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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 9.1898

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Hofmann, Albert: "Neue" Kunst in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4886#0100
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„NEUE« KUNST IN BERLIN

Elektrisches Deckenlicht in Kupfer, entworfen von O. Eckmann,

Berlin, ausgeführt von J. Zimmermann & Co., München.

Gesetzlich geschützt.

genommen hat, doch eine nicht zu unterschätzende
Eigenschaft ist. Gleichwohl lässt er sich nicht von dieser
Überschwänglichkeit hinreissen und in scharfer Ab-
wägung des bleibend Wertvollen von dem gemachten
und vorübergehenden Glanz mag er wohl der neuen
Errungenschaft der Unterrichtsanstalt etwas kopf-
schüttelnd gegenüberstehen. Er hat „schon zwei Ge-
nerationen von jüngeren Künstlern hineinwachsen
sehen in akademische Ehren und Würden, die eine
trug weiche, ungewaschene Hemdenkragen, die zweite
hohe, steifgestärkte, die dritte, die jetzt ansetzt, trägt
gar keine, sondern nur gestrickte sweaters". Das
letztere mag ihm nicht sympathisch sein und aus
diesem Gefühle mag in schalkhafter und warnender
Weise die Wiedererzählung des launischen italienischen
Schwankes des Quattrocento entstanden sein. Manetto
Ammanatini, der Florentiner Holzschnitzer, ist Otto
Eckmann, den man glauben gemacht hat, dass er ein
ganz anderer wäre, als er thatsächlich ist.

Durch die Mitarbeiterschaft des „Pan« und der
„Jugend" ist Otto Eckmann — wenn man mich recht
unterrichtet hat, aus dem Gebiete der Malerei zur
Kleinkunst übergegangen — zu einem jener Künstler
gestempelt, denen man mit viel mehr Unrecht als

Recht die Anbahnung einer neuen Bewegung in der
deutschen Kleinkunst unserer Tage zuschreibt, oder,
um mich richtiger auszudrücken, er gehört zu der
Gruppe jener Künstler, welche man zu Führern jener
Bewegung ernannt hat, die man als neue Kunst in
Deutschland propagirt und die da, wo sie gut ist,
keine neue Kunst ist und da, wo sie eine neue Kunst
ist, sehr oft keine Kunst ist. Es ist gewiss ein schönes
Ding um die Kunstförderung; aber diese sogenannte
Förderung nur um ihrer selbst willen zu treiben,
ohne Rücksicht darauf, was daraus einst wird, ist eher
zerstörend, als fördernd und aufbauend. Es ist sicher
ein Ausfluss einer gewissen Überzeugung, wenn man
im Übereifer das Stichwort ausgerufen hat, die Klein-
kunst müsse sich endlich von dem drückenden Ein-
fluss der Architektur losmachen, sie müsse nach ma-
lerischen Grundzügen neu geschaffen werden. Ich
verkenne nicht, dass die Malerei einen ungemein
wohlthätigen Einfluss auf die Kleinkunst ausüben kann,
in gewissen Grenzen und massvoll angewendet. Ich
habe in Brüssel, in München, hier und anderwärts
unter ihrem Einfluss geschaffene entzückende Gebilde
gesehen, und Eckmann liefert mit seinen Wandteppichen
aus Scherrebeck (ich meine dabei nicht auch den
figürlichen) und seinen Farbenholzschnitten prächtige
Beispiele dafür. Aber die Herrschaft der Malerei darf
nicht so weit gehen, dass sie das gesetzmässige Gefühl,
das jedem, auch dem Kunstanarchisten inne wohnt,
zu bethören sucht und Gebilde schafft, die gleich
den Mollusken keine Knochen und kein Rückgrat
haben und mit diesen nieder organisirten Lebewesen
zu den Gebilden niederer Ordnung gerechnet werden
müssen. Dazu zähle ich bei Eckmann die Metall-
arbeiten in ihrem künstlerischen Teil; in ihrem tech-
nischen Teil suchen sie den Forderungen einer ge-
wissen Ursprünglichkeit gerecht zu werden, wobei
aber höchstens die Kunststufe unserer fahrenden Me-
tallarbeiter erreicht wird. Dazu zähle ich ferner die
Entwürfe mit pflanzlichen Motiven zu Randleisten,
Initialen, Vignetten u. s. w., wobei die Pflanzenform in
so willkürlicher Weise umgebildet wird, dass man dem
dargestellten Gegenstand eine Erläuterung beigeben
muss, wie es bei der Bordüre des einen Teppichs,
die nach japanischem Vorbild einen fliessenden Bach
darstellen soll, der Fall ist. Ich habe mich bei diesen
und ähnlichen Erzeugnissen einer gewissen künst-
lerischen Thätigkeit immer gefragt: „Wie ist es mög-
lich, dass ein feinfühliger Mensch die herrlichen
Wirkungen, weil sie uns eine reiche Natur in freier
und in so tausendfältiger Weise darbietet, so ver-
arbeiten kann, um nicht ein schärferes Wort zu wählen."
Wie weit zeigt sich doch hier der „Künstler" Eck-
mann entfernt z. B. von dem „Menschen" Heinrich
Simon, dem bekannten edlen Vorkämpfer für eine
Neugestaltung des Deutschen Reiches aus der Mitte
 
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