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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Peltzer, A.: Heidelberger Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0254

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Heidelberger Brief

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Vorbild diente. Die Früchte nämlich des üppigen
Kranzes sind kopiert und zum Schmuck eines Schluß-
steines an einem der Netzgewölbe oben verwendet
worden; in greller bunter Bemalung ein paar Äpfel,
Birnen und Trauben da oben hängend, gewissen
modernen Erzeugnissen in bemaltem Marmor der
Florentiner Fremdenindustrie ähnelnd, nur schlechter.
— Schon außen wird man auf die Pracht dieses
Kapelleninneren vorbereitet: auch an den Außenseiten
der Portale sind Farben, Gold und Silber nicht ge-
schont worden. Die Haupttüre, die zum Schloßhof
hinausführt, ist pechrabenschwarz angemalt, mit dunkel-
grünlichem Mittelfeld und grell sich in Vergoldung
davon abhebenden, stark in Holzrelief hergestellten
Dekorationen, darüber als Füllung ein reiches schmiede-
eisernes Gitter in verschiedenen Farben. Die kleinere
Türe im Durchgang zum Schloßaltar zeigt Blau und
Silber mit goldenem Klopfer und Drücker. So ist
auch der zarte maurische Zusammenklang des roten
Sandsteins mit dem Grün der auf dem Schloßhof
gedeihenden Vegetation gestört worden, der sonst
einzig das Auge erfüllte.

Steigen wir dann aber zu den beiden oberen
Stockwerken, so entfaltet sich uns dort in den »Wohn-
räumen« der ganze Prunk. Hier hängen jene Bilder,
steht die Sammlung von Öfen und Kaminen, und
hier hat sich die gekennzeichnete Dekorationslust aus-
gelebt. Den Gemächern der mittleren Etage hat man
wenigstens bloß einfach getünchte Wände, schlichte
Fußböden und nicht allzu reich gestaltete Kassetten-
decken als Umgebung für die mächtigen Kamine oder
Kachelöfen gegeben; in denen der obersten aber
glänzen kostspielige Seidendamasttapeten, buntfarbig
eingelegte, Marmorarbeiten imitierende Fußböden, un-
glaublich überladene Stuckdecken mit vielfachen und
vielfarbigen Reliefdekorationen, zum Teil mit allegori-
schen Figuren, ja in einem Raum mit großen plasti-
schen Darstellungen des heiligen Georg und der
Szene der Ermordung des Holofernes von geradezu
schülerhafter Ausführung. — Überall gibt es die
prächtigsten Türen mit Holzskulpturen und einge-
legten Arbeiten aus wertvollen Hölzern; wieder eine
ganze Sammlung von Punkstücken, übrigens meist
an sich vorzüglich gearbeitet. Überhaupt hat man
den Eindruck, daß im rein Handwerklichen hier das
Allerbeste von tüchtigen Meistern geleistet worden ist;
woraus man dann den Trost schöpfen mag, daß
auch in unserer Zeit ein wackeres Können noch vor-
handen ist, welches zu solchen Aufgaben gedingt
und nach solchen Plänen zu arbeiten veranlaßt zu
sehen man allerdings darum nur um so betrübender
finden wird.

In den Korridoren gibt es Bilder zu sehen, Hirsch-
geweihe und natürlich, nach altgewohnter Restaura-
torenart, in die Fensterscheiben eingesetzt die ganze
Reihe buntgemalter Wappen alter pfälzischer Städte.
An der einen Schmalwand des unteren Ganges aber
sieht man in Stuckrelief einen Hirsch mit aufgesetztem
natürlichen Geweih, in Lebensgröße aber steifster Un-
lebendigkeit modelliert. Von ähnlicher Kunst- und
Stillosigkeit sind alle die biblischen Figuren, welche

auf die Seitenwände der Fensternischen desselben
Flures gemalt sind. Im oberen Korridor entdeckt
man als Hauptschmuck der bunten Decke in Stuck-
reliefs Wiederholungen von Wappen früherer pfälzi-
scher Kurfürsten und ihrer Gemahlinnen, wie sie an
anderen Bauten des Schlosses angebracht zu sehen
sind, so daß es also den Anschein hat, als ob
Friedrich IV. und seine Werkmeister sich auch schon
aufs Kopieren verlegt hätten.

Und was ist mit den wenigen Originalkunstwerken
geschehen, die der Friedrichsbau noch besessen hat?
Im ersten Stockwerk war ein prächtiges Korridor-
portal erhalten mit reichem plastischen Schmuck, be-
sonders anziehend durch zwei hübsche trompeten-
blasende Puttengestalten, auf dem Gebälk stehend.
Um dasselbe dem funkelnagelneu glänzenden Ensemble
des übrigen anzupassen, hat man es auch dick mit
Farben überstrichen. Der Reiz des Originals ist
diesem köstlichen Werk völlig genommen. Unein-
geweihte werden es jetzt auch für eine der vielen
Imitationen, die sich ringsum dem Auge aufdrängen,
halten. — Wie man das Äußere des Baues herge-
richtet hat, ist schon seit einiger Zeit allgemein be-
kannt geworden. Was ist aber aus den Statuen ge-
worden, welche ehemals die Fassade schmückten,
allen den alten Kurfürsten und ihren sagenhaften
Ahnherren, die da, teils mit zerschossenem Rumpfe,
teils noch tapfer aufrecht sich haltend, mehr fast wie
alles andere Symbole der Schicksale des Schlosses und
seiner Geschichte gewesen waren? An ihrer Stelle
füllen jetzt die Nischen hellschimmernde, glatte Kopien.
Bei dem »glänzenden« Eindruck des hergerichteten
Ganzen wurden sie mit ihrem verwitterten, so beredt
beschädigten Aussehen offenbar für störend erachtet.
Man hat sie nicht von neuem verankert und im
übrigen verwittern lassen. Generationen hätten sich
vielleicht noch an ihnen erfreuen können; — ja,
wenn auch nur eine bloß: es wäre besser wie jetzt,
wo eigentlich kein Mensch mehr etwas von ihnen
hat. Sie haben nämlich in einen viel zu kleinen
Raum des Ruprechtbaues wandern und sich dort
dichtgedrängt in einer Masse in Reih und Glied
hintereinander aufstellen müssen, derart, daß jetzt der
Beschauer dicht vor ihnen steht und nur erschrickt
vor ihrer Plumpheit und der Disproportionalität ihrer
Körperteile mit den zu kurzen Beinen. Für die Unten-
sicht und die Wirkung von der Höhe herab berechnet,
können sie einzig und allein von ihrem alten Stand-
ort irgend welchen Eindruck machen und waren sie
dort — in ihrer Art treffliche Bildwerke, die sie
sind — ja in der Tat von vorzüglicher Wirkung.
Nur die trefflich gearbeiteten Köpfe kann man jetzt
etwas genauer betrachten, das heißt soweit sie nicht
in die hinteren Reihen dieser kleinen Truppe gesteckt
worden und von den vorderen verdeckt sind. Ihnen
schließt sich eine zweite Truppe von Statuen, ebenso
rekrutenmäßig in demselben Raum aufgestellt, an: die
heruntergenommenen und auch schon durch Kopien
ersetzten Figuren des Otto-Heinrichsbaues! Schon ist
die erste Hand auch an dieses Kleinod gelegt worden!

Die Herrschaft der Kopien und der Imitationen
 
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