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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0260

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Nekrologe — Ausgrabungen und Funde

504

der Besprechung dieser Mittel so sicher, daß er wohl ge-
rade deshalb auf jede Illustrierung seines Buches verzichtet
hat. In diesem Talent, eine Fülle plastischer Bilder in
uns zu erwecken, die in kaleidoskopischer Mannigfaltigkeit
abwechseln, und in der bilderreichen Sprache wetteifert der
Verfasser mit Karl Justi. Indem er von Kunstwerken spricht,
schafft er selbst ein Kunstwerk, und bietet dadurch einen
ganz eigenen Genuß, ohne seinen Künstler je aus den
Augen zu lassen oder ihm Gewalt anzutun. Wenn Vischer
wiederholt betont, daß er nur als Laie spricht, da er kein
Maler sei, so ist dies wohl übermäßige Bescheidenheit,
da sein Buch fast auf jeder Seite beweist, daß die Berech-
tigung überhaupt mitzusprechen, doch nicht nur Künstler
haben. Ja, gerade über die Technik von Rubens ergeht
er sich am allerausführlichsten, und darin werden auch
Männer der »Zunft«, die den alten Meister mit Liebe und
Verständnis studiert haben, manches Neue und Originelle
finden. w. B. .

W. Stieda, Die Anfänge der Porzdianfabrikation auf dem
Thüringer Walde. Volkswirtschaftlich-historische Studien.
Gustav Fischer, Jena. 1902.
Stieda hat mit diesem Buch sich entschieden ein großes
Verdienst erworben; denn kein Gebiet des deutschen Por-
zellans des 18. Jahrhunderts gab es bisher, auf dem so die
positive Kenntnis mangelte, wie gerade das jener vielen
kleinen Fabriken, die der Holzreichtum des Thüringer
Waldes damals an sich gelockt und bis auf unsere Tage
dort dauernd gefesselt hat, indem dort schließlich aus
kleinen, an sich unbedeutenden Anfängen eine große,
achtunggebietende Industrie sich entwickelt hat. Freilich
was Stieda hier geleistet hat, kann nur als ein Teil der
kunstgeschichtlichen Aufgabe gelten, und als der bei weitem
leichtere: weit schwieriger als die Beschaffung des urkund-
lichen Materials ist die Feststellung dessen, was hier von
den einzelnen Fabriken wirklich geschaffen worden ist.
Das wird hoffentlich gründlich die Ausstellung von
Thüringer Porzellanen nachholen, die das Leipziger Kunst-
gewerbemuseum für dieses Jahr geplant hat. Im übrigen
erfreut die Arbeit durch Gründlichkeit und Reichtum. Sie
wird die Grundlage bleiben für die Erforschung dieser
Fabriken, wie wir sie leider bisher für so viele deutsche
Porzellanfabriken, darunter leider auch für die Meißener,
noch nicht besitzen. Freilich eine Lehre gewinnt man auch
wieder aus dieser Arbeit, auf die man nicht kräftig genug
hinweisen kann: nämlich daß, wer sich wissenschaftlich
mit der Keramik beschäftigt, sich zunächst auch ernstlich
mit ihrer allgemeinen Geschichte, vor allem aber der
Technik befassen muß. Manche Behauptungen würden
dann wohl auch in diesem Buch anders ausgefallen sein.

E. z.

NEKROLOGE
Der große englische Maler, George Frederick Watts,
eine der Zierden der gegenwärtigen europäischen Malerei
und der besondere Stolz seines Vaterlandes, ist am 1. Juli
im Alter von fast 87 Jahren auf seinem Landsitze bei London
entschlafen. — Sein Lebensbild soll hier noch gezeichnet
werden.

AUSGRABUNGEN UND FUNDE
Uber das Tonrelief der Auferstehung Christi von
Verrocchio, über dessen Auffindung in der Mediceervilla
Castelli vor Florenz wir in einer der vorigen Nummern
berichteten (siehe auch unsere Florentiner Korrespondenz
in der Nr. 25), erfahren wir weiter, daß es sich in der Tat

um ein echtes, interessantes Werk des Verrocchio handelt.
Auch ist das Stück bereits in einer Fachzeitschrift, in der
»Rassegna d'arte« von Conte Gamba ausführlich besprochen
worden. Typen wie Gewandung sind durchaus charak-
teristisch für den Meister und weisen offenbar auf dessen
frühere Zeit. Der Auferstehende gleicht dem Christus in der
Thomasgruppe, ist aber noch weit herber und einfacher,
aber unruhiger in den Falten. Vermutlich glich ihm der
Christus im Modell dieser Gruppe, das ja schon in seiner
Jugend entstand. Sehr wertvoll für die Kenntnis des
Meisters ist der Umstand, daß der schlafende Krieger vorn
in der Mitte unter dem Grabe im Typus wie in der reichen
Rüstung fast genau dem Erzengel links auf dem vielbe-
strittenen Tobiasbilde der Akademie in Florenz gleicht, das
früher als Sandro galt und durch Bayersdorffer zuerst als
Verrocchio bestimmt worden ist. Durch jene Überein-
stimmung ist somit das schöne Bild jetzt als Jugendwerk
des Künstlers gesichert.^ b.

Ausgrabungen in Ägypten. Wir geben im folgenden
einen Bericht über die letztjährige Ausgrabungstätigkeit im
Nillande und zwar unter Benutzung eines Resumes, das
Professor Sayce in der »Society of Biblical Archaeology«
am 8. Juni vorgetragen hat und eines ausführlichen Auf-
satzes in der amerikanischen archäologischen Monatsschrift
»Biblia« vom April 1904.

Die Untersuchung der Gräber von Naga ad-Der gegen-
über von Girga, wo Tausende von Gräbern, von den prä-
historischen an bis zu solchen aus der XII. Dynastie, ge-
öffnet wurden, hat wichtige historische und ethnologische
Resultate gezeitigt. Dr. G. Elliott Smith hat die physischen
Qualitäten der daselbst jahrtausendelang an gleichen Be-
gräbnisstätten beigesetzten Ägypter genau studieren können
und ist zu dem Schluss gekommen, daß die in den Gräbern
von Naga ad-Der repräsentierte ägyptische Rasse von der
prähistorischen Zeit an bis zur XII. Dynastie ein und
dieselbe war. Die anatomische Untersuchung bestätigte
somit die aus den Gräbern gewonnenen gleichen archäo-
logischen Schlüsse. Dr. Smith hat auch aus Skeletten
der späteren Zeit sowie solcher der modernen Kopten die
Kontinuität der Rasse bis auf den heutigen Tag konstatiert.
— Diese für die Universität von California durch die
Liberalität der Mrs. Hearst gemachten Ausgrabungen
und Untersuchungen sind nunmehr abgeschlossen. Prof.
Reisner, der Leiter der California-Expedition, hat dann in
dem Tal nördlich von dem großen Friedhofe im Westen
der großen Gizeh-Pyramide ungefähr 70 Mastabas und
andere Gräber der IV. Dynastie bloßgelegt und acht, dar-
unter einige vorzügliche Statuen, entdeckt. Die Spuren
von Gräbern aus noch früherer Zeit wurden gefunden und
auch solche späterer Dynastien warten noch der Eröffnung.
Die Korridore der ca. 70 Mastabas aus der IV. Dynastie waren
mit dünnen Stuckreliefs, die teilweise noch ihre Farbe be-
saßen, bedeckt.

Zu Abusir, zwischen den Pyramiden von Gizeh und
Sakkarah, hat Dr. Borchardt seine Ausgrabungen für die
deutsche Orientgesellschaft an der Pyramide des Ne-woser-
re der V. Dynastie fortgesetzt. Er hat die Fundamente
des zu der Pyramide gehörigen Tempels mit seinem ge-
pflasterten Hof, seiner großen Halle und den Vorratsräumen
aufgedeckt. Der Zugang zu dem Tempel von der Ebene
aus geschah durch eine breite Straße mit trefflicher Mauer-
arbeit, zu ihr führte eine überwölbte Passage. Wer also
zu dem Tempel ging oder ihn verließ, war von der wirk-
lich schönen Aussicht über die Wüste und die grüne Ebene
nach den Hügeln der anderen Seite hin abgeschlossen.
Die Reliefs am unteren Teil der Passage, welche den
König und seine Feinde in ungewöhnlicher Weise dar-
stellen, sind teilweise noch in situ. Die Tempelstraße be-
 
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