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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Ostini, Fritz von: Rudolf Maison
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Steinmann, Ernst: Die Neuordnung des Museums zu Neapel
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0148

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279

Die Neuordnung des

Museums zu Neapel

280

gesehener Naturtreue ging und das man wohl im
Prinzip bekämpfen, solchen Qualitäten gegenüber
aber sicher nicht für unkünstlerisch erklären konnte.
Auch an dem süperben Marmorkopf einer lachenden
Frau hatte er es erprobt. In allen diesen Statuetten
zeigte er überdies eine verblüffende Beherrschung
der Körperform. Die Anatomie seiner Neger, die
nackten Teile des Augur, des Philosophen sind in
ihrer Art klassisch.

Um die gleiche Zeit entstanden die erwähnten
Reiter für den Reichstagsbau, zwei Standartenträger
in frühgotischer und in Maximiliansrüstung. Nach-
bildungen, welche für eine der letzten Weltausstel-
lungen in Kupfer getrieben wurden, stehen jetzt vor
dem Bremer Rathaus. Nicht wenig Aufsehen hat
vor allem die unerhörte Lebenswahrheit der Pferde
erregt, und Maison hat sich auch in der Folge zu
einem Pferdebildhauer ohne Konkurrenz entwickelt.
Zahlreiche kleine Modelle für Reiterdenkmäler und
andere Arbeiten beweisen das nicht minder, als sein
großartiges Kaiser Friedrich-Denkmal. Für dieses hat
er allein wenigstens fünf verschiedene Modelle im
kleinen, alle mit stark abweichenden Pferdebewegungen
ausgeführt. Eine seiner besten Pferdedarstellungen
aber ist wohl das Roß des fliehenden Germanen-
jünglings, den er im Sommer 1902 fertig stellte.

Das umfangreichste Werk, das aus Maisons Werk-
statt hervorging, ist der Teichmannbrunnen in Bremen,
aus Mitteln einer Stiftung errichtet. Er stellt in
kühner, großzügig erfaßter Allegorie Schiffahrt und
Seehandel dar, ein Schiff, von gigantischem Hippo-
kampen durch die Flut gezogen, von Hermes ge-
führt, von den Gefahren und Schrecknissen der Tiefe
bedroht. Eine Menge phantastischer Wesen, mit
wahrhaft Böcklinscher Gestaltungskraft konzipiert, um-
gibt Schiffer und Kahn.

Neben solchen großen Schöpfungen entstand in
der Werkstatt des Künstlers, dessen Arbeitslust eigent-
lich nur durch das Schwinden des Tageslichts zeit-
liche Begrenzung fand, noch. eine Menge kleinere
Arbeiten. Seine Porträtbüsten sind von hinreißender
Lebendigkeit gewesen, eine Reihe von Gedenktafeln,
kleinen Brunnen und Grabmälern führt er mit gleicher
Liebe aus. In den letzten Jahren entstand — in
halber Lebensgröße — ein thronender Wotan, der
ergreifend großartig erfunden ist, und eine Gruppe
der Nornen. Seine allerletzte Arbeit war das Grab-
mal für einen Jüngling mit einer weiblichen Figur
des Glaubens von hehrster Lieblichkeit. Ich sah es
tiefergriffen erst eine Stunde nach des Künstlers Tode
— tiefergriffen, weil die reine Anmut dieser Frauen-
gestalt eins bewies: es war nun auch hier wieder
eine vielleicht allzuscharfe Kante seines Wesens ab-
geschliffen, die ihn einst sicherlich manchen Leuten
schwer verständlich gemacht! —

Er war ein ganzer, starker Künstler, goldecht in
seinem Glauben und Wollen, selbstlos und hingebend
an die Kunst bis zur Preisgabe aller materiellen und
sozialen Vorteile und eine künstlerische Arbeitskraft,
wie sie vielleicht überhaupt nicht wieder geboren
wird! F. v. OSTINI.

DIE NEUORDNUNG DES MUSEUMS
ZU NEAPEL

In zwei oder drei Monaten wird die Neuordnung des
Museo Nazionale vollendet sein. Die ungeheure Aufgabe,
eine der glänzendsten Antikensammlungen Europas voll-
ständig neu zu ordnen, ist in kaum zwei Jahren bewältigt
worden. Wenn man die heftige Polemik verfolgt hat, die
seit Monaten über diese Neuordnung geführt worden ist,
wenn man weiß, daß mehr als eine Kommission mit mehr
oder minder offizieller Befugnis zusammentrat, um die Ar-
beit des neuernannten Direktors Pais kritisch zu unter-
suchen, wenn man die ausfallenden Angriffe auf die Mu-
seumsverwaltung gelesen hat, als die Tazza Famese dem
Diebstahl ausgesetzt war und einige Vasen — gänzlich
untergeordneter Bedeutung, wie von sachverständiger Seite
versichert wird — zertrümmert wurden — dann wird man
sich durch das, was heute das Museum von Neapel bietet,
aufs höchste überrascht fühlen. So viel steht fest, daß dies
Museum die bei weitem am besten geordnete Antiken-
sammlung ist, welche Italien besitzt. Die Qroßräumigkeit
des Gebäudes — im Jahre 1586 als Kaserne erbaut — er-
leichterte die Aufgabe allerdings nicht unwesentlich, und
die Sammlung selbst bot das glänzendste Material, über
welches wohl jemals ein Direktor von Antikensammlungen
verfügt hat. Aber andererseits war darum auch die Ver-
antwortung besonders groß, und die Aufgabe über diese
unvergleichlichen Schätze mit Geschmack und Urteil zu
disponieren, gewiß keine leichte. Heute ist nun die Neu-
ordnung soweit vollendet, daß Plan und Disposition voll-
ständig übersehen werden können.

Im Erdgeschoß haben Skulpturen und Bronzen ihren
Platz gefunden; im ersten Stock findet man die antiken
Wandgemälde; im zweiten Stock sind im rechten Flügel
die Goldsachen, die kleineren Bronzen, die Gläser, Vasen,
Kameen, Medaillen ausgelegt; oben im linken Flügel ist
man im Begriff, die Pinakothek herzurichten mit den we-
nigen modernen Bronzen, Skulpturen und kunstgewerb-
lichen Gegenständen, die das Museum besitzt. Schon die
Ausschmückung des Vestibüls ist eine durchaus würdige
und angemessene. Hier stehen vorwiegend Gewandstatuen
an den mächtigen Pfeilern; die Reiterstatuen der Balbo
— Vater und Sohn — in den Seitenschiffen; antike Sarko-
phage an den Wänden. Im Treppenhause sieht man das
imponirende Marmorbild des Zeus von Cuniae. Die An-
ordnung der Skulpturen ist streng nach stilistischen, histo-
rischen und topographischen Gesichtspunkten durchgeführt
worden. Die Wände mit dunkelrotem Tuch ausgeschlagen
bieten für die weißen Marmorbilder einen warmen leuch-
tenden Hintergrund dar. Es ist eigentlich nichts an seinem
alten Platze geblieben; ja das Gebäude selbst scheint ein
völlig anderes zu sein. Man spürt überall, daß die Ar-
chitekten lange gearbeitet haben, ehe an die Aufstellung
der Sammlungen gedacht wurde. Man findet überdies eine
Fülle von Gegenständen mehr dekorativer Bedeutung ver-
wandt, die jahrelang in den Magazinen gelegen haben und
nun von Professor Pais ans Tageslicht befördert wurden.
Auch die Anordnung der Bronzen links vom Eingang ist
eine völlig neue und äußerst geschmackvolle. Hier haben
auch die Statuen, Büsten und Bronzen der römischen
Kaiser die würdigste Aufstellung gefunden — eine herr-
liche Gruppe von Bildwerken, die nirgends ihresgleichen
hat, auch nicht im Kapitolinischen Museum. Hier stehen
dann auch alle Hermenbüsten — unter ihnen der Homer
auf einem neuen Piedestal, das zu der ruhigen Würde und
Schlichtheit des blinden Sängers vielleicht etwas unruhig
wirkt. Überhaupt wäre zu wünschen, daß man auf die Aus-
führung der Sockel und Pfeiler für Büsten und Statuetten
 
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