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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Hevesi, Ludwig: Zu Schwinds hundertstem Geburtstage: ein Bruchstück aus dem Buche Österreichischer Kunst im 19. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0113

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstr. 13

Neue Folge. XV. Jahrgang 1903/1904 Nr. 13. 29. Januar.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Ver-
lagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haas enstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

ZU SCHWINDS HUNDERTSTEM GEBURTSTAGE

Ein Bruchstück aus dem Buche
Österreichische Kunst im ig. Jahrhundert

Von Ludwig Hevesi

Moriz von Schwind (geb. 21.Jan. 1804) verließ Wien
im Jahre 1839, um m König Ludwig von Bayern und im
Großherzog Karl Alexander von Weimar seine Mäcene
zu finden. Aber seine lange Wiener Jugendzeit war
sehr fruchtbar und Mitte der Sechzigerjahre konnte
er wieder heimkehren, um seine Fresken in der neuen
Hofoper zu malen. Davon später. Nach dem Tode
Kupelwiesers wünschte man ihn an die Wiener Aka-
demie zu bekommen. Die kaiserl. Galerie besitzt
eines seiner herrlichsten Werke, den Melusinenzyklus
(Aquarell) und den Karton zur Jagd der Diana, die
als Kaminstück für Baron Stieglitz in Petersburg
gemalt wurde. Sein österreichischer Adel ist vom
Jahre 1855. In ganz denkwürdiger Weise hat die
Schubertausstellung der Stadt Wien im Künstlerhause
1897 das Andenken dieses merkwürdigen Meisters
wieder belebt. Er ist aus dieser Ausstellung größer
und — jünger hervorgegangen. Es war eben die
erste Zeit der Sezession und man sah überrascht,
wie verwandt das neue Empfinden dem Schwind-
schen war.

Das gemütlich-geniale Jugendtreiben Schwinds
und seiner Freunde, wie es sich in dieser Aus-
stellung widerspiegelte, gibt das echteste Bild des
geistig geweckten Wienertums jener Biedermaierzeit.
Schwinds Eltern besaßen das berühmt gebliebene
Haus »zum goldenen Mondschein« bei der Karls-
kirche, das nun leider einer neu durchgebrochenen
Gasse gewichen ist. Das war das Hauptquartier der
Bande. Sie waren aber auch große Ausflügler vor
dem Herrn. Zu Atzenbrugg in Niederösterreich, an
das Schuberts »Atzenbrucker Tänze« erinnern, gab es
jährlich ein dreitägiges ländliches Fest für die Freunde.
Wie oft haben Schwind und Kupelwieser, sogar der
Tiermaler Gauermann, diese »Landpartien«, wie man
damals sagte, in Bleistift und Wasserfarben verewigt.
Nikolaus Dumba besaß zwei von Kupelwieser. Das
eine Aquarell zeigt die ganze Gesellschaft, Herren
und Damen, auf einen ländlichen Wagen gepackt,
unterwegs nach Atzenbrugg, das andere eine halb

musikalische, halb gesellschaftsspielartige Szene mit
allen den bekannten Figuren. Das waren die so-
genannten »Schubertiaden«. Der Schubertbund besitzt
zwei Schwindsche »Schubertabende bei Spaun«, eine
Ölskizze und die Photographie einer köstlichen Sepia-
zeichnung mit etwa dreißig Personen. Schwind wurde
nicht müde, Schubert zu zeichnen. Wie oft hat er
sein stumpfnasiges Profil hingeworfen; noch im Jahre
1871 in Kundmanns Atelier, um diesem Plastiker die
genaue Stirnlinie für das Denkmal im Stadlpark zu
geben. Wiederholt zeichnet er ihn am Klavier, den
Schubertsänger Vogl begleitend. Diese beiden waren
unzertrennlich, auch auf ihren berühmten Wanderungen
durch die umliegenden Provinzen, und so sind sie
auch auf einem Blatte (»Ziehen aus zu Kampf und
Sieg«) karikiert. Noch in ganz anders gearteten
Schwindschen Szenen kommt Schubert häufig vor;
so in der »Geschichte eines Liebespaares«, wo
Schubert einem jungen Maler ein Mädchen zeigt,
das in einem Forsthause am Klavier sitzt; in der
Schlußszene befindet sich Schwind selbst unter den
Hochzeitsgästen. Diesen Freundschaften ist es zu
danken, daß Schubert der am gründlichsten durch-
porträtierte Musikheld ist. Schwind hat ihn in allen
Lebensaltern gezeichnet, allein und in Gesellschaft.
Und die anderen Freunde auch, alle mit merkwürdiger
Gewandtheit in wenigen dünnen Bleistiftstrichen, mit
einem Nichts von Schattierung, auf das Blatt gesetzt;
darunter Grillparzer, Raimund, Bauernfeld. Manch-
mal kritzelt er mehrere solche Porträtskizzen auf
einen Bogen, wie die Feder laufen will. Ein wich-
tiger Porträtist Schuberts war noch Wilh. Aug. Rieder
(1796—1880), ein in vielen Sätteln Gerechter, später
Kustos am Belvedere. Sein kräftiges, nach der Natur ge-
maltes Aquarell, das den Komponisten im langen Rocke
sitzend, den Arm über die Rücklehne herabhängend, im
Dreiviertelprofil zeigt, ist das ganze Schubertdenkmal.
So hat ihn Rieder auch lithographiert und Passini ge-
stochen. Eine ungemein plastisch modellierte Zeichnung
Kupelwiesers, aus dessen Nachlaß, zeigt Schubert en
face, mit Brille. Ein angeblich Daffingersches Aquarell
gibt die feine, rosige Blondheit des Kopfes wieder.
Die Büsten Schuberts sind weit geringer, die meisten
sehr stilisiert, ins Bedeutsame gezogen, die Stirn gern
gedankenvoll aufgetrieben. Bei der Ausgrabung der
Leiche am 15. Oktober 1863 wurde von den Ärzten
 
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