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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 9.1898

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Leisching, Julius: Das Grabmal, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4886#0025
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DAS GRABMAL

VON JULIUS LEISCHING

II. Mittelalter. (Schluss.)

IN Italien nimmt das Wandgrab, teils als Nischen-
grab, teils als frei an der Mauer befestigtes Denkmal,
eineReihe der originellsten und schönsten Bildungen
an. Aufbau und figuraler Schmuck gehen hier ihre
eigenen, von der selbständigen Entwicklung der Archi-
tektur und Plastik vorgeschriebenen Wege. Die Vor-
stellung ist bewegter, ungleich lebhafter als in den
gleichzeitigen nordischen Werken, sie ist, wenn man
will, theatralisch.

Der Verstorbene wird auch in der italienischen
Grabmalplastik auf ein Paradebett gelagert. Aber da-
mit begnügt sich der Künstler nicht. Die Natur und
der wirkliche Vorgang wird drastischer in Stein über-
tragen als bei uns, wenn auch nicht so abstossend,
wie es der neuzeitigen Bildnerschule Italiens beliebt.
Die Vorhänge des Paradebettes sind zurückgeschlagen,
damit man den Toten sieht, nur dass Engel diesen
Dienst leisten. Darüber thront in der Wandnische
entweder der Entschlafene nochmals und zwar als Leben-
der, oder die Madonna mit dem Kinde nimmt die Mitte
ein, während der Verstorbene sie anbetet, von seinen
Heiligen ihr empfohlen. Letzteren Typus finden wir
an einem Werke Arnolfo di Cambios, dem Grabmal
des Kardinals de Braye (f 1280) in San Domenico
zu Orvieto. Auch wo so reiche Zuthaten nicht wieder-
kehren, z. B. an den römischen Kosmatengräbern,
fehlen die trauernden und vorhanghaltenden Engel-

KunstgewerbcblaU. N. F. IX. H. 2.

gestalten nicht. Sie gehören noch in der Renaissance
Italiens zu den lieblichsten Zierden pompöser wie
schlichter Grabmäler.

Ein Beispiel ersterer Art, wo der Verstorbene
noch als Lebender über seinem eigenen Leichnam
thront, ist die seltsame grosse Tomba del Re Roberto
il Savio, | 1343 m Sta Chiaro zu Neapel, wo sich
auch die anderen Gräber der Fürsten aus dem Hause
der Anjou befinden. Über dem Sarkophag mit dem
Bilde des Entseelten, den im Hintergrunde klagende
Gestalten betrauern, haben Engel den Vorhang ge-
lüftet. Säulen, ebenfalls mit zurückgezogenen Gardinen,
umrahmen darüber die Nische, in deren Mitte die
Majestät mit Krone und Scepter, in starrer Haltung
und mit derben Gesichtszügen, aber in prächtigem
Ornate auf dem Throne sitzt. Auch hier füllen an-
dachtsvolle Gestalten, der Hofstaat einerseits, die Geist-
lichkeit andererseits, den Hintergrund.

Etwas älter ist eines der vielen Professorengräber
Italiens, das des Rechtslehrers Cino de' Sinibaldi im
Dome zu Pistoja (datirt 1337). Auch hier sehen wir
den Professor nicht bloss am Sarkophag auf seinem
Katheder und vor ihm die Schar der aufmerksam
lauschenden Studenten, sondern in der darüber be-
findlichen Spitzbogennische noch einmal im Kreise der
Hörer sitzend.

Tino di Camaino, ein Schüler Nicolö Pisanos,

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