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DAS GRABMAL
Gotische Brosche, oxydirt Silber und grünlich vergoldet,
in der Mitte Granaten und Mondsteine.
Ausgeführt vom Hofgoldschmied H. SCHAPER in Berlin.
Sie entstand in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts
zur Zeit der höchsten Prachtentfaltung des realistisch
werdenden gotischen Stils und ist in der Mitte durch
eine balkonartig vorspringende Platte in zwei Teile
geteilt. In der oberen sitzt der Kaiser im vollen Ornat
mit allen Zeichen seiner Würde auf dem breiten Thron.
Engel halten einen Teppich hinter seinem Haupt.
Im unteren Teil ist in perspektivischer Darstellung
mit Fliesenboden und Wandteppieh ein Ritterpaar in
lebhafter Unterhaltung zu sehen, bei welcher es sich
angeblich um die Versöhnung Albrechts, des Mannes
der Agnes Bernauer, mit seinem Vater Herzog Ernst
handelt, der sie hatte ermorden lassen. Kaiser
Friedrich IV., auf dem prachtvollen, noch späteren
Grabmal in St. Stephan zu Wien, ruht in einer Bogen-
halle, die sich über seinem Haupte aufthut. Die Über-
ladung mit Kronen, Wappen und Getier ist gerade
an dieser glänzendsten Leistung der Spätzeit sehr
auffällig.
Die Anbringung liegender Baldachine muss ebenso
widerspruchsvoll genannt werden wie das Stellen einer
liegenden Figur auf eine Stütze, sei es ein Tier oder
gar, wie man's auch findet, ein wirkliches Konsol. Die
liegenden Grabbaldachine erinnern darin an die ver-
wandte Anordnung jener kleinen Portalskulpturen, die
der Bogenlaibung folgend samt Konsole und Baldachin
aus der Senkrechten nach und nach beinahe in die
Wagrechte übergehen. Man wird nicht als Ketzer ver-
schrieen werden, wenn man weder das eine noch das
andere schön findet. Denn der Baldachin ist die aus-
gezeichnetste Bekrönungsform für die Höhenentwicke-
lung, und es widerstrebt seiner Natur, seiner Konstruk-
tion und seinem ganzen Zierat in die Horizontale
umgelegt zu werden.
Einfach und wirkungsvoll ist das Grabmal des
Ritters Neidhart, früher fälschlich dem Sänger Neidhard
Fuchs zugeschrieben, in Wien. Es ist an der südlichen
Aussenseite des Stephansdomes in die Ecke der vor-
springenden Westfront eingebaut. Hier liegt in stillem
Winkel der heitere Gesellschafter Otto des Fröhlichen
in leider stark verstümmelter Figur auf seiner Tumba,
über der sich - von Konsolen und einer einzigen
schlanken Säule getragen - ein spitzbogiger Aufbau
erhebt.
Welch prachtvolle Formen aber die ganz frei-
stehende Baldachintumba im hohen Mittelalter und gegen
Ausgang desselben angenommen hat, sehen wir u.a. an
einigen Beispielen des Domes zu Krakau und an den
grossartigen Denkmälern der Scaliger zu Verona.
Freistehende eigentliche Baldachingräber scheinen
nur für Einzelpersonen errichtet worden zu sein. Dafür
ist es von Santa Maria antica zu Verona gleich ein
ganzer Wald solcher hochragender Monumente, deren
gewaltige von' stärkstem Bewusstsein zeugende Höhen-
entwicklung die Aufstellung im Kirchinneren schon
nicht mehr gestattet, sondern in die freie Luft hinaus-
strebt.
Schon das aus dem 12. Jahrhundert stammende
Heldengedicht vom „Brutus von England" schildert ein
Grabmal, das man in Gestalt einer Reiterstatue aus
Kupfer gegossen habe, in deren Hohlraum die Leiche
gelegt worden sei. Letzteres klingt nicht sehr wahr-
Barock - Brosche, griingold und matt, in der Mitte Rubinen
mit quatre Couleurs-Arbeit.
Ausgeführt vom Hofgoldschmied H. SCHAPER in Berlin.
DAS GRABMAL
Gotische Brosche, oxydirt Silber und grünlich vergoldet,
in der Mitte Granaten und Mondsteine.
Ausgeführt vom Hofgoldschmied H. SCHAPER in Berlin.
Sie entstand in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts
zur Zeit der höchsten Prachtentfaltung des realistisch
werdenden gotischen Stils und ist in der Mitte durch
eine balkonartig vorspringende Platte in zwei Teile
geteilt. In der oberen sitzt der Kaiser im vollen Ornat
mit allen Zeichen seiner Würde auf dem breiten Thron.
Engel halten einen Teppich hinter seinem Haupt.
Im unteren Teil ist in perspektivischer Darstellung
mit Fliesenboden und Wandteppieh ein Ritterpaar in
lebhafter Unterhaltung zu sehen, bei welcher es sich
angeblich um die Versöhnung Albrechts, des Mannes
der Agnes Bernauer, mit seinem Vater Herzog Ernst
handelt, der sie hatte ermorden lassen. Kaiser
Friedrich IV., auf dem prachtvollen, noch späteren
Grabmal in St. Stephan zu Wien, ruht in einer Bogen-
halle, die sich über seinem Haupte aufthut. Die Über-
ladung mit Kronen, Wappen und Getier ist gerade
an dieser glänzendsten Leistung der Spätzeit sehr
auffällig.
Die Anbringung liegender Baldachine muss ebenso
widerspruchsvoll genannt werden wie das Stellen einer
liegenden Figur auf eine Stütze, sei es ein Tier oder
gar, wie man's auch findet, ein wirkliches Konsol. Die
liegenden Grabbaldachine erinnern darin an die ver-
wandte Anordnung jener kleinen Portalskulpturen, die
der Bogenlaibung folgend samt Konsole und Baldachin
aus der Senkrechten nach und nach beinahe in die
Wagrechte übergehen. Man wird nicht als Ketzer ver-
schrieen werden, wenn man weder das eine noch das
andere schön findet. Denn der Baldachin ist die aus-
gezeichnetste Bekrönungsform für die Höhenentwicke-
lung, und es widerstrebt seiner Natur, seiner Konstruk-
tion und seinem ganzen Zierat in die Horizontale
umgelegt zu werden.
Einfach und wirkungsvoll ist das Grabmal des
Ritters Neidhart, früher fälschlich dem Sänger Neidhard
Fuchs zugeschrieben, in Wien. Es ist an der südlichen
Aussenseite des Stephansdomes in die Ecke der vor-
springenden Westfront eingebaut. Hier liegt in stillem
Winkel der heitere Gesellschafter Otto des Fröhlichen
in leider stark verstümmelter Figur auf seiner Tumba,
über der sich - von Konsolen und einer einzigen
schlanken Säule getragen - ein spitzbogiger Aufbau
erhebt.
Welch prachtvolle Formen aber die ganz frei-
stehende Baldachintumba im hohen Mittelalter und gegen
Ausgang desselben angenommen hat, sehen wir u.a. an
einigen Beispielen des Domes zu Krakau und an den
grossartigen Denkmälern der Scaliger zu Verona.
Freistehende eigentliche Baldachingräber scheinen
nur für Einzelpersonen errichtet worden zu sein. Dafür
ist es von Santa Maria antica zu Verona gleich ein
ganzer Wald solcher hochragender Monumente, deren
gewaltige von' stärkstem Bewusstsein zeugende Höhen-
entwicklung die Aufstellung im Kirchinneren schon
nicht mehr gestattet, sondern in die freie Luft hinaus-
strebt.
Schon das aus dem 12. Jahrhundert stammende
Heldengedicht vom „Brutus von England" schildert ein
Grabmal, das man in Gestalt einer Reiterstatue aus
Kupfer gegossen habe, in deren Hohlraum die Leiche
gelegt worden sei. Letzteres klingt nicht sehr wahr-
Barock - Brosche, griingold und matt, in der Mitte Rubinen
mit quatre Couleurs-Arbeit.
Ausgeführt vom Hofgoldschmied H. SCHAPER in Berlin.