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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 9.1898

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Bruening, Adolf: Der Kronleuchter, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4886#0125
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Geweihkrone aus dem Schloss Glaishammer im Germanischen Museum zu Nürnberg. Um 1530.

DER KRONLEUCHTER

VON A. BRÜNING

4. Von der Renaissance bis zum Empire.

DIE neue Formenwelt, die mit der Renaissance
in die bisher von der Gotik besetzten Ge-
biete einzog, verdrängte nur allmählich die
liebgewonnenen Gebilde einer vertrauten Kunst. Man
hielt zunächst zäh an den alten Gerätformen fest und
wandelte sie nur ein wenig dem neuen Geschmack
gemäss um. Die in Frankreich und Deutschland wäh-
rend der gotischen Zeit aufgekommene Sitte, Geweihe
zu Hängeleuchtern auszugestalten, hält sich sogar bis
in das 17. Jahrhundert hinein. Dieser Brauch hängt
zusammen mit einer bis zur Leidenschaft sich stei-
gernden Vorliebe für Hirschgeweihe und anderes Ge-
hörn, für die uns aus dem Leben Dürer's ein sprechen-
des Zeugnis vorliegt. Dürer scheint nämlich auch ein
grosser Freund von schönen Geweihen gewesen zu
sein. Der Kurfürst Friedrich der Weise hatte ihm
mehrere Exemplare versprochen, aber sein Ver-
sprechen anscheinend vergessen. Denn Dürer muss
ihn 1520 durch Georg Spalatin, den Hofkaplan, daran
erinnern, mit dem Bemerken, er wolle zwei Leuchter
daraus machen. Nach Dürer's Tode wurde seine Ge-
weihsammlung verkauft zum grossen Ärger seines alten
Freundes Willibald Pirkheimer, der selbst darauf ge-
rechnet hatte. Fast wie Illustrationen zu diesen Notizen

1) Siehe auch Jahrg. VII Heft 7 und Jahrg. VIII Heft 4.
Kunstgewerbeblatt. N. F. IX. H. 7.

III.1) (Schluss.j

nehmen sich zwei Handzeichnungen Dürer's in der Am-
braser Sammlung in Wien aus. Die eine stellt Amor
mit gespanntem Bogen dar, auf dem Rücken statt der
Flügel ein Elchgeweih (abgebildet in Hirth's Formen-
schatz 1879, Nr. 146); die andere aus dem Jahre 1513
zeigt ein Seeweibchen, ein Damhirschgeweih auf dem
Rücken und ein entwurzeltes Bäumchen als Lichtträger
in den Händen (Abbildg. ebenda 1880, Nr. 2). Das Wap-
penschild unter dem Leibe der Meerfrau zeigt ebenfalls
einen Baum mit Wurzel. Ohne Zweifel war die Zeich-
nung der Entwurf einer Gehörnkrone für Pirkheimer,
der ein Birkenbäumchen als redendes Wappen führte.
Auch der Herzog Albrecht V. von Bayern scheint ein
eifriger Sammler schöner Hirschgeweihe gewesen zu
sein. Wir besitzen wenigstens von ihm noch einen
Brief an den Nürnberger Ratsherrn Jakob Muffel, in
dem er diesen um seine Vermittlung beim Ankauf
eines guten Hirschgeweihes, von dem der Herzog ge-
hört, bittet.

Während in der gotischen Zeit nur eine Halbfigur
an das Gehörn gesetzt wurde, bekommt in der Re-
naissance das Lichterweibchen gewöhnlich den Fisch-
leib, der über die Schwierigkeit, eine Vollfigur in der
Luft schweben zu lassen, bequem hinweghalf. Das
wappenhaltende Weibchen, gekleidet in die farbige
Tracht der wechselnden Mode, wird beibehalten. Sehr
häufig aber treten an seine Stelle allegorische Gestal-

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