DIE WINTERAUSSTELLUNG DES K. K. ÖSTERREICHISCHEM MUSEUMS IN WIEN. 77
bei ihm ungeahnten „Lokalpatriotismus", — es ist dies der Gesellschafts-
kreis, der sonst fast ausschliesslich ausländische Ware anerkennt! —
dass man nun in Wien moderne Möbel, Stoffe u. s. f. ebenso gut und
erheblich — billiger kaufen könne, wie in England; der — ernstere
— Kreis, der die neue Richtung als Keim eines neuen Stils erkennt,
freut sich, dass endlich auch auf den technisch schon längst genügend
durchgeackerten Boden unseres Kunsthandwerks das befruchtende
Samenkorn gefallen sei; der Kreis, schliesslich, der Nörgler und der
Reaktionären, die mit unbesiegbarer Zähigkeit an dem Althergebrachten
als dem Alleinseligmachenden kleben und in jedem Hauche jugendlicher
Frische einen vernichtenden Orkan wittern, poltern und wettern mit
solchem Lärm gegen die „Geschmacklosigkeiten" der neuen Richtung
und gegen die Gefahr, sich von einer fremden Kunstübung ins Schlepp-
tau nehmen zu lassen, dass der Rest des Publikums, — das so-
genannte „grosse" Publikum, um dessen Gewinnung es sich bei der
Absicht, neue Knnstprinzipien zu popularisiren, weitaus mehr handelt,
als man sich dessen manchenorts bewusst zu sein scheint, nicht anders
kann, als der Ausstellung mit all dem Interesse gegenüberzutreten, das
ihr gebührt.
Die Ausstellung, die ungemein reichhaltig ist, — sie nimmt ausser
dem grossen Arkadenhof des Museums und seiner geräumigen Galerie
acht Säle ein, — präsentirt sich bereits durch ihr Arrangement anders
und weitaus vorteilhafter als ihre Vorgängerinnen: nicht nur, dass
ein in der Mitte des Arkadenhofes, Ferstel's herrlicher Schöpfung,
errichteter pompöser Pavillon, der in langherabwallendem Faltenwurf
verschiedentliche Möbelstoffe zur Schau stellt, ihr einen prächtigen
architektonischen Mittelpunkt giebt, der den bisherigen ähnlichen Ver-
anstaltungen des Museums meistens gefehlt hat, zeichnet sich die
neue Aufstellungsart dadurch auch innerlich vor der früher gepflogenen
aus, dass sie einen grossen, und zwar den gewichtigsten Teil ihres
Bestandes, nicht nach „technischen Gruppen" — dem alten Stecken-
pferde der Kunstgewerbemuseen, — zersplittert, sondern, wie dies bei-
spielsweise auch auf der letzten Münchener Ausstellung der Fall war,
zu fertig eingerichteten Interieurs vereinigt, darbietet, eine Form, die
aus naheliegenden Gründen für Schaustellungen kunstgewerblicher Pro-
dukte die einzig sinngemässe ist.
Diese Änderung der Aufstellungsweise konnte sich allerdings nicht
auf denjenigen Teil der Ausstellung erstrecken, der die selbständige
Weihnachtsausstellung des Wiener Kunstgewerbevereins enthält; und so
steht denn diese letztere auch rein äusserlich zu der eigenen Ausstellung
des Museums, — der Ausstellung jener Gegenstände, die, unter direkter
Beeinflussung seitens des österreichischen Museums von inländischen
Firmen hergestellt, vom Museum vertrieben werden, — in starkem
Gegensatze, einem Kontraste, der sich inhaltlich dermassen zuspitzt,
dass man die beiden einander gegenüberstehenden Lager der „neuen"
und der „alten" Richtung mit den Kennworten bezeichnen könnte: hie
Museum, — hie Kunstgewerbeverein!
Damit soll aber keineswegs über die Darbietungen des letzteren
ein abfälliges Urteil gefällt sein: wie immer excelliren sie — von
kleinen Ausnahmen abgesehen — durch glänzende Technik, durch
wohlgefällige Verwertung altererbter Formen und durch mancherlei
auf beiden — bravoureuser handwerklicher Tüchtigkeit und dem An-
schluss an die alten Stilperioden — fussenden Neuerungen! Unter
den hierher fallenden Arbeiten seien vor allem, rücksichtlich der ge-
radezu virtuosen Beherrschung der Technik wie der meisterhaften Er-
S. Abbildung Seite 76.
bei ihm ungeahnten „Lokalpatriotismus", — es ist dies der Gesellschafts-
kreis, der sonst fast ausschliesslich ausländische Ware anerkennt! —
dass man nun in Wien moderne Möbel, Stoffe u. s. f. ebenso gut und
erheblich — billiger kaufen könne, wie in England; der — ernstere
— Kreis, der die neue Richtung als Keim eines neuen Stils erkennt,
freut sich, dass endlich auch auf den technisch schon längst genügend
durchgeackerten Boden unseres Kunsthandwerks das befruchtende
Samenkorn gefallen sei; der Kreis, schliesslich, der Nörgler und der
Reaktionären, die mit unbesiegbarer Zähigkeit an dem Althergebrachten
als dem Alleinseligmachenden kleben und in jedem Hauche jugendlicher
Frische einen vernichtenden Orkan wittern, poltern und wettern mit
solchem Lärm gegen die „Geschmacklosigkeiten" der neuen Richtung
und gegen die Gefahr, sich von einer fremden Kunstübung ins Schlepp-
tau nehmen zu lassen, dass der Rest des Publikums, — das so-
genannte „grosse" Publikum, um dessen Gewinnung es sich bei der
Absicht, neue Knnstprinzipien zu popularisiren, weitaus mehr handelt,
als man sich dessen manchenorts bewusst zu sein scheint, nicht anders
kann, als der Ausstellung mit all dem Interesse gegenüberzutreten, das
ihr gebührt.
Die Ausstellung, die ungemein reichhaltig ist, — sie nimmt ausser
dem grossen Arkadenhof des Museums und seiner geräumigen Galerie
acht Säle ein, — präsentirt sich bereits durch ihr Arrangement anders
und weitaus vorteilhafter als ihre Vorgängerinnen: nicht nur, dass
ein in der Mitte des Arkadenhofes, Ferstel's herrlicher Schöpfung,
errichteter pompöser Pavillon, der in langherabwallendem Faltenwurf
verschiedentliche Möbelstoffe zur Schau stellt, ihr einen prächtigen
architektonischen Mittelpunkt giebt, der den bisherigen ähnlichen Ver-
anstaltungen des Museums meistens gefehlt hat, zeichnet sich die
neue Aufstellungsart dadurch auch innerlich vor der früher gepflogenen
aus, dass sie einen grossen, und zwar den gewichtigsten Teil ihres
Bestandes, nicht nach „technischen Gruppen" — dem alten Stecken-
pferde der Kunstgewerbemuseen, — zersplittert, sondern, wie dies bei-
spielsweise auch auf der letzten Münchener Ausstellung der Fall war,
zu fertig eingerichteten Interieurs vereinigt, darbietet, eine Form, die
aus naheliegenden Gründen für Schaustellungen kunstgewerblicher Pro-
dukte die einzig sinngemässe ist.
Diese Änderung der Aufstellungsweise konnte sich allerdings nicht
auf denjenigen Teil der Ausstellung erstrecken, der die selbständige
Weihnachtsausstellung des Wiener Kunstgewerbevereins enthält; und so
steht denn diese letztere auch rein äusserlich zu der eigenen Ausstellung
des Museums, — der Ausstellung jener Gegenstände, die, unter direkter
Beeinflussung seitens des österreichischen Museums von inländischen
Firmen hergestellt, vom Museum vertrieben werden, — in starkem
Gegensatze, einem Kontraste, der sich inhaltlich dermassen zuspitzt,
dass man die beiden einander gegenüberstehenden Lager der „neuen"
und der „alten" Richtung mit den Kennworten bezeichnen könnte: hie
Museum, — hie Kunstgewerbeverein!
Damit soll aber keineswegs über die Darbietungen des letzteren
ein abfälliges Urteil gefällt sein: wie immer excelliren sie — von
kleinen Ausnahmen abgesehen — durch glänzende Technik, durch
wohlgefällige Verwertung altererbter Formen und durch mancherlei
auf beiden — bravoureuser handwerklicher Tüchtigkeit und dem An-
schluss an die alten Stilperioden — fussenden Neuerungen! Unter
den hierher fallenden Arbeiten seien vor allem, rücksichtlich der ge-
radezu virtuosen Beherrschung der Technik wie der meisterhaften Er-
S. Abbildung Seite 76.