Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

DOI Artikel:
Hintze, Erwin: Miniaturen-Ausstellung: im Schlesischen Museum für Kunstgewerbe und Altertümer zu Breslau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0093

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Miniaturen-Ausstellung

170

so versuchte man im Rokokozeitalter neue Bahnen
einzuschlagen und an die Allegorien reihen sich
häufig Szenen des täglichen Lebens, Liebesabenteuer,
Tanzstundenerinnerungen (Nr. 481, 491), Streiche der
studierenden Jugend (Nr. 491, 497), Studentenmensuren
(Nr. 491), ländliche Vergnügungen (Nr. 490, 516).
Das Paradestück in der Abteilung der Stammbücher
war das Stammbuch des Breslauer Warenmäklers
David Jaenisch, das 1734 begonnen wurde (Nr. 490).
Die meisten Eintragungen fallen aber erst in die Zeit
von 1740 —1745. Das Buch wurde vor einigen
Monaten aus dem holländischen Antiquitätenhandel
zurückerworben. Schon am Ende des 18. Jahr-
hunderts muß es in Breslau eine Sehenswürdigkeit
gewesen sein, denn Zimmermann gedenkt des Büch-
leins in einem Künstlerverzeichnis, das er seiner
»Beschreibung der Stadt Breslau im Herzogtum
Schlesien, Brieg 1794« eingefügt hat. Er sagt:
»Wagner, lebte um 1750 in Breslau, und hieß ge-
meiniglich der Maler in den 7 Churfürsten, wo er
wohnte. Er malte sehr schön kleine Prospekte voller
Figuren; der Weinhändler Herr Jänisch besitzt ein
Stammbuch mit vielen Gemälden auf Pergament von
dessen Arbeiten, welche sehenswert sind.« Hierdurch
erfahren wir auch den Namen des Künstlers, der
sich auf einem Bildchen mit der Breslauer Wage nur
J. W. 1743 gezeichnet hat. Das Stammbuch enthält einige
dreißig Miniaturen von der Hand Johann Wagners,
die kunst- und kulturhistorisch für Breslau von hohem
Werte sind. Näher erörtert wurde der Inhalt des
Buches in zwei Aufsätzen von Karl Masner und
Conrad Buchwald, die in der Schlesischen Zeitung,
Jahrgang 162, Nr. 625 und 703 erschienen sind.

Charakteristisch für das Ende des 18. und den
Anfang des 19. Jahrhunderts sind die zahlreichen
Silhouetten und Landschaften mit Freundschafts-Tempeln,
bröckelnden Ruinen und Urnen. Das Konterfei von
Anverwandten, Freunden, Studiengenossen und Lehrern
erscheint in schwarzem Schattenriß. Die Ausstellung
bot dafür manche Illustration (Nr. 485, 493, 496,
509, 511, 512, 518, 524).

In keiner Abteilung aber trat der wissenschaftliche
Erfolg der Ausstellung klarer zutage als in der Ab-
teilung der Porträtminiaturen, die in einem großen
Saale, der im Charakter der Empirezeit eingerichtet
war, vereinigt waren. Eine ganze Reihe bisher völlig
unbekannter schlesischer Miniaturmaler wurde durch
die Ausstellung ans Licht gezogen. Von Künstlern,
wie Braband, Wilhelm Henschel, Emilie und Sophie
Prinzessinnen zu Hohenlohe-Ingelf ingen, Franz Friedrich
Keil, Christian Friedrich Knoefvell, Johann Heinrich
Christoph König, Ferdinand Koska, von Rahden,
Joseph Schall, Karl Gottlob Schmeidler, Gottfried
August Thilo, Ferdinand Voelk und Amand Zausig
wurden nicht nur die Namen, sondern vieles von
ihren Werken und Lebensdaten ermittelt. In »Schlesiens
Vorzeit«, Neue Folge, Band III, wird demnächst den
ebengenannten schlesischen Miniaturmalern ein längerer
Aufsatz gewidmet werden.

Neben der Vereinigung von Werken einzelner
schlesischer Künstler war als ein zweiter Gesichts-

punkt für die Aufstellung die Zusammengehörigkeit
von Ahnenbildern schlesischer Adelsfamilien maß-
gebend. So stellten z. B. Fürst von Hohenlohe-
Öhringen, Herzog von Ujest, Exzellenz Graf von
Maltzan, Hans Ulrich Graf von Schaffgotsch, Heinrich
Graf von Pückler, Graf von Schwerin, Gräfin Posa-
dowsky-Wehner, die Familien von Köckritz, von Richt-
hofen, von Lüttwitz, von Mutius, von Machui u. s. w.
ihre Miniaturen zur Verfügung. Nicht weniger inter-
essant war der Inhalt einiger Wandkästen, der nach chro-
nologischen Gesichtspunkten geordnet war. Die Samm-
lungen der Herren Konsuln Theodor Ehrlich und
Siegmund Friedmann, Dr. jur. Paul Heimann, Max
Pringsheim in Breslau, Joseph Epstein in Berlin,
Direktor Zuckerkandl in Gleiwitz und der Frau
Wanda von Dallwitz in Berlin hatten hierfür das meiste
beigesteuert. Die beiden ältesten ausgestellten Porträt-
miniaturen führten uns in die Mitte des 16. Jahr-
hunderts (Nr. 176, 177). Dann folgten die Bildnisse
der Barock-, Rokoko-, Empire- und Biedermeierzeit.
Die Künstler der meisten Bildchen sind unbekannt,
doch vereinzelt tauchen Namen auf wie Agricola,
Dähling, B. de Guerard, Isabey (? Nr. 68 ein Bildnis
Heinrich Heines), Kaltner, Kanz, Kriehuber, Laperche,
Lizinska de Mirbel, Karoline Sattler, Sauvage, Natale
Schiavoni, Wailand u. s. w. Besondere Beachtung
verdient ein Album mit 317 Porträtminiaturen von
der Hand Friedrich Wilhelm Senewaldts aus der
Reichsgräflich von Hochbergschen Majoratsbibliothek
zu Fürstenstein (Nr. 150). Darunter befindet sich
ein vorzügliches Bildnis Kants; vergleiche P. von Lind:
Das Kantbild des Fürsten von Pleß (Kantstudien,
Berlin i8gg). Hieran schlössen sich noch einige
moderne Arbeiten (von Zehngraf Nr. 444). Der
Inhalt eines Empiretischchen führte Beispiele für die
Verwendung der Miniaturen als Schmuck von Dosen,
Broschen, Ringen, Uhren, Anhängern und Arm-
bändern vor.

Unter den Genre- und Landschaftsminiaturen traten
neben drei feinen Kopien nach Wouvermann und
Watteau aus dem Besitze des Herzogs von Ujest
auf Slaventzitz (Nr. 457 — 459) zwei allegorische
Darstellungen hervor, die von den Provinzen Schlesien
und Posen als Huldigungsgeschenke dem dirigieren-
den Minister Grafen von Hoym überreicht wurden;
Besitzer: Exzellenz Andreas Graf von Maltzan auf
Militsch (Nr. 462). Von großer Finesse ist ein
kleines von Yalou gemaltes Bildchen mit zwei fran-
zösischen Arbeiterinnen, die sich gerade zur Nacht-
ruhe begeben wollen; Besitzer: Exzellenz Staatsrat
von Essen in Breslau (Nr. 473).

Der reiche Inhalt der Ausstellung hat wieder
einmal zur Genüge bewiesen, daß Schlesien mehr
künstlerische Leistungen hervorgebracht hat und mehr
an bedeutenden Kunstwerken besitzt als man in der
Regel anzunehmen geneigt ist. Um der Ausstellung
einen bleibenden wissenschaftlichen Wert zu verleihen,
hat die Direktion des Kunstgewerbemuseums einen
gedruckten Katalog anfertigen lassen, der 554 Nummern
aufweist. Von den meisten Ausstellungsgegenständen
wurden Photographien hergestellt.
 
Annotationen