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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Wustmann, Rudolf: Zum Verständnis Klingers als Radierers und Malers
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Baumgartner, Fritz: Martin Schongauers Monogramm
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0099

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181 Martin Schongauers Monogramm 182

Augen sind weit nach rechts gedreht, an Christus
vorbei:

Amor, niclit das Kind, der Jüngling, der Psychen verführte,
Sah im Olympus sich um, frech und der Siege gewohnt;

Eine Göttin erblickt er, vor allen die herrlichste Schöne,
Venus Urania wars, und er entbrannte für sie.

Mit einer Seele war er verbunden — ist er ver-
bunden durch das blaue Tuch der Treue wie Liebe
und Seele immer — und er trachtet fort nach mehr
Schönheit — wir haben es ja mit keinem Historien-
bild, keinem Geschichtsurteil, sondern mit ewig wieder-
kehrenden Erscheinungen zu tun, in große Symbole
gefaßt. Und Venus? begegnet ihr Blick dem Amors,
oder ist es wie in Goethes römischem Pantheon:

Aber nach Bacchus, dem Weichen, dem Träumenden, hebet

Cythere

Blicke der süßen Begier?1) —

Damit haben wir das Verhältnis Kh'ngers zu Goethe
berührt, das wohl einer eigenen Darstellung wert wäre;
auch Klinger und Schiller, Klinger und Lessing sind
keine unergiebigen Themen: der in jüngster Zeit mit
so manchem kunsthistorischen Eselstritt bedachte
Laokoon würde dabei zu seinen Ehren kommen;
die beiden Figuren auf dem linken Seitenstück des
Christus im Olymp kann man nicht besser charakteri-
sieren als mit Schillers Worten zu derselben Situation:

Und der eitle, der üppige Reiz entwich,
Der die frohe Jugendwelt zierte.

Das direkteste wird freilich immer zu einem
sachlichen Verständnis Klingers aus seiner eignen,
von ihm selbst offenbarten Welt zu nehmen sein.
Noch niemand scheint z. B. gesehen zu haben, daß
Klinger die drei Hauptfiguren des rechten Seiten-
stückes des Christus im Olymp schon früher einmal
auf einer Allegorie der Republik veröffentlicht hat
mit den dabeistehenden Benennungen Agricultura
[Ceres], Commercium [der kluge in die Ferne schauende
Händlerinnenkopf] und Industria [der müde Ar-
beiter], niemand die Verwandtschaft der Christus-
Psyche-gruppe mit dem vorletzten Blatte Eines Lebens
bedacht zu haben. Sachliches Verständnis und künst-
lerisches der Werke Klingers wollen wir uns getrost
aus diesen Werken selbst holen; denn Klinger gibt
sich Rechenschaft. r. wustmann.

MARTIN SCHONGAUERS MONOGRAMM.

Schongauer signierte bekanntlich seine Stiche mit
dem Monogramm j^^}3^ un<^ m ^er sPäteren
Periode seines Schaffens mit /H <± S • Eine Er-
klärung des zwischen M und S in der Mitte stehen-

1) Zufall oder nicht, auch die vorhergehenden Zeilen
stimmen zu Klinger:

Jupiter senket die göttliche Stirn, und Juno erhebt sie;

Phöbus schreitet hervor, schüttelt das lockige Haupt;
Trocken schauet Minerva herab, und Hermes, der Leichte,

Wendet zur Seite den Blick.

den Kreuzes mit dem halbmondförmig gebogenen
Strich vom linken Kreuzesarm nach unten ist, soviel
ich weiß, bisher nicht gegeben worden. Man könnte
an eine sogenannte Hausmarke denken, oder an ein
Gesellenzeichen. Man könnte.auch daran erinnern, daß
auf dem Wappenschild, das Schongauers Münchener
Porträt von 1483 beigefügt ist, ein Halbmond sich

findet, in dessen Öffnung sich leicht ein Stern

ergänzen ließe und vielleicht ursprünglich auch so
auf dem Schildchen vorhanden war. Aber das ist
doch sehr unsicher.

Als ich nun unlängst Kolmar besuchte, fiel mir

allenthalben das etwa so

geformte Kolmarer Stadt-

wappen auf. Ich erkundigte mich bei dem Stadt-
bibliothekar und Konservator des Museums, Herrn
Andre Waltz, nach der ursprünglichen Form und
Bedeutung dieses Zeichens und erhielt die gütige
Auskunft, daß das Kolmarer Wappen aus einem Streit-
kolben bestehe, der aber oft mit einem Sporn ver-
wechselt worden sei. Zugleich zeichnete mir der
liebenswürdige Herr die im Lauf der Jahrhunderte
wechselnden Formen des Wappens, über das von
ihm demnächst eine Monographie erscheinen wird,
nebeneinander auf, wie sie hier unten folgen:

15. Jahrh.

1530

1536

Seit 1822

Die Ähnlichkeit zwischen diesem früh mißver-
standenen Morgenstern und dem Kreuz oder viel-
mehr Stern Schongauers ist zweifellos eine große,
und so darf der Vorschlag gewagt werden, ob nicht
mit diesem Zeichen unser Meister sich als »der von
Kolmar« kenntlich machen wollte. Daß er sich durch-
aus als Kolmarer fühlte, ist gewiß: sein ganzes Leben
hat er ja doch mit Ausnahme der Wanderjahre und
der Jahre unmittelbar vor seinem Tode in dieser alten
Reichsstadt verlebt.

Ich weiß nicht, ob es zahlreiche Analogien zu
einer solchen Erwähnung der Heimat in Künstler-
monogrammen gibt. Aber daß in Hans Baidungs

Monogramm [i^ ]^ das G nicht auf seinen

Übernamen »Grien« Bezug nimmt, sondern die
Heimatstadt Gmünd bezeichnen soll, aus der die
Baidungs stammten und die der Maler ebenso wie
sein gelehrter Bruder Caspar und Neffe Pius
nicht leicht zu nennen vergaßen, wenn sie ihren
vollen Namen schrieben, davon bin ich für mein
Teil überzeugt. Auch daran darf ich wohl erinnern,

daß man das N im Monogramm Grünewalds ^

flQ^ ^ mit der nicht unwahrscheinlichen Herkunft

der Aschaffenburger Grünewalds aus Nürnberg in
Zusammenhang gebracht hat (Repertor. VII, 134).
Freiburg i. B. fritz baumgarten.
 
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