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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 9.1898

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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4886#0081
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Kopfleiste, gezeichnet von Maler A. Wimmer, Leipzig.

PARIS. — Schmiedeeiserne Kunstgegenstände. Nach-
dem vor einer Reihe von Jahren der Geschmack sich
den alten Zimmereinrichtungen zugewendet und

Möbel in den Stilarten des vorigen und Ende des 17.

Jahrhunderts wieder vielfach angefertigt, bezw. die aus den-
selben stammenden Modelle mehr oder weniger frei kopirt

oder modernisirt wurden, wendet man

jetzt auch den Kunstschmiedeartikeln

jener Epochen grosse Aufmerksamkeit

zu. Einige Zeit lang verhielt sich

das Publikum zwar ablehnend, doch

fängt es jetzt an, den Gegenständen

seine Aufmerksamkeit zu schenken,

und entsprechend dem wachsenden

Bedürfnis tauchen auch fortwährend

neue derartige Kunstschmiedearbeiten

auf. Man durchstöbert eifrigst die

Museen, die ja reiche Kunstschätze

aus dem Zeitalter Ludwigs des XIV.,

XV. und XVI. enthalten und kopirt

gewissenhaft, oder bringt moderni-

sirte Nachahmungen der alten Stücke

in den Handel. Wenn die jetzt ein-
mal in Fluss geratene Strömung noch

lange anhält, dazu sind alle Aus-
sichten vorhanden, dürfte auch dieser

Zweig des Kunsthandwerkes sich

rasch entwickeln. Bereits jetzt widmen

sich einige hervorragende Künstler

fast ausschliesslich der Ausgestaltung

desselben und wandeln dabei eigene

Bahnen, allerdings unter Anlehnung

an die vorhandenen älteren Motive.

Jedenfalls hat dadurch das Kunst-
schmiedehandwerk, dessen Tage man

schon als gezählt betrachtet hatte, ^™

einen neuen Antrieb und die Innen-
dekoration Hilfsmittel erhalten, auf

die zu rechnen man — in Frankreich wenig-
stens — nicht gewohnt war. Ausser einfachen
Wand-, Hand-und Kronleuchtern in rein mittel-
alterlichem Stilein etwas plumperer Bauart, mit
massiven Haupt- und Nebenteilen, sieht man
solche, bei denen dieseStilart mit der von Louis
XV. verquickt erscheint. Wandleuchter in etwas
plumper, geradliniger Form der vielen Arme
erhalten reiche, kühn geschwungene Bandver-
zierung aus schwärzlicher Bronze, ciselirt und
matt gehalten. Die Dekoration zeigt sich aus
einem spiralenförmig in eine Schnecke oder
Rosette gewundenen Knoten, dessen Enden
sich teils um den eigentlichen Arm schlin-
gen, teils in die Luft ragen, sich untereinander
kreuzen oder einander umschlingen. Bei anderen sind die
Armeais langgestreckte PetaleoderStaubgefässe einer stilisirten
grossen Blume aufgefasst, die auf der Wand aufliegt. Sie er-
Kunstgewerbeblatt. N. F. IX. H. 4.

SlÄ

Ex Libris-Zeichen und Vignette,

gezeichnet von Architekt Carl

Wolbrandt, Lehrer a. d. staatl.

Kiinstgewerbeschule in Hamburg.

halten dann eine gewundene oder gedrehte Bandform, der
äusserste Ausläufer des Blattes ist eingewickelt und gewährt
dem Kerzenträger Aufnahme. Wieder andere sind als Ast auf-
gefasst, von dem viele Zweige strahlenförmig ausgehen, von
denen jeder am Ende eine Art Tulpe für den Kerzenhalter
trägt; zarte Ranken in runder Form und Rispen in etwas über-
triebener Breite dienen als die nötige
Verzierung. Erstere werden glatt
polirt und in der natürlichen Eisen-
farbe gehalten, letztere haben oxidirte
Oberfläche und sind vielfach ciselirt.
Originell erscheint ein Wandleuchter,
bei welchem die Arme von einer
grossen Rosette, gebildet aus finger-
breiten nach innen gebogenen Blät-
tern, schlangenförmig ausgehen. Von
jedem Arm erstrecken sich in gewissen
Abständen spiralenartige Verästelun-
gen, die sich vielfach teilen, unterein-
ander zu Knötchen verschlingen oder
frei in die Luft ragen. In geringem
Abstände von dem Rankenknoten
erheben sich auf kurzem Stengel
tulpen- oder rosenförmige Blüten-
gebilde mit nach innen oder aussen
oder aber teils nach der einen, teils
nach der anderen Seite gerollten
Blumenblättern. Sie lassen den Raum
für den Kerzenhalter frei und sind
bald in oxidirtem Tone gehalten,
bald haben sie einen Kupfer- oder
Messingschimmer, in letzterem Falle
ist Politur gerne gesehen. Steh-
leuchter in Höhe von 1V2 m werden
gern für Schlafzimmer gekauft. Der
mehrarmige Fuss besteht aus breitem,
in Rosetten- oder Spiralenform ge-
wundenem Eisenband, der Ständer eben-
falls aus solchem. Ist er gedreht, so wird
besonderer, von ihm selbst ausgehender
Schmuck vermieden, dieser tritt erst in den
oberen Partien auf, als Fortsetzung der
Kerzenträger und Arme. Wo er jedoch ge-
radlinig verläuft und aus mehreren Kanten
aneinanderstehender Bänder gebildet wird,
zweigen sich von diesen in kleineren oder
grösseren Abständen bogenförmig" geschwun-
gene oder in Spiralen gewickelte Rispen ab,
die sich sehr oft noch teilen und neue, lang-
gestreckte, nach oben oder unten strebende
Rankenbilden. DerKopf,gewöhnlich dreiteilig,
trägt die gleiche Anzahl Rosetten, auf welchen
die Kerzenträger sitzen und von denen Ranken,
oder langgestreckte zungenförmige Blätter nach unten herab-
fallen. Jene stellen entweder Rosen oder andere grossköpfige
stilisirte Blüten dar, ahmen manchmal auch Fruchtkolben und

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