beigefügte Jahreszahl
sagt, 1521 gemalt haben soll. Das erste Blatt enthält
links einen Engel mit dem Wappen Luthers und
Katharinas von Bora, links einen Brief, den Luther im
Jahre 1530 an Lazarus Spengler nach Nürnberg schrieb.
Das zweite Bild führt den Kreuzestod Christi vor
und zeigt im Geiste der Reformation durch die Dar-
stellung eines Wolfes mit päpstlicher Tiara eine offen-
kundige Polemik gegen Rom. Ebenso ist das dritte
Bild mit der Auferstehung Christi durch die am
Grabe sitzenden wenig kirchlich gesinnten Mönche
von antikatholischen Tendenzen beherrscht. Auch der
Inhalt der beigegebenen Erklärungen steht auf dem
Standpunkt der »neuen Lehre«. Richard Förster
machte die Bilder in einem Aufsätze »Miniaturen
,Dürers' in Fürstenstein und das Wappen Luthers«,
den er in »Schlesiens Vorzeit«, Neue Folge, Band II,
Seite 87—99, veröffentlichte, zum Gegenstand einer
kritischen Untersuchung. Er kam zu dem Resultat,
daß die drei Miniaturen aus einem Geschlechts-
buche des jüngeren Lazarus Spengler herrühren,
das jetzt im Stadtarchiv zu Nürnberg bewahrt
wird. Er wies ferner darauf hin, daß die Malereien
unmöglich von Dürer stammen können, da Dürer
schon 1528 starb, der oben erwähnte Brief aber erst
1530 von Luther geschrieben wurde, daß endlich das
Wappen der Katharina von Bora nicht schon 1521
neben dem Luthers stehen konnte, da Luther erst
1525 heiratete. Hierdurch wird die Echtheit der
Monogramme hinfällig, es kann sich nur um spätere
Zutat handeln. Die in Frage stehenden Miniaturen
sind gute Arbeiten eines unbekannten Nürnberger
Meisters aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.

Die ältesten Beispiele von eigentlichen Stamm-
buchmalereien reichten in der Ausstellung bis in
die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts zurück.

Die ersten Eintragungen des Stammbuches der
Breslauer Schieß werderschützen im Breslauer Kunst-
gewerbemuseum führen uns in das Jahr 1566. Die
letzte Eintragung vollzog das deutsche Kaiserpaar am
4. September 1896. Der Band enthält zahlreiche
Porträts, Wappen und Namensunterschriften von Wohl-
tätern und Besuchern des bürgerlichen Schießplatzes.
Die fast sämtlich in Ölfarben gemalten Porträts sind
meist von hoher künstlerischer Vollendung (Nr. 519).

Den Stammbüchern des 16. Jahrhunderts wurde
manch treffliche Lebensregel oder Malerei mit poeti-
scher Erklärung anvertraut, die aber nur wenigen
Bevorzugten, den Besitzern der Bücher, zugänglich
war. Da tauchte bald der Wunsch auf, diese
Schätze an Lebensweisheit, Witz und künstlerischer
Phantasie durch den Druck zu einem Allgemeingut
zu machen. So entstanden die sogenannten Emblemata,
Sammlungen von Mustersinnbildern, begleitet von poeti-
schen Auslegungen und kurzen, epigrammatisch zu-
gespitzten Deutungen. Solche Emblemata waren durch
mehrere Proben in der Ausstellung vertreten (Nr. 480,
506, 513, 517). Auf dem Titelblatt des Stammbuches
von David Müller aus der Breslauer Stadtbibliothek
heißt es, daß es enthält »allerhand kurzweilige Stücklein,
allen Studenten fürnehmlich zu lieb aus ihren eigenen
Stammbüchern zusammengelesen und in diese Form
gebracht zu Straßburg« (Nr. 506). Neben den Kupfer-
stich-Illustrationen und eingedruckten Weisheitssprüchen
boten zahlreiche leere Blätter Raum zu selbsterdachten
Erinnerungsworten und Malereien. Einige der aus-
gestellten Stammbücher aus dem 17. Jahrhundert
enthalten künstlerisch und inhaltlich hochinteressante
Bilder. Prächtig ist ein farbiges Gartenpanorama
mit sechzehn darin aufgestellten Wappenschildern in
dem Stammbuch des Ehrenfried Jakob von Artzat
von 1666—1667 (Nr. 477). Einzig in seiner Art
ist ein Bildchen mit einer Buchhandlung von etwa 1610
in dem schon oben erwähnten Stammbuch des Bres-
lauer Buchhändlers David Müller (Nr. 506), siehe
unsere Abbildung. Sehr beliebt war damals das Ein-
malen von farbigen Wappen. Fast jedes der aus-
gestellten Bücher enthält mehrere Proben, die oft mit
großer künstlerischer Virtuosität gefertigt sind. Einiger
Breslauer Stammbuchmaler, die durch die Ausstellung
bekannt wurden, soll im III. Bande von »Schlesiens
Vorzeit«, Neue Folge, gedacht werden.

Die Kupferstiche der Emblemata dienten in der
Folgezeit bis weit in das 18. Jahrhundert hinein
vielen Stammbuchmalern als Vorbild. So finden wir
des öfteren die Darstellung der »Jungfrau Wollust«
(Nr. 474, 506, 508, 513 [530]), der Fortuna (Nr.
474, 475, 490, 506), der eine Glaskugel tragenden
Männer (Nr. 495, 508), des »Junggesellen auf der
Welt« (Nr. 475, 479, 490, 513), der »Linien des
Lebens« (Nr. 513, zweimal) und einer üppig ge-
kleideten Frau in einer Landschaft, in der vier Männer
ohne Erfolg ihr Geschäft betreiben, mit der Beischrift:
»O ihr Narren alle vier, was ihr sucht, das findt
ihr hier« (Nr. 486, 497, 5'3) u- s- w.

Steht die Stammbuchmalerei des ganzen 17. Jahr-
hunderts sichtlich unter dem Einfluß der Emblemata,
 
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