Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0216

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
415

daher dieses Silbergerät der Goldschmiedekunst nicht
weisen, wenn es auch als eine Leistung des Weimarischen
Künstlers an sich interessant erscheint. ge

Zürich. Teil-Ausstellung. Vom 8. bis 29. Mai wird
in Zürich eine Teil-Ausstellung stattfinden, die ein in
künstlerischer und literarischer Hinsicht würdiger Beitrag
zur Jahrhundertfeier von Schillers unvergänglicher Dichtung
zu werden verspricht. Zu den historischen und kultur-
historischen Gruppen kommen natürlich auch künstlerische,
so soll Gruppe IX Teilikonographie, alte Bilder, Medaillen u.
s. w. enthalten, Gruppe X Schillers Teil in der modernen
bildenden Kunst vergegenwärtigen und Gruppe XI Porträts
und Büsten umfassen. Das Komitee wird einen Aufruf
um Überlassung interessanter Ausstellungsobjekte erlassen.

AUSGRABUNGEN UND FUNDE

Florenz. Daß in einer Zeit, die wie die unsere, mit
übertreibender Wertschätzung jedem künstlerischen Über-
rest aus der Zeit des Quattrocento nachspürt, sich ein Werk
eines der anerkannten Meister in nächster Nähe von Florenz
der Aufmerksamkeit entziehen kann, wäre man geneigt, in
das Reich der Fabel zu verweisen, wenn nicht das Bekannt-
werden eines Reliefs von der Hand des Verrocchio in der
Villa Careggi das Unwahrscheinliche zur Tatsache erhöbe.

Freilich liegen mehr als zehn Jahre zurück seit der
Zeit, da diese Lünette der Auferstehung Christi, in sechzig
Stücke zerfallen, in der Villa aufgefunden wurde. Ein ver-
ständiger Künstler setzte die Fragmente zusammen und der
eine und andere Kunstfreund sah das Relief; doch die All-
gemeinheit erfuhr nichts davon. Erst im Vorjahre gab der
Besitzer von Careggi, Professor Segre, die Erlaubnis, es
zu publizieren. Diese erste Mitteilung liegt jetzt vor.
Conte Carlo Gamba gebührt das Verdienst, dieses Inedi-
tum verrocchiesker Kunst zum Gemeingut zu machen (im
ersten Heft des neuen Jahrgangs von »L'Arte«).

Die Abbildung freilich, nach einer Aufnahme von
Brogi hergestellt, gibt keinen rechten Begriff von den
Feinheiten des Originals. Wie immer bei Verrocchio, sind
die Einzelheiten höchst vollendet, die Köpfe wunderbar
durchgearbeitet und belebt, die Hände, die Füße nicht so-
wohl von reiner Form, als charaktervoll. In der Kompo-
sition schließt er sich in gewissem Sinne an Lucas Dar-
stellung des gleichen Gegenstandes über der Domsakristei
an: wie verschieden aber, wie ungleich moderner in der
Betonung individueller Eigentümlichkeit ist Verrocchio.

Am besten gelungen ist ihm die Figur eines ausge-
streckt schlafenden Kriegers vorn links; fast ebenso fein
beobachtet ein älterer Mann im Flügelhelm, der, den Kopf
in die Hand gestützt, schläft (rechts). Ein anderer, der
Wächter, dehnt sich im Erwachen; seine Hände greifen
in den Boden. Ein vierter öffnet den Mund zum Gähnen.

Die Terrakotta hat die Feinheiten, mit denen der
Meister verschwenderisch sein Werk ausstattete, treu be-
wahrt; die Beschädigungen haben zum Glück nur Einzelnes
betroffen. Auch von der alten Bemalung hat sich genug
erhalten, um den ursprünglichen Eindruck zu rekonstruieren.
An vielen Stellen — den Waffen, dem Laubwerk der
Bäume, die rechts und links die Komposition begrenzen —
gewahrt man Spuren der alten Vergoldung.

Conte Gamba erinnert in dem erwähnten Aufsatz daran,
daß in der Aufzählung von Arbeiten, die Verrocchio im

Dienst der Medici ausgeführt hatte, und für die sein Bruder
Tommaso nach dem Tod des Meisters Bezahlung forderte,
auch der Passus sich findet: »für ein Relief mit mehreren
Figuren«. Nichts liegt näher als der Gedanke, es handle
sich um jenes Relief in Careggi. Aber ist es dann wahr-
scheinlich, anzunehmen, die »Auferstehung« sei eine ganz
frühe Arbeit, etwa um 1460 entstanden? Soll Verrocchio
bei seinem Tod noch für die ersten Arbeiten, die er im
Auftrag des fürstlichen Bürgerhauses gemacht hatte, unbe-
zahlt gewesen sein? Es klingt das doch etwas unwahr-
scheinlich. Auch der recht gereifte Stil des Reliefs scheint
mir die frühe Datierung nicht zu gestatten. Der Christus-
typus hält die Mitte zwischen dem Heiland der »Taufe«
in der Akademie und jenem der Or San Michele-Gruppe;
die Form ist — die Verschiedenheit des Materials gebüh-
rend beachtet —- auffallend der des David verwandt. Daher
glaube ich annehmen zu dürfen, daß auch dieses Bildhauer-
werk in jene Periode reichen Schaffens fällt, in der die
bedeutenden Schöpfungen des Plastikers Verrocchio ent-
standen, nach 1470 also.

Unter Verrocchios Arbeiten wird in der Zukunft dieser
Auferstehung gebührende Beachtung nicht versagt werden:
schon darum nicht, weil sie als umfangreichste Arbeit in
Terrakotta den unmittelbaren Formenausdruck, den der
Meister seinen Gestalten zu geben wußte, am besten be-
wahrt hat.

Als Kuriosum mag hier angeschlossen sein, daß in
der von Michelozzo erbauten Gartenhalle von Careggi, in
der jetzt das Verrocchiorelief aufgestellt ist, sich ein Fresko
von G. F. Watts befindet, das der Künstler vor mehr als
fünfzig Jahren, bei einem Besuch in der Villa, ausgeführt hat.
Es ist ganz im Stil der Florentiner Fresken des ausgehenden
16. Jahrhunderts — etwa Poccettis — gehalten und stellt
in geschickt gestellten Figuren die Ermordung des Leib-
arztes des Magnifico dar, den Piero, so erzählt man, in
Careggi hat in den Brunnen werfen lassen. —

Der Streit um den David Michelangelos will noch
nicht zur Ruhe kommen. Obschon mehrere autoritative
Stimmen sich gegen das Projekt erklärt haben, hat der
»Circolo Artistico« abermals die Frage zur Diskussion ge-
stellt und beim Munizipium eingebracht, ob man nicht an
den ursprünglichen Standort vor den Signoriepalast eine
Kopie hinstellen solle. Nach den meisterhaften Ausfüh-
rungen Adolf Hildebrands') bleibt für jeden Urteilsfähigen
kein Zweifel, daß für die Harmonie des Platzes die Figur
eine Notwendigkeit ist. Scheut man sich vor dem »dritten
David« — das Hauplargument, das gegen das Projekt vor-
gebracht worden —, so wäre es doch nur vernünftig, zu
wünschen, daß das Monstrum auf dem Piazzale entfernt
wird. Beachtenswert ist, daß sich schon eine Stimme er-
hoben hat, welche die Wiederaufstellung des Originals
fordert (Ascanio Forti im »Giornale d'Italia«).

Im Mai dieses Jahres werden vierhundert Jahre ver-
gangen sein, daß der Koloß aus der Werkstatt des Meisters
überführt wurde und dem Volk von Florenz die Norm
groß schaffender Plastik vor Augen stellte. Welch er-
hebender Gedanke einer Zentenarfeier, daß man jetzt
wieder gut gemacht hätte, was vor einem Vierteljahr-
hundert, in bester Absicht, verfehlt worden! o. Gr.

1) Erschien als Feuilleton in der »Frankfurter Zeitung«.
Wiederabdruck in »Kunst und Künstler«, I, Heft XI.

Inhalt: Franz v. Lenbach f. — Ueber Ridolfo Ghirlandaio. Von Wilhelm Schmidt. — Neues aus Venedig. Von A. Wolf. — Verbindung für
historische Kunst. — Hanfstaengls Publikation der Galerien im Haag und in Haarlern ; Die Meisterwerke des Reichsmuseums zu Amster-
dam. — Festgruß an Professor Robert Diez; Dr. E. Steinmanns Rückkehr aus Rom. — Henry Majendy ti Richter-Lefensdorf f; Eugen
Schwarz t- — Leipzig, Rettung der Prellerfresken; Der Theaterplatz zu Dresden; Barbarisches vom Sonnenstein. — Städtische Kunst-
pflege; Dresden, Bilderverkauf; München, Ankauf für die ältere Pinakothek; Courbets Steinklopfer in Dresden. — Krefeld, Ausstellung
»Linie und Form«; Flamburg, Ausstellung ostasiatischer Kunst; Ausstellungseröffnungen; Große Kunstausstellung in Dresden; Preisver-
teilung auf der Großen Kunstausstellung Dresden 1904; München, Neo-Impressionisten-Ausstellung; Berlin, Ausstellung des Vereins der
Künstlerinnen und Kunstfreundinnen; Berlin, Sommerausstellung der Sezession; Oldenburg-Ausstellung; Van de Veldesches Tafelsilber;
Zürich, Teil-Ausstellung. — Florenz, Relief des Verrocchio.

Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Naciif., G.m.b.H., Leipzig
 
Annotationen