Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

DOI article:
Denkschrift der allgemeinen deutschen Kunstgesellschaft
DOI article:
Schleinitz, Otto von: Die Weltausstellung in der "Royal Academy" in London
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0163

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
309

Die Winterausstellung in der

»Royal Academy« in London

310

leicht nicht ferngestanden hatten, so durften sie doch nicht
im Ärger nationale Interessen von höchster Wichtigkeit
aufs Spiel setzen, oder gar so tun, als sei die Unzuläng-
lichkeit der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft
Ursache ihres Fernbleibens. Die Allgemeine Deutsche
Kunstgenossenschaft hat nichts zu tun mit rückschrittlichen
Tendenzen in der Kunst. So sicher sie weiß, daß unter
ihren nichtsezessionistischen Mitgliedern Hunderte ver-
dienstvoller Künstler und Dutzende glänzender Namen
sind, die anderen nichts nachgeben, so sicher erblickt sie
in den Sezessionen gewichtige Künstlergruppen, auf deren
Mitarbeit sie Wert legen mußte; das sind seit Beginn der
Ausstellungsangelegenheit ihre Leitmotive gewesen.

Was anderes in gehässigen Preßnotizen und münd-
lichen Äußerungen vorliegt, gehört ins Reich der Fabel,
wie die Mitteilung des Grafen Oriola im Reichstag ins
Reich der Fabel gehört, die Worpsweder Künstlergruppe
habe nur Anspruch auf 1,11 m Raum gehabt.

Vor allen Dingen kann nicht laut genug gesagt wer-
den, daß von der Stelle, nach welcher die Sezessionen
mit übergroßer Nervosität ausschauen, oder von Herrn
Direktor A. v. Werner, den sie mit einer fast beneidens-
werten Gegnerschaft beehren, nicht der leiseste Versuch
gemacht worden ist, den Hauptvorstand in seinem Ver-
halten gegen seine sezessionistischen Mitglieder irgendwie
zu beeinflussen. Nicht der Ton einer Andeutung in diesem
Sinne liegt vor.

So und nicht anders liegen die Verhältnisse, aus denen
sich die Absage der Sezessionen ergeben hat.

Wenn bei Erörterung derselben in hohen Tönen von
einem Kampf um die Freiheit der Kunst gesprochen wird,
so ist das nicht mehr und nicht minder als ein Phrasen-
tum. Die Freiheit der Kunst ist der Allgemeinen Deutschen
Kunstgenossenschaft genau so wertvoll und selbstverständ-
lich, wie dem Künstlerbunde. Sie mag gefährdet sein, wo
sie will. Der vorliegende Fall hat mit einem Kampfe um
sie nichts, aber rein gar nichts zu tun. Wer davon spricht,
bedient sich entweder mit Bewußtsein eines immer wir-
kungsvollen Schlagwortes, oder er gehört zu denen, auf
welche Schlagworte eben berechnet sind.

Die immerwährende Berufung auf die Pariser Aus-
stellung, die in deutschen, nicht in ausländischen Blättern
abfällig beurteilt war, ist ein Benehmen, welches die
schärfste Zurückweisung verdiente. Denn der Plan der
Zuteilung bestimmter Meterzahlen an die Lokalgenossen-
schaften, dem die Schuld beigemessen wurde, ist laut ge-
druckt vorliegenden Sitzungsberichtes auf dem Delegierten-
tage vom 5. und 6. Mai 1899 ohne Widerspruch der
anwesenden Sezessionisten Kühl, B. Becker, C. Grethe, O.
Jernberg von diesen mit beschlossen worden: Die Sezes-
sionisten haben ebensoviel Anteil an der Pariser Aus-
stellung, wie alle anderen Künstlergruppen. Sie handeln
unschön, wenn sie Dinge gegen die Genossenschaft aus-
spielen, die sie mit verursacht haben.

Lag ihnen zur Zeit ihrer Deputation beim Reichs-
kanzler, nachdem sie Monate hatten verstreichen lassen,
wirklich noch daran, in St. Louis mit auszustellen, so
mußten sie sich an die Allgemeine Deutsche Kunstgenossen-
schaft wenden. Die Regierung konnte gar nicht anders,
als die angesichts der fast abgeschlossenen umfangreichen
Ausstellungsarbeit Kommenden an den Hauptvorstand ver-
weisen, dem sie doch einmal die Befugnisse übertragen
hatte. Aber die Herren übersahen geflissentlich die offene
Tür und stießen sich an der geschlossenen, und über-
nahmen die Rolle der Märtyrer für die »Freiheit der Kunst«.

Es liegt nicht allein an der Kompliziertheit der Ver-
hältnisse, daß die Dinge, die in kurzen Zügen hier ge-
schildert sind, so haben entstellt werden können, wie es

geschehen ist. Wer heute irgend eine ältere Ordnung
gegen Angriffe in Schutz zu nehmen hat, der kann er-
fahren, was die Allgemeine Deutsche Kunstgenossenschaft
in diesem Streit erfahren muß: Auf gerechte Beurteilung
wird er nicht zu rechnen haben.
Dresden, 28. Februar 1904.

Der Hauptvorstaud
der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft
Paul Kießling, G. v. Mayenburg,

Vorsitzender. Schriftführer.

DIE WINTERAUSSTELLUNQ IN DER »ROYAL
ACADEMY« IN LONDON.

Eine ebenso interessante wie beträchtliche, hier
dem Publikum zur Anschauung gebotene Sammlung
von Sir Thomas Lawrences Werken bildet den Kern
und die eigentliche Signatur der diesjährigen Aus-
stellung. Im übrigen sind alte Meister so ziemlich
aller bedeutenden Schulen vertreten. Ferner sind
Kollektionen von Bronzen aus der Renaissance-Epoche,
besonders italienischen Ursprungs, in einer Anzahl
und Güte vorhanden, wie sie so leicht wohl kaum
wieder vereinigt werden dürften.

Endlich wird der Ausstellung noch ein eigen-
artiges Gepräge dadurch verliehen, daß Werke kürz-
lich verstorbener Akademiker in mehr oder minder
zahlreichen Beispielen ihrer Kunst zur Ansicht ge-
langten. Hierher gehören Gemälde von H. T. Wells,
Sidney Cooper und J. C. Horsley; ferner Bildwerke
des verstorbenen Onslow Ford und H. Bates.

Die Leistungen Horsleys (1817—1903) als Maler
treten mehr in den Hintergrund gegenüber seinen
außerordentlichen Kenntnissen bezüglich der Werke
alter Meister, so namentlich, wo er z. B. als Sach-
verständiger der Akademie darüber zu entscheiden
hatte, ob ein Werk als Original, Schulbild oder Kopie
u. s. w. katalogisiert werden sollte. Infolge dieser
hervorragenden Eigenschaften konnte der genannte
Künstler als der eigentliche Organisator der letzten
zwanzig Winterausstellungen in der Akademie be-
trachtet werden. Daß er oft schwere Differenzen aus-
zugleichen hatte mit Eigentümern von Gemälden, die
da irrtümlich glaubten Originale zu besitzen — darüber
bedarf es keiner weiteren Worte. Unter den hier
ausgestellten Arbeiten Horsleys bemerke ich folgende:
»Maria Stuart in der Gefangenschaft«, »Das Thema
des Poeten«, »Zahltag in Haddon Hall«, »Eine be-
hagliche Ecke« und »Das neue Kleid«. Im allge-
meinen kehrt er nur die angenehmeren Seiten des
Lebens in seinen Bildern heraus, aber seine Gesichter
sind etwas hölzern. Ein Sujet wie »Maria Stuart«
bildet die Ausnahme!

Der verstorbene Akademiker Cooper (1803—1902)
sandte noch bis kurz vor seinem Ende regelmäßig
drei bis vier Werke zu jeder Ausstellung nach Bur-
lington-House und zuletzt sogar noch ein Gemälde,
als er sich in seinem 99. Jahre befand. Das merk-
würdigste hierbei aber war der Umstand, daß auch
selbst gegen Ende dieser langen Laufbahn niemals
ein Bild von ihm unverkauft blieb. Die in der
Akademie ausgestellten Arbeiten von Coopers Hand
 
Annotationen