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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 9.1898

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Minkus, Fritz: Die Winterausstellung des k. k. österreichischen Museums für Kunst und Industrie in Wien
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Hofmann, Albert: "Neue" Kunst in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4886#0097
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,NEUE« KUNST IN BERLIN

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man es bislang mit den alten Stilen gethan, darauf
beschränkt, dem Reichen kostbares Mobiliar, kaum er-
schwingliche Kleinkunstwerke zu bieten, die dann die
Imitations-Industrie — hundertfach verfälscht und ver-
schlechtert, aber hundertfach — verbilligt und dennoch
für den ersten täuschenden Anschein jenen aufs Haar
ähnlich, dem Unbemittelteren nachbildet und so jene
naheliegende Nachahmungssucht der letzteren und
jenes leicht erklärliche Differenzirungsstreben der
ersteren gross zieht, die aus dem naturgemäss un-
merklich langsam sich vollziehenden Geschmacks-
wechsel eine tolle, wilde Jagd der Mode macht! Sie
wird es können, wenn sie es, wie es die alten toten
Stile thaten, als sie, noch in voller Blüte, dem Geiste
ihrer heute weit zurückliegenden Zeiten in herrlichen
Kunstwerken beredten Ausdruck gebend, dem Reichen
kostbare und üppigere, dem Ärmeren wohlfeilere und
einfachere, beiden aber gleich gediegene, gleich zeit-
gemässe, gleich wohlgefällige Kunstformen schufen
— sociale Stile innerhalb der historischen —, wenn
sie, sage ich, es selbst in die Hand nimmt und es

nicht der Surrogatindustrie überlässt, den Mittelstand
und die ärmeren Klassen mit ihren Mitteln ent-
sprechenden eigenen Kunstformen im Sinne der neuen
Richtung zu versorgen!

Die ersten Ansätze solcher socialer Stile innerhalb
unseres Zukunftsstils glaube ich in jenen beiden,
äusserlich so verschiedenartigen, künstlerisch aber
gleichwertigen Unterabteilungen unserer Museums-
ausstellung, — dem für ein luxuriöses, reiches Haus
bestimmten »Damensalon" und den beiden anderen,
für das schlichtere Heim des Mittelstandes sich eignen-
den Gemächern begrüssen zu dürfen! Auf diesem
Doppelgeleise rüstig und unentwegt fortscheitend, wird
die moderne Richtung unseres Kunstgewerbes unter der
thatkräftigen Führung der neuen Leitung des öster-
reichischen Museums sicherlich siegreich ihr bedeut-
sames Ziel erreichen, — die allmähliche Schaffungeines
bleibenden, nationalen Stils!

Wien, im Dezember 1897.

FRITZ MINKUS.

Zierleiste, gezeichnet von Maler A. Wimmer, Leipzig.

„NEUE" KUNST IN BERLIN1)

ICH habe Julius Lessing, den Verfasser des vor-
stehenden Kennwortes und den ohne Zweifel
ausserordentlich verdienstvollen Schöpfer des
Kunstgewerbe-Museums in Berlin trotz mancher litte-
rarischer Unfälle, die ihm widerfahren sind, und trotz
einer starken Gegnerschaft zu seiner Stellung gegen-
über dem praktischen Kunstgewerbe immer für einen
gewandten, geistreichen und witzigen Menschen ge-

1) Dieser Aufsatz stützt sich zum Teil auf Ausführungen
des Verfassers im Jahrg. i8g7 der „Deutschen Bauzeitung",
S. 625 ff.

„Jugend, Jugend, Du hast das schöne
Recht, nur an Dich selbst zu
denken, als ob nicht auch Du
alt werden würdest. —"

Julius Lessing.

halten. Dass er aber auch ein Schalk sein kann, das
habe ich erst aus Nr. 51 des Jahrgangs 1897 der Hirth-
schen Jugend erfahren. Allda beginnt in der rechten Spalte
der 873. Seite unter dem in diesem Falle vielsagenden Titel
»Alte Geschichten" eine stilistisch ausgezeichnete Wie-
dergabe eines köstlichen Schwankes aus dem Quattro-
cento, in welchem „die Geschichte von dem dicken
Holzschnitzer, der nicht mehr er selber war", erzählt
wird. Und das verhält sich so: »Im Jahre 1409 nach
Christi Geburt fand sich in der Stadt Florenz eines
Sonntags eine Tischgesellschaft von jungen Leuten im
 
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