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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Schmidt, Karl Eugen: Jean Leon Gérome
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0116

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:2t<y Bücherschau — Nekrologe —

Einer der rüstigsten war Gerome. Dieser erstaunliche
Mensch arbeitete nicht nur jeden Tag in seinem Atelier,
sondern er machte auch alle möglichen gesellschaftlichen
und künstlerischen Ereignisse mit. Er wäre im Mai achtzig
Jahre alt geworden, und bis vor drei Jahren stieg er noch
regelmäßig zu Pferde. Beim Ball Oavarni vor anderthalb
Jahren erschien er als Bräutigam der Biedermaierzeit,
sprang und tanzte mit den jungen Künstlern um die Wette
und hätte wahrhaftig für einen wirklichen Bräutigam gelten
können, wenn er sich bei den hübschen Modellen und
Schauspielerinnen zu schaffen machte. Er ging aufrecht
und gerade wie ein Soldat, dichtes weißes aufrechtes Haar
bedeckte seinen Kopf und ein verwegner, gesträubter
weißer Schnurrbart drehte sich beständig nach dem schönen
Geschlecht hin.

Als Künstler hatte Gerome ebensoviele Anhänger wie
Gegner. Das kam daher, daß er durchaus keine Mittler-
natur war, sondern in schroffster Weise gegen die ihm
nicht passende Richtung Front machte. Als Präsident der
internationalen Jury zeigte er 1900 seinen Kollegen die
Impressionistensäle mit den Worten: »Meine Herren, ich
bitte Sie um Entschuldigung, daß ich Ihnen solche Dreckereien
zeigen muß. Aber bedenken Sie, daß wir in Frankreich
auch andere Sachen machen. Das da sind nur faulige
Geschwüre und Auswüchse.« Als Lehrer an der National-
akademie, sowie in mehreren Privatakademien hat Gerome
durch seine entschiedene Stellungnahme für die klassische
Kunst einen sehr bedeutenden und zum Teil beklagens-
werten Einfluß auf die gegenwärtige und die voran-
gegangene Künstlergeneration Frankreichs ausgeübt. Aus
diesem Grunde ist er in der Kunstgeschichte wichtiger als
durch seine eigenen Werke. Anfänglich hat er nur ge-
malt und zwar hauptsächlich römische Genreszenen, worin
er moderne Schlüpfrigkeit mit antikisierender Gelehrsam-
keit verband. Auch ein großes dekoratives Gemälde, an
die dekadenten Römer von Couture und überhaupt an
diese durch Piloty besonders in Deutschland an die Mode
gekommene Stoff- und Fleischmalerei erinnernd, ist in
dieser Zeit entstanden. Es hängt jetzt im Museum
zu Amiens und stellt das Zeitalter des Augustus dar.
Nach den Anekdoten aus der römischen Welt machte
Gerome sich an den Orient, dazwischen kam auch Paris
zu Wort, und einzelne Bilder, wie das Duell nach dem
Maskenball erfreuten sich großer Beliebtheit beim Publikum.
Zeitweilig hing er die Malerei an den Nagel und warf
sich auf die Bildhauerei. Hier wie dort ist er hart, trocken
und kleinlich, in der Auffassung pikanten Mätzchen zu-
neigend, sich aber nie über spießbürgerliche Banalität er-
hebend und gerne sinnlichen Wirkungen nachgehend.
Seine letzte größere Arbeit, die leicht getönte Marmorstatue
einer Ballspielerin, gleicht durchaus einem Abguß nach
der Natur. Seine andern bekanntesten Skulpturen sind die
weibliche sitzende Figur Tanagra im Luxembourg, die
Reiterstatue des Herzogs von Aumale in Chantilly und ein
großer Bronzeadler auf dem Schlachtfeld von Waterloo.
Gerome hat in den letzten Jahren seine Memoiren ge-
schrieben, die hoffentlich bald herausgegeben werden und
gerade wegen der rücksichtslosen Parteilichkeit ihres Ver-
fassers eine interessante Lektüre versprechen.

K. E. SCHMIDT.

BÜCHERSCHAU

Johannes Bochenek. Das Gesetz der Formenschönheit.
Textband und Atlas in gr. 40. Leipzig, Dieterichsche
Verlagsbuchhandlung.

Dem vorliegenden Werke gebe ich gern einige empfeh-
lende Worte mit auf den Weg. Habe ich mich doch durch

Personalien — Sammlungen 216

eingehendes Studium wie durch die praktische Verwertung
des Inhalts von seiner Vortrefflichkeit und Brauchbarkeit
überzeugt. Bocheneks Werk gibt zum ersten Male
eine gefestete wissenschaftliche Basis, auf der allgemein
gültige Schönheitsgesetze und harmonische Formenverhält-
nisse sich aufbauen. Die unendliche Mannigfaltigkeit und
Vielseitigkeit der gesamten Formenwelt und ihrer Verhält-
nisse werden hier auf die einfachsten Grundformeln zurück-
geführt, und zwar so, daß ein einziges einheitliches Maß
durch sie hindurchgeht und daß alle sich in Einem wieder-
finden. Die seit dem Verschwinden des polykletischen
Kanon in allen späteren Jahrhunderten ungelöste Frage hat
hier ihre endgültige Lösung gefunden. Neben der hohen
wissenschaftlichen Bedeutung dieses Werkes, das in das
undurchdringliche Dunkel dieser Frage helles Licht wirft,
ist es die praktische Brauchbarkeit als Lehrbuch, die das
Werk in hervorragendem Maße besitzt, auf die ich be-
sonders hinweisen möchte. Ich selbst habe die Statuen
Friedrichs 1. und Friedrichs III. für die Siegesallee und
ebenso meine Goethestatue für Rom nach Bocheneks Maßen
geschaffen. Besonders aber der an der Pforte der Kunst
stehende Schüler wird das Buch als einen zuverlässigen
Ratgeber und Wegweiser willkommen heißen. Er darf
nicht befürchten, dadurch seine Phantasie zu unterbinden,
im Gegenteil erscheint mir dies Werk wie ein granitner
Unterbau, auf welchem er seine ganze Kunsttätigkeit auf-
bauen kann. prof. Gustav Eberlein.

NEKROLOGE

Der Nestor der Schweizer Maler, Konrad Grob, ist,
fast 76 Jahre alt, in München, wo er seit 30 Jahren lebte,
gestorben. Grob war ein Schüler Rambergs und genoß
als Genremaler einen berechtigten Ruf. Sehr bekannt
machte ihn einst das Bild »Der Maler auf der Studienreise«.

PERSONALIEN

Zum Präsidenten der Münchner Künstlergenossen-
schaft auf das Jahr 1904 ist der Maler Karl Albert Bauer
gewählt worden.

Jozef Israels konnte am 27. Januar den 80. Geburtstag
begehen. Ganz Holland nahm an seinem Jubeltage teil.

SAMMLUNGEN

Die Mainzer Gemäldegalerie hat von Professor
Konrad Sutter in Mainz zwei Bilder erworben, »die
Kartoffelschälerin« und »am stillen Bach «. Sutter ist von
Hause aus Architekt und hat sich erst in den letzten
Jahren den graphischen Künsten und dann der Malerei
zugewandt. In Motiven und Auffassung folgte er seither
den Spuren Wilhelm Trübners, scheint aber neuestens
sich zu einer individuellen Sprache durchzuringen. »Die
Kartoffelschälerin«, die auch in der farbigen Haltung weit
ausgeglichener und persönlicher ist, als seine früheren
Bilder, scheint ein verheißungsvolles Zeichen der Samm-
lung eigenen Kunstvermögens. Als Baumeister hat Sutter
vielfach förderliche Anregungen zu der künstlerischen
Gestaltung des Bebauungsplanes der Stadt Mainz gegeben
und seinen Namen dadurch weiterhin bekannt gemacht.
Vielleicht ist auch dem Maler ähnliches beschieden.

Galerie-Kommissionen. In der zweiten Kammer des
Sächsischen Landtags wurde kürzlich das königliche Dekret
Nr. 3, den Bericht über die Verwaltung und Vermehrung
der königlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft
in den Jahren 1900 und 1901 betreffend, beraten. Ver-
schiedene Abgeordnete wiesen dabei mit lebhaftem Be-
dauern auf den Raummangel hin, unter dem die königlichen
 
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