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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Gronau, Georg: Zur Genesis der Robbia-Arbeiten: eine kunstgeschichtliche Konjektur
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0106

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195

Bücherschau

196

Materials hebt sich die Gruppe ab von einem schwarz
gewordenen Hintergrund.

Aber zur Rekonstruktion des ursprünglichen An-
blicks braucht man nur das Auge von der Lünette
abwärts zu dem einen der beiden Fresken zu lenken,
die derselbe Bicci di Lorenzo im gleichen Jahre 1424
gemalt hat, um die vier Jahre zuvor vollzogene
Weihe der Kirche durch Papst Martin V. zu ver-
ewigen. Hier sieht man den Platz wahrheitsgetreu
abgeschildert, auf dem sich das Schauspiel vollzog;
nicht wie heute, wo der spätere Umbau aus der Zeit
der Großherzöge Cosimo II. und Ferdinand II. die
stattliche Kolonnade vorgelagert hat, sondern ganz
schmucklos präsentiert sich das neuerbaute Kirchlein
dem Blick und über der Tür sieht man des Malers
eigenes Werk abgeschildert: weiße Figuren auf blauem
Grund. Und zur linken Hand springt ein Trakt
des Gebäudes vor, der heute nicht mehr besteht und
wahrscheinlich dem Umbau des 17. Jahrhunderts zum
Opfer fiel; hier sieht man über der Tür ein Relief
»Christus als Schmerzensmann«; und wiederum: weiße
Figur auf blauem Grund.

Ehe ich daran gehe, die Schlüsse zu ziehen, die
sich von selbst ergeben, will ich betonen, daß das
Fresko sehr stark restauriert ist. Wie sehr, kann man
in diesem Augenblick sehen, wo das deckende Glas
von dem einen Fresko abgenommen ist. Es muß
mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß diese
Farben vom Restaurator herrühren. Aber einmal
hat dieser die Architektur sonst, wenn überhaupt über-
gangen, so ganz getreu hergestellt, sodann läßt der
noch erhaltene Hintergrund der Gruppe ahnen, daß
der jetzt fast schwarz erscheinende Ton einst ein tiefes
Blau gewesen ist und endlich: die Vergoldung, die
heute am Original völlig verschwunden ist, einmal
aber, wie die Zahlungen an Bicci di Lorenzo be-
weisen, in Menge daran zu sehen war, ist von dem
Maler getreu wiedergegeben worden. Alle diese
Momente machen es wahrscheinlich, daß das Fresko
in dieser Hinsicht als völlig glaubwürdig anzusehen ist.

Wir haben also folgenden Tatbestand. Zu der
Zeit, in die nach aller Wahrscheinlichkeit die Anfangs-
versuche Luca della Robbias in der Kunst fallen1), die
seinen Namen berühmt gemacht hat, genau gesprochen,
im Jahre 1424 wird über einer eben erbauten Kirche
eine (unglasierte) Terrakottagruppe angebracht, mit
weißen Figuren auf blauem Grund. Damit ist der
Beweis erbracht, daß diese Farbenzusammenstellung,
die vor allen andern in der Robbiaplastik häufig ist,
in der Florentiner Plastik keine Neuheit war.

Sollte nicht der Anblick von Terrakottawerken,
die, in diesen zwei Farben bemalt, den Einflüssen des
Wetters ausgesetzt waren, dem jungen Luca den Ge-
danken gebracht haben: daß, wenn man eine solche
Gruppe mit den Farben brennen könnte, unter Be-
nutzung des bereits geübten Verfahrens der Majolika,
sie dadurch gegen Wind und Wetter wiederstands-
fähig gemacht würde?

1) G. Ouasti, Di Cafaggiolo u. s. w. (Florenz, 1902)
S. 164 glaubt aus dieser Lünette einen terminus post für
die Erfindung Lucas ableiten zu können.

Welche Etappen dann zu durchlaufen waren, bis
dem Meister Werke von der Vollendung der Dom-
lünetten gelangen, darüber gibt bislang kein Zeugnis
uns Aufschluß. Und auch der obige Versuch, die
Genesis der Robbia-Arbeiten zu erklären, will nichts
anderes sein, als was man philologisch nennt: eine
Konjektur. GEORO GRONAU.

BÜCHERSCHAU

Alfred Gotthold Meyer, Donatello. (Künstlermono-
graphien. In Verbindung mit anderen herausgegeben
von H. Knackfuß!) Bielefeld und Leipzig, Velhagen &
Klasing, 1903.
Es ist nicht leicht, die Tätigkeit eines Künstlers von
der Größe und Originalität Donatellos in populärer Form
und Kürze auseinanderzusetzen. Aber man darf die Lösung
der Aufgabe in Meyers Donatello als recht gelungen be-
zeichnen und das Buch zu den wertvolleren zählen, die in
dieser Serie erschienen sind. Rein wissenschaftlich betrachtet
bringt das Buch in mancher Hinsicht eine beachtenswerte
Vertiefung des Stoffes, — nicht durch überraschende
Attributionen und Abschreibungen, sondern durch mehrere,
zum Teil gut begründete neue Datierungen. Was die An-
lage des Stoffes betrifft, so beruft sich Verfasser eingangs
darauf, daß eine Biographie keine chronologische Tabelle
ist; aber das Biographische nimmt doch nur einen ganz
knappen Raum ein, wie es sich in diesem Falle gebührt,
und der chronologische Gesichtspunkt ist durchaus maß-
gebend, wie es bei einem Künstlerleben natürlich ist. Die
trockenen Zahlen sind allerdings in den Kapitelüberschriften
ersetzt durch wirksamere, allgemein charakterisierende Stich-
worte: »Statuarische Charakterfiguren«, »Anfänge der Er-
zählungskunst«, »Klassizismus«, »Großbetrieb dekorativer
Plastik in Florenz«, »Großbetrieb historischer Plastik in
Padua« u. s. w. Aber man weiß, daß solche Kategorien
bei einem solchen Künstler nie ganz decken, und es ist zu
bedauern, daß hierdurch oft einseitige, vereinfachende Ge-
sichtspunkte hervortreten auf Kosten des Gesichtspunktes,
der in jedem Bildhauerleben den Schicksalsfaden bildet:
die Entwickelung des statuarischen Problems. Damit hängt
des Verfassers starke Überschätzung der Jugendarbeiten
und eine gewisse Unterschätzung der letzten Werke des
Künstlers zusammen. So heißt es mehrfach und allen
Ernstes von dem hl. Georg: »Die statuarische Kunst Dona-
tellos hat hier ihren Höhepunkt erreicht«. (S. 20, 35, 41 und
andere), daß »dieser hl. Georg alle Mängel seiner Vor-
gänger meidet« (S, 21), während es doch gerade bei einem
so ungemein glücklichen Werk (und gerade auch angesichts
eines breiteren Publikums) sehr lehrreich ist, zu zeigen,
wie unendlich viel hier noch sowohl in der Durchbildung
der Einzelformen, wie vor allem in der Durchführung des
plastischen Motives zu wünschen übrig bleibt, — wie diese
prachtvolle Figur noch ganz entscheidende Mängel mit
ihren Vorgängern teilt. Zwischen dem Marmordavid und
dem Johannes, Markus und Georg liegen eben durchaus
nicht die durcheilenden Riesenschritte des Genies (S. 15);
im Gegenteil, es ist interessant, wie gerade bei Donatello
die Entwickelung so langsam läuft, und man hätte dies
um so stärker betont gewünscht, weil bei keinem anderen
von den eigentlichen Begründern der neuen Kunst der
Anschluß an die Tradition so klar zu verfolgen ist, wie
bei diesem Radikalen. Der jetzt so beliebte »dekorative
Standpunkt« erklärt dies; denn er ist für die eigentlich
statuarische Entwickelung des Künstlers selbstverständlich
als Hemmnis und keineswegs als förderlich (S. 10) anzu-
sehen. Dagegen ist der Einfluß der Antike bereits in dieser
 
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