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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 9.1898

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Leisching, Julius: Das Grabmal, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4886#0017
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DAS GRABMAL

werk mit dem nicht bloss alle Wände des
Schiffs und Chores, sondern auch die Felder des
hohen Dachs übersponnen sind, den Durchblick
auf etwas darunter Befindliches gestatten sollte.
Vielleicht diente das Grabmal des Kirchenstifters
einst als heiliges Grab derart, dass man ein
Schnitzwerk, den Leichnam Christi vorstellend,
darauf gelegt und den köstlichen Schrein dar-
über gestellt hat, so dass jener darunter sicht-
bar blieb wie bei dem vorerwähnten Kenzer
Grabmal.

Hausartige Holzgerüste über Gräbern sollen
sich noch in grösserer Zahl in dem ostfrie-
sischen Dorfe Völlen bei Papenburg befinden;
ein ähnliches Haus, jedoch aus Eisen, in Nieder-
bayern, im Dorfe Haindling bei Geiselhöring.

Dieses eiserne Gerüst aber erinnert an die
mittelalterliche Sitte, die Grabmäler an Gedenk-
tagen des Verstorbenen mit kostbaren Teppichen
zu behängen. Es wurden zu diesem Zweck und
zum Aufstecken von Lichtern Gerüste aus
Schmiedeeisen um und über das Epitaphium er-
baut, die vergittert und damit vermutlich bestimmt
waren, das Grabmal auch gegen Beschädigungen
zu wahren. (Vgl. A. Schulz, das höfische Leben.)
Ein derartiges Eisengestell für Teppiche hat sich
in gutem Zustand am Grabmal des Bischofs
Przeczlaus von Pogarell (f 1376) im Breslauer
Dom erhalten. In den bescheidenen Grabanlagen
dörflicher Friedhöfe wird man sich, falls die
Gerüste dort denselben doppelten Zweck verfolg-
ten, an den Erinnerungstagen mit daraufgelegten
Bahrtüchern und Blumengewinden begnügt haben.

Die künstlerische Verkörperung derselben
Absicht des Schutzes und bleibenden Schmuckes
ist der Baldachin, mit dem manche Tumba
überdacht wurde. Die Verwandtschaft mit dem
Ciborienaltar wird dadurch um so deutlicher.
Thatsächlich nimmt ja die Tumba in der goti-
schen Periode die Altarform an.

Das Baldachingrabmal, als dessen schönstes
Beispiel das Sebaldusgrab von Peter Vischer
betrachtet werden kann, scheint sich aus dem
Wandgrab entwickelt zu haben, weshalb wir
dieses hier zunächst betrachten wollen. Das
Wandgrab seinerseits mag aus den oben er-
wähnten Bogengräbern der Katakomben hervor-
gegangen sein. Auf italienischem wie deutschem
Boden erhielten sich Wandgräber, auf letzterem
noch mit dem romanischen Rundbogen, so im
Dom zu Trier aus dem 13. Jahrhundert. Hier
wird der reich skulptirte Bogen der Nische von
Doppelsäulen getragen, die auf Tierkörpern
ruhen. (Schluss folgt.)

Entwurf zu einem Glasfenster in farbigem Opalescentglas von Maler Hans
Chiustiansen, Paris.
 
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