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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Schubring, Paul: Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0250

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Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf

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Vielleicht ist aber gerade aus dieser Verbindung die
Größe dieser Veilchenmadonna zu erklären, die —
von ihrer Eigenart abgesehen — sich qualitativ neben
dem Besten des Flemallemeisters sehen lassen kann.
Dessen heimliches Wirken spürte man allerorten;
namentlich auch Konrad Witz muß ihm Entscheiden-
des zu danken haben. Von den Kölner Quattro-
centisten in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts war
der Meister des Marienlebens durch sechs Bilder, am
besten durch den Altar der Frau Dr. Virnich (Bonn),
vertreten; man hätte trotzdem gewünscht, die von
Nikolaus Cusanus gestiftete große Tafel aus Cues
auch hier zu sehen. Der Meister der Lyversbergschen
Passion fehlte; dagegen war der Anonymus des Bar-
tholomäusaltars und der Severinmeister breit aus-
gestellt, ebenso der Sippenmeister, dem freilich
manches zugewiesen war, was sich zu widersprechen
schien. Der Meister der Glorifikation Mariä war
durch zwei Bilder, beide einst in kölnischem Privat-
besitz, jetzt in Aachen und Worms, gut repräsentiert.

Für die Forschung war die altwestfälische Gruppe
(34 Nummern vom 13. bis ins 16. Jahrhundert
reichend) wichtiger als die 83 Kölner Bilder, die sich
auf die Zeit 1330—1520 verteilten. Leider war zu
Pfingsten das Hauptstück der frühesten westfälischen
Kunst, ein thronender Nikolaus mit den drei der
Schande entrissenen Töchtern des Konsuls, Klerikern
und Stiftern, von Meister Konrad von Soest um 1402
gemalt, noch nicht angekommen. Dagegen war die
Eigenart des Liesborner Meisters und seiner Schule
(namentlich in Nr. 118 aus der Höhenkirche in Soest),
vor allem aber die Bedeutung der Brüder Viktor und
Heinrich Dünwegge eingehend zu kontrollieren. Acht
große Bilder der Dünwegge, darunter der von beiden
gemeinsam ausgeführte große Altar aus Dortmund,
boten die Handhabe, diesen temperamentvollen, wenn
auch bisweilen geistlosen Westfalen näher zu kommen
und vielleicht den Anteil der Brüder zu scheiden.
Bei diesem Bemühen ergaben sich aber statt der ge-
suchten vier sechs Hände; denn die Tafeln 121 und
122 ließen sich koloristisch mit den anderen Bildern
nicht vereinigen. Am bedeutendsten, auch inhaltlich
besonders reizvoll, erschien mir das Gerichtsbild:
Eidesleistung vor dem Schöffengericht, das sich gegen
alle Salomo- und Traianbilder der Altniederländer
charakteristisch abhebt. Das um 1520 für die Weseler
Ratsstube gemalte Bild verzichtet auf alle Historie
und Symbolik und führt uns mitten in die Tätigkeit
westfälischer Gerichtsbarkeit. Man glaubt dies Bild
dem älteren Bruder zuschreiben zu sollen. Der Kappen-
berger Altar wäre dann Eigentum des Heinrich Dün-
wegge. — Wie die altkölnische Schule in der Por-
trätistenfamilie der Bruyn ihren Abschluß findet, so
endet die westfälische bei den Bildnismalern to Ring
(Ludger d. ä. und j. und Herrmann). Hier wie dort
ist es nicht eine Porträtkunst, die Zukunft hätte haben
können; hier wie dort bezeichnet sie mehr den Ab-
schluß vergangener, als den Anbruch neuer Tage.
Aber die Gegenüberstellung dieser Kölner und Münsterer
Porträts war äußerst lehrreich: In der Kunstübung
des rheinischen Capua ist alles weich, harmonisch,

reichlich staffiert und innerlich leer; beim Westfalen
dagegen geistlose Nüchternheit, verbunden mit scharfer
Charakteristik und lebendiger Detailfreude.

Die niederrheinische Schule, die in Orsoy, Rees, Cleve,
Xanten, Calcar geblüht hat, darf als Konkurrent der
Kölner und westfälischen Gruppe, ja als markante
Gruppe gelten, wenn man den Holländer Jan Joest
von Haarlem, der 1505—1508 für den Schnitzaltar
der Nikolaikirche in Calcar die Flügel malte, in diese
Schule einrechnen will. Diese Flügel, mit 18 evan-
gelischen Szenen, die ich mit vielen anderen hier
zum erstenmal sah, stehen in ihrem Realismus, ihren
Beleuchtungseffekten, ihrer einheitlichen Farben-
stimmung und landschaftlichen Entwickelung weit
über allem, was Köln damals (um 1500) anzubieten
hat. Freilich melden sich hier schon die ersten
Liebhabereien der romanistischen Schule. Das Wesen-
donksche Bild des Pfingstfestes gab der Katalog auf
Scheiblers Vorschlag demselben Meister, wogegen
mancher Widerspruch laut wurde. Im allgemeinen
ist der Katalag, welchen Dr. Firmenich-Richartz in
Bonn verfaßt hat, der auch die erste Liste der
wünschenswerten Bilder aufstellte, sehr zu loben. In
den Zitaten ist bisweilen eine kleine Gereiztheit Berlin
gegenüber zu spüren. Bei den Bildern des 17. Jahr-
hunderts ist er allzu knapp; im übrigen konnten die
Beschreibungen bisweilen kürzer sein. Sehr dankens-
wert ist der Nachweis der Provenienz, der überall,
wo es möglich war, nachgewiesen wurde.

In der mittelrheinischen und oberdeutschen Gruppe
gab es so hervorragende Meisterwerke wie die schon
erwähnten Bilder des Konrad Witz (Katharina und
Barbara) und Martin Schongauers (Madonna); außer-
dem aber noch mehr als eine Überraschung. So
stellte sich ein Jünglingsbildnis aus der Sammlung
des Großherzogs von Hessen als ein echter Dürer
heraus, der in den neunziger Jahren gemalt sein muß
und Ähnlichkeiten mit dem Münchener Oswalt Krell
zeigt. Dagegen dürfte das, von Thode einst eben-
falls Dürer zugeschriebene Porträt der Sammlung
Holzhausen-Frankfurt eher Hans Baidung Grien ge-
hören, wie schon F. Hark vermutete. Altdorfer,
Cranach, Beham, der Meßkircher Meister, G. Pencz
waren vertreten; vor allem aber trat der Meister von
1480 (Hausbuch, Amsterdamer Kabinett) mit sieben
großen Tafeln als interessante individuelle Persönlich-
keit hervor. Das erst kürzlich von Aachen nach
Dresden verkaufte Bild der Beweinung Christi, noch
mehr der Freiburger Altar, ließen diesen mittel-
rheinischen, durch Schongauer beeinflußten, zwischen
1466 und 1505 tätigen Meister als das Haupt der
damaligen Frankfurt-Mainzer Schule erscheinen; der
aus seinen Zeichnungen und Stichen bekannte höfische
Grundton klang in dem »Liebespaar« aus Gotha
wieder zierlich, wenn auch etwas manieriert durch.
Holbein war nur in einer Wiederholung des Porträts
von Thomas Morus (1527, Original in London bei
Huth; eine andere Wiederholung im Prado) und nicht
so vertreten, wie man es in dieser Umgebung wünschen
mußte.

Der Besitz der Gegenwart an altniederländischen
 
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