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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 9.1898

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Hagen, L.: Die Nadelkünste und das Kunstgewerbe
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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4886#0160
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DIE NADELKÜNSTE UND DAS KUNSTGEWERBE

wird viel Unfug getrieben. Man meint, mit den
Gegnern wetteifern zu müssen, recht naturgetreu sein
zu sollen u. dgl. m. Dass die Naturtreue auch Respekt
vor den Gesetzen der Optik und anderen physika-
lischen Erscheinungen erfordert, dass die Natur auch
einen Habitus, einen Typus und noch manches andere
kennt, dass Schattirungen auf einer gestickten Fläche
immer nur als Modulation der Zeichnung auftreten
dürfen, dass Neutraltöne darin ein Unding sind und
hunderterlei ähnliche Dinge, ahnt kaum eine moderne
Stickerin aus tausend. Es ist keine unbillige Forderung,
wenn man verlangt, dass wenigstens die Frauen, die
den Anspruch erheben, für gebildet zu gelten, sich
um diese Fragen bekümmern. Gewiss hat die Theorie
auf diesem Gebiete ihre Gefahren, ganz besonders in
den Händen von Frauen. Alle Frauen sind geneigt,
aus einer Theorie ein Unfehlbarkeitsdogma zu machen,
vor allem, wenn sie das Material dazu von einem geist-
vollen Vortragenden erhalten. Die Praxis wird sie indessen

bald lehren, dass nicht jeder Lehrsatz bedingungslos auf
jeden Fall anzuwenden ist und dass die rauhe Wirk-
lichkeit unter allen Umständen zu Verhältnis- und
Wahrscheinlichkeitsrechnungen zwingt, weil auch der
goldene Schnitt immer noch einen unteilbaren Rest
ergiebt.

Die moderne Kunststickerei ist, so weit Deutsch-
land in Frage kommt, durch Frau Dernburg in die-
jenigen Bahnen geleitet worden, die ihr einen Platz
in der Dekoration des Hauses aufs neue sichern.
Ein eingehendes Studium dieser Arbeiten wäre
zum mindesten denjenigen Lehrerinnen dringend
zu empfehlen, die an kunstgewerblichen, an Fort-
bildungsschulen und in den Oberklassen der höheren
Mädchenschulen unterrichten wollen. Auch für De-
korateure und Leiter von Tapisseriegeschäften, be-
sonders für Kurbelsteppereien sind in den genannten
Arbeiten hochwichtige Anregungen enthalten.

L. HAGEN.

"Glasfenster, entworfen und ausgeführt von Glasmaler Ule, München.

KLEINE MITTEILUNGEN

BRESLAU. Kunstgewerbeverein. Über „die kunstge-
werbliche Bedeutung der Falkenhausen'schen Alter-
tümersammlung" sprach am Mittwoch den 30. März
in der Versammlung des Vereins der Kustos des Museums
schlesischer Altertümer Dr. Seger. Nach einer kurzen Ein-
leitung über das Sammeln von Altertümern im allgemeinen
betonte der Vortragende, dass Freiherr von Falkenhausen
sich bei der Anlage seiner Sammlung lediglich von ästhe-
tischen Rücksichten habe leiten lassen. Nicht das Alter der

Gegenstände an sich habe ihn gereizt, sondern ihre künst-
lerische und technische Vollendung. Diese Vorzüge richtig
zu beurteilen, sei er infolge seiner natürlichen Veranlagung
für Handfertigkeiten aller Art und sein ungemein scharfes
Auge besonders befähigt gewesen. Seine Sammlung weise
daher fast durchweg Stücke auf, die sich durch Reinheit des
Stils und gediegene Ausführung auszeichnen. Ein höheres
Interesse verleiht dieser Sammlung der Umstand, dass sie
zum bei weitem grössten Teil aus Schlesien stamme und
unsere Anschauung von den kunstgewerblichen Leistungen
vergangener Jahrhunderte in wichtigen Punkten vervoll-
ständige. Von den verschiedenen Gebieten der Sammlung
greift der Vortragende das der Metallurgie heraus und zeigt
an der Hand eines im Saale ausgestellten reichen Materials,
wie fast alle Arten der Metalltechnik, sowie die hauptsäch-
lichsten Perioden der Kunstgeschichte durch hervorragende
 
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