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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Zeller, Adolf: Das Stuttgarter Lusthaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0227

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437

Das Stuttgarter Lusthaus

438

Rom. L Effulget Domini sapientia summa ereantis,
Omnia cunktipotens noscitur inde Deus.

Der untere Teil biß auf die Mauern ist mit gar lustigen
Landschaften und Jagden, so von Herrn Hertzog Ludwigen
gehalten worden, darinnen mehrenteils Personen nach dem
Leben konterfait gezieret.«

Diese biblischen Bilder waren von keinem geringeren,
als dem Straßburger Meister Wendel Dietterlein gemalt,
der als bedeutender Künstler seiner Zeit von Herzog
Ludwig nach Stuttgart berufen wurde, wo er 1591 sein
bekanntes Werk über die Säulenordnungen »Architecturen
und Austheilung der fünf Seuln, das erst Buch« heraus-
gab. In der Widmung erwähnt Dietterlein, Herzog Ludwig
habe ihn neben andern zur Erbauung (das heißt zur Her-
stellung der inneren Malarbeiten) des neuen Lusthauses
berufen

Am Rande der Decke waren Darstellungen von zwölf
württembergischen größeren Orten gemalt, »als zur rechten
Seite hinab, Stadt Brackenheim, Hohen Aspang, Stadt
Stuttgardt, Stadt Herrenberg, Stadt Tübingen, Stadt Nagold;
zur linken: Stadt Neuenstadt, Stadt Backnang, Stadt Schorn-
dorff, Stadt Kirchheim, Stadt Urach, Stadt Heidenheim«.

»Unterhalb dem Oesims der Bühne« (Decke), heißt es
dann weiter, »sind die Conterfait in Oval Rahmen gehenckt,
der Hoch-fürstl. Räthe und Bedienten an der Zahl 26 auf
jeder Seite. An den beeden Wänden hungen 20 Tafeln
der Förste, wie sie D. Georg Gadner von 1582—99 in
Grund gelegt und mit Farben ausgestrichen«. An den
Giebelseiten die Porträts des Erbauers und seiner Ge-
mahlinnen, sowie die seines Nachfolgers Friedrichs 1. und
seiner Gattin »in Wachs poussirt und mit einem Gläsern
Fenster bedeckt, weil dieser Herr diesen Bau in etwas
renovirt«.

»Uber Hertzog Ludwigs Bild stehet an der Wand:

Vivit in JE......T

Palladis E ES
Heroes CE ACT
O SUM FAMA .... AL2)

Uber Hertzog Friderichs:
Aurea Magnificas Regum pax extruxit aedes
Aedificat quod pax dulcis Concordia servat.«

Darunter war der Künstler J. B. Braun zu Pferde,
samt Buch und Lineal abgebildet3).

Sehr reich war auch die untere Wanddekoration. »Die
Wände (sind) mit einem hohen Gesimß von schönen ge-
furneten (fournierten), künstlich eingelegtem und ge-
masertem Tafel-Werck beschlagen. Die beeden Thüren,
dadurch man (von den oben erwähnten Querhallen aus)
in diesen Saal gerad in der Mitten eingehet und gegen
einander über stehen, sind auswendig mit Herculis in
Stein gehauenen Bildern und seinen Thaten, inwendig mit
einem herrlichen Alabasterne (Stukierten) Gestell von Säulen,
Bildern, Würtembergisch und Pfältzischem Wappen ge-
zieret.« Der Wand entlang liefen unter den Täfelungen
hölzerne Bänke.

Stuttgart stand damals im Zeichen der Feste; Lust-
barkeiten aller Art zogen sich durch die Zeit Herzog
Christophs, Ludwigs und Friedrichs I. bis zum dreißig-
jährigen Kriege hin. Namentlich Hochzeiten und Taufen
waren stets in jeder Familie besonders flott gefeierte Tage;
dazu kamen dann Schaustellungen aus der biblischen Ge-
schichte auf öffentlichen Plätzen, Schulkomödien u. s. w.
So führte der dekannte Dichter Nicodemus Frischlin 1575
vor dem Herzog die Komödie »Rebekka« auf; dazu traten

die Hoffeste wie die theatralischen Aufführungen, die seit
Mai 1597 durch eine umherziehende englische Schauspieler-
gesellschaft in Stuttgart beliebt wurden. Am glänzendsten
waren die Hoffeste, namentlich die fürstlichen Hochzeiten
(Beylager), wobei namentlich die dramatisch-musikalischen
Aufführungen im Lusthause abgehalten wurden. Baumer
gibt uns die Beschreibung eines solchen Festes, der Ver-
mählung Herzog Ludwig Friederichs, September 1618 in
seiner oben zitierten Arbeit1). Auch die »Beschreibung«
erwähnt jüngerer Feste »insonderheit unter voriger hoch
fürstl. Regierung des Herrn Hertzog Eberhard Ludwigs
viele Carnevals, Bauren, Hochzeit usw. und andere Lust-
barkeiten gehalten worden«.

Gleich prächtig wie der obere Saal war das Erd-
geschoß. Zugänglich durch viele Türen, war es zu Zeiten
wohl ein kühler, angenehmer Raum inmitten der sommer-
lichen Bruthitze Stuttgarts. Netzgewölbte Gänge, auf
Säulen ruhend, teilten den Raum in drei Abteilungen, die
von Wasserbassins mit laufenden Brunnen eingenommen
wurden. »Schön gewölbt, mit 27 geströmten Säulen unter-
bauet, so in dreyen Reihen einander nach auf jedes G
stehen am Boden mit großen Blatten Figur weiß beleget
(das heißt mit gemusterten, rot und weißem Steinplatten-
fußboden), auf welchem 3. gevierte Bernn-Cästen mit
hübschen gehauenen Stollen oder Tocken (Balustraden)
eingefaßt, fünffthalb Schuh tieff, und stehet in einem jeg-
lichen in der Mitten eine Saül, aus welcher durch 4 Mössene
Rohr das Wasser in den Casten vor diesem gelauffen,
jetzo aber abgangen.« Herzog Johann Friedrich ließ diese
Brunnen, die von dem Turmreservoir aus einstens gespeist
wurden, wieder abbrechen, da er von der Einwirkung der
Feuchtigkeit Schäden für den Bau befürchtete2).

Die zahlreichen Architekturstücke dieser Halle, Kapi-
taler, Schlußsteine u. s. w. gewährten willkommene Gelegen-
heit zur bildhauerischen Zier; so waren »an diesem Gewölb
die Wappen der Stadt, Ämter und Clöster in Stein gehauen
und mit ihren rechten Farben bezeichnet«.

Weitaus am reichsten war der oben genannte Aufgang
geziert, dessen Doppeltreppen durch Kreuzgewölbe ge-
tragen wurden, die ihrerseits auf reich geschmückten Kon-
solen als Anfängern ruhten (vergl. die Photographien).
Ebenso waren innerhalb des Erdgeschoßganges alle Wand-
konsolen der Gurtbogen reich dekoriert. »Man siehet des
Bauherrn, seiner beeden Gemahlinen und 62 in Stein ge-
hauene Brustbilder nach dem Leben, wie sie in ver-
schiedenen Stammbäumen vorzeichnet seynd, mit ihren
Wappen und Rahmen aufgestellt, und stehet der Bauherr
vomher gegen Mittag, zwischen seinen Gemahlinen, Frauen
Ursula gebohrener Pfaltzgräfin bey Rhein zur Rechten, mit
nachfolgender vätterlichen Linie; zur Linken, Frau Doro-
thea Ursula, gebohrne Markgräfin zu Baden und Hochberg,
mit seiner Mütterlichen Linie.« Die Brustbilder saßen auf
reich behandelten Konsolen, die die heraldisch bemalten
Wappen ihrer Figuren und Schrifttafeln aus Solenhofer
Marmor trugen; die Schrift war gerizt und reich ornamen-
tiert. Einige dieser hervorragenden Arbeiten wurden nach
dem Abbruche in das Schloß Lichtenstein überführt.

Auch die beiden Giebelseiten trugen reichen plastischen
Schmuck. Über der Höhe des als Gurtgesims durch-
geführten Kranzgesimses der Langseiten stiegen im Giebel-
dreieck verkröpfte Pilaster auf, die dieses in drei große
Felder teilten. Drei Fenster, ein mittleres rundes und
zwei seitliche ovale beleuchteten den inneren Saal; während
das darüber sitzende Wandstück, wiederum durch Pilaster

1) Lübke, S. 168.

2) Nur in Bruchstücken lesbar.

3) Pfaff I, S. 50, Anm. 39.

1) Weiteres darüber siehe auch Pfaff I, S. 112ff; I,
S. 222 u. s. w.

2) Pfaff I, S. 49.
 
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