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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 9.1898

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Hofmann, Albert: Zur Kunst der modernen Warenhäuser
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https://doi.org/10.11588/diglit.4886#0111
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Kopfleiste, gezeichnet von Maler H. Meyer-Cassel, Starnberg.

ZUR KUNST DER MODERNEN WARENHÄUSER

Berlin.

M letzten Viertel des vergange-
nen Jahres ist in der Leipziger
Strasse in Berlin ein neues,
nach den Entwürfen des Archi-
tekten Professor Alfred Messet
errichtetes Warenhaus seiner
Bestimmung übergeben wor-
den, welches künstlerisch, tech-
nisch und kommerziell nicht
geringeres Aufsehen erregte,
als seinerzeit bei seiner Eröff-
nung das inzwischen berühmt
gewordene, von Paul Sedille
errichtete Warenhaus „le
Printemps" an der Ecke der
Rue de Hävre, in der Nähe
der grossen Oper in Paris. Und woher kommt das?
Beide Warenhäuser brachen, jedes in seiner Art, mit
einer seit langem überlieferten Tradition und suchten
die Bestimmung des Gebäudes als eines Kaufhauses
mit einem alle seine weiten Räume durchflutenden
Verkehr in einer, man möchte sagen, realistischen
Weise zur künstlerischen Erscheinung zu bringen. Als
ein Bau aus Stein, Eisen und Glas, stark im Stein,
graziös im Eisen, reich in der zu Tage tretenden viel-
fachen Verwendung des Goldes, die grossen, breiten
Öffnungen den vollen Lichtfluten zur Einkehr dar-
bietend, erhebt sich der Printemps, ein glänzendes Bild
einer ins Künstlerische übersetzten kaufmännischen
Reklame, eine wertvolle Bereicherung des Strassenbildes.
Als ein Bau aus Stein, Erz und Glas, stark im spar-
samen Gefüge des Granites, ernst im Schmuck des
Erzes, lichtdurchflossen durch die mächtigen Fenster-
öffnungen, erhebt sich das Kaufhaus Wertheim, eine

nicht minder wertvolle Bereicherung des Berliner
Strassenbildes mit seinem bewegten Leben. In kaum
einjähriger Bauzeit ist es dem Boden entstiegen,
weniger lange dürften die vorbereitenden Entwurfs-
arbeiten gedauert haben. Die ungeheure Schnelligkeit
in den Wandlungen unseres modernen wirtschaft-
lichen Lebens und die daraus entspringenden künst-
lerischen Ergebnisse kommen an dem interessanten
Werke mit überraschender Treue zum Ausdruck.

Die künstlerische Natur Messel's ist unzweifel-
haft vorwiegend konservativ, beschaulich, rückwärts-
schauend, dem guten Alten augenscheinlich mehr zu-
gethan, als dem mit der Rücksichtslosigkeit des Kampfes
ums Dasein sich äussernden Neuen. Gleichwohl ver-
schliesst er sich dem letzteren nicht, sondern nimmt
es dankbar auf und sucht es mit den in seiner Seele
heimischen Regungen zu verarbeiten, so gut wie es
gehen will. Diesen seelischen Prozess zeigt das Kauf-
haus Wertheim in einer ungemein anziehenden Weise
und zwar um so unmittelbarer, je schneller es ent-
standen ist und je weniger Zeit gegeben war, wider-
streitende Gefühle zu ausgleichender und sich gegen-
seitig abwägender Wirkung zu bringen. Kann man
es deshalb im Sinne einer harmonischen, bis ins
einzelne gehenden Ausreifung des grossen Werkes be-
dauern, dass die Zeit zu seiner Herstellung eine nur
sehr kurze war, so erschliesst uns dieser Umstand
anderseits doch eine Fülle intimer Züge der künst-
lerischen Seelenthätigkeit des Urhebers des Werkes.

Aber diese Blätter stellen dem Mitarbeiter nicht die
Aufgabe, auf den architektonischen Teil des Gebäudes
und die Erwägungen, die für seine Gestaltung mass-
gebend waren, einzugehen, so verlockend dies auch
wäre, sondern ihr Arbeitsgebiet beschränkt sich auf

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