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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 9.1898

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Borrmann, Richard: Moderne Keramik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4886#0171
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Kopfleiste, Ornament aus Schwertlilien, gezeichnet von Architekt C. Wolbrandt, Hamburg.

MODERNE KERAMIK

DIE Bestrebungen der letzten Jahre haben wie
auf allen Gebieten kunstgewerblichen Schaffens
so auch auf dem der Keramik zu einem Um-
schwung geführt, der einen völligen Bruch mit allem
bedeutet, was Schule und Überlieferung an die Hand
geben. In der ersten Zeit der modernen kunstgewerb-
lichen Regeneration, um die Mitte dieses Jahrhunderts,
wurde das Kunsthandwerk geleitet von den Anschau-
ungen und Lehren unserer kunstgewerblichen Bildungs-
stätten, den Museen und den damit verbundenen Lehr-
anstalten. Diesen stand als nächstes Ziel vor Augen,
die Kunstpraxis der vergangenen Jahrhunderte wieder-
zugewinnen. Dieses Ziel haben sie — und niemand
soll ihnen dieses Lob verkümmern — zum grossen
Teile erreicht; in der Kunsttöpferei war das gewiss
nicht gering anzuschlagende Ergebnis ihrer Be-
mühungen die Wiederbelebung der Fayence. Freilich
führten diese Bemühungen zunächst nur zu oft dazu,
das Alte nachzubilden; man fabrizierte orientalische
Fayencen, italienische Majoliken, Palissy- und Henri
II.-Arbeiten, deutsches Steinzeug, kurz alle Haupt-
typen der geschichtlichen Keramik, wie sie unsere
Museen und Sammlungen darboten; man kopierte und
war froh der Anerkennung für stilgerechte Nach-
bildung. Es war die Lehrzeit der modernen Keramik,
aber ihr hat sie es zu verdanken, wenn sie heute
eine hohe Stufe künstlerischen wie technischen Könnens
erreicht und die Wege zu neuen, von den historischen
Stilarten unabhängigen Versuchen gefunden hat. Die
Anregungen dazu gingen nicht von neuen praktischen
Aufgaben aus — im Gegenteil diese fehlten —, sie
sind nur im Zusammenhange mit der gesamten, auf
einem stärkeren malerischen Empfinden beruhenden
impressionistischen Richtung zu verstehen, die unser
modernes Kunstschaffen in allen seinen Zweigen durch-
dringt. Es liegt im Wesen dieser Richtung, dass sie

— und dies gilt ausser für die Kunsttöpferei im be-
sonderen Masse auch für die neuere Glasfabrikation

— weniger die Bildsamkeit des Materials als seine
Fähigkeit, vielfarbige Verzierungen anzunehmen, in
den Vordergrund stellt. Bezeichnend ist ferner, dass

der Anstoss zum neuen zu nicht geringem Teile nicht
von fachmännischer Seite, sondern von Künstlern, von
Chemikern, ja von Dilettanten erfolgt ist; vor allen
sind es die Maler, welche die Farbenempfänglichkeit
des Materials immer wieder zur Töpferei hinzieht.
Dies giebt der neuen Richtung von vornherein ihr be-
sonderes Gepräge. Sie ist auf dem Wege, eine Liebhaber-
kunst zu werden, die nicht für den Hausrat, sondern
für den künstlerischen Bedarf berechnet ist, und leicht
Gefahr läuft, darüber die praktische Bestimmung und
Verwertbarkeit des Geräts aus den Augen zu ver-
lieren. Ihre Erzeugnisse sind gewissermassen Selbst-
zweck, wollen als selbständige Kunstwerke genommen
und beurteilt werden. Das hat die Kritik herausge-
fordert, die man ja von verschiedenen Standpunkten
aus fällen kann, vom künstlerischen wie vom technischen
oder vom Standpunkte der Zweckdienlichkeit aus.
Man vergesse aber nicht, dass diesen Erzeugnissen ein
weites Feld offen steht, wenn sie auch nur berufen
wären, den Wust schlechter Japanwaren, oder der billigen
und geschmacklosen Nachbildungen von Fayencen und
Porzellanen abzulösen, der heutzutage die Schaufenster
unserer keramischen Geschäfte füllt und Käufer
findet. Wir glauben deshalb, dass man der neuen
Richtung nicht gleich mit einer Kritik zu Leibe gehen
sollte, welche bereits angstvoll den Standpunkt der
praktischen Hausfrau gegen manche Übertreibungen
und Unvollkommenheiten zu Hilfe ruft. Es ist eine
künstlerische Revolution von oben, die sich hier voll-
zieht, man warte ihre Ergebnisse ab und suche sie
vorerst als eine geschichtliche Erscheinung im Kunst-
leben unserer Zeit nach ihren Vorgängen und Zielen
zu verstehen. Wo liegen aber ihre Vorgänge und die
Anregungen, die ihr die Wege gewiesen haben? Sie
liegen in dem stillen, nachhaltigen Einfluss, den seit
etwa zwei Jahrzehnten die Kunst Chinas und Japans
auf unseren Kunstgeschmack gewonnen hat. Dieser
Einfluss nun tritt auf keinem Gebiete greifbarer in
Erscheinung als auf dem der Kunsttöpferei.

In Japan haben sich zuerst hervorragende Künstler
ganz der Töpferei gewidmet und bei ihren Arbeiten
 
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