„NEUE« KUNST IN BERLIN
unseres Jahrhunderts, der einmal seine tiefe Empfin-
dung für die Natur in die Worte kleidet: »Nicht
leicht dürfte ein Mensch seine Bestimmung mehr ver-
fehlt haben, als ich; — ich hinterm Aktentisch! ich,
der ich so wesentlich ins Freie gehöre, dass sich erst
draussen mein Wesen zu entwickeln beginnt; dem
sich die Brust frei und heiter hebt, sowie sie den
ersten frischen Luftstrom atmet; ich, der ich das für
andere schauerlichste Winterwetter mit Sturm und
Schneegestöber noch schön finde, weil ich jede Mani-
festation der freien Elemente, ich möchte sagen, künst-
lerisch auffasse, weil mich die Schneeflocke interessirt
und die wunderlich gejagte Wolke, mit einem Worte,
weil mir die ganze Natur mit allen ihren Einzelheiten
lebt, wahrhaft lebt, und ich dieses ewig lebendige
Leben liebe, liebe als Spiegel meines inneren Seins."
Das ist Seele, warm empfindende, künstlerisch ge-
staltende Seele, nicht kühl erwägender, nach Gewinn
und billigem, kurzem Ruhm ausspähender Verstand.
Sollte es nicht eine Mahnung für den Künstler Eck-
mann sein, dass seine landschaftlichen Arbeiten den
meisten Beifall finden, der zudem ein allseitiger
ist, während die im dumpfen, staubigen Atelier
erquälten Arbeiten nur den begrenzten, aller-
dings geräuschvolleren Parteibeifall sich zu er-
ringen vermögen? Nur ein Bestreben leuchtet
aus allen diesen letzteren Arbeiten heraus: neu
um jeden Preis. »Jugend, Jugend, du hast das
schöne Recht, nur an dich selbst zu denken,
als ob nicht auch du alt werden würdest!"
Ich kann mich bei der Betrachtung der
meisten dieser Arbeiten Eckmann's und auch
z. B. der mir bekannt gewordenen Arbeiten
eines in demselben Fahrwasser segelnden an-
deren Münchener Künstlers, des Herrn Hermann
Obrist, des Eindrucks einer gewissen Geschäfts-
mässigkeit nicht erwehren, die dadurch noch
bedenklich gesteigert wird, dass ihr in einer
Weise Förderung zu teil wird, die nicht mehr
weit von Reklame ist und von Personen, welche
nach Ausbildung und Wirkungssphäre als intime
Kenner der alten Kunst geschätzt werden, und
ihrer Berufsstellung nach oft in der Lage sind,
eine kunstrichterliche Thätigkeit üben zu müssen.
Der Grund dieser unnatürlichen Förde-
rung einer unnatürlichen Sache liegt vielleicht
darin, dass sich eine Anzahl von Direktoren,
wie Bode, Lichtwark und andere, deren Organ
der Pan ist, zusammengethan haben, eine neue
deutsche Kunstbewegung hervorzurufen, die
in ihren natürlichen Anfängen zweifellos schon
vorhanden ist, die sich aber nicht künstlich
züchten und treiben lässt, wie die Eintags-
pflanze des Treibhauses, und schillere sie für
den Augenblick noch so schön. Man gehe aus
dem Abteil von Eckmann zu jenem von
Kunstgewerbeblatt. N. F. IX. H. 5.
Rieth, um diesen als einen zufälligen Repräsentanten
einer anderen Richtung zu nennen, und betrachte
dessen Werke. Hier, um einen bildlichen Vergleich
zu gebrauchen, das vornehme Palais eines kunst-
begeisterten Mäcen, reich mit wirklichen Kunstwerken
geschmückt, dort das Geschäftshaus eines emsigen
Kaufmannes, dessen Kunst nach Erwerb ausgeht und
sich dabei — künstlerisch genommen — aller Hilfs-
mittel bedient, welche ihm die Erwerbszweige an
die Hand geben. Ist es demnach schon eine Ver-
fehlung für die Zukunft dieser neuen Kunst, in der
That vorhandene, aber verstiegene grosse Fähig-
keiten in der Einhaltung dieser Richtung noch
zu bekräftigen, so war es ein weiteres, noch schwe-
reres Verfehlen, die so verirrten Fähigkeiten einer
aufnahmedürstigen Jugend als Vorbilder zu geben.
Ich möchte nicht prophezeien, das kann misslich sein,
aber ich fürchte, dass es sich in kurzer Zeit heraus-
stellt, dass die hier bevorzugte Kunst nicht vollwertigen
Nahrungsstoff genug enthält, um eine nach dem
»Neuen« dürstende Jugend zu einer gesunden Ent-
wicklung zu bringen. — ALBERT HOFMANN.
Grosser dekorativer Leuchter, entworfen von Professor O. Eckmann, Berlin,
in Schmiedeeisen getrieben von J. Zimmermann & Co., München. Gesetzl. geschützt.
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unseres Jahrhunderts, der einmal seine tiefe Empfin-
dung für die Natur in die Worte kleidet: »Nicht
leicht dürfte ein Mensch seine Bestimmung mehr ver-
fehlt haben, als ich; — ich hinterm Aktentisch! ich,
der ich so wesentlich ins Freie gehöre, dass sich erst
draussen mein Wesen zu entwickeln beginnt; dem
sich die Brust frei und heiter hebt, sowie sie den
ersten frischen Luftstrom atmet; ich, der ich das für
andere schauerlichste Winterwetter mit Sturm und
Schneegestöber noch schön finde, weil ich jede Mani-
festation der freien Elemente, ich möchte sagen, künst-
lerisch auffasse, weil mich die Schneeflocke interessirt
und die wunderlich gejagte Wolke, mit einem Worte,
weil mir die ganze Natur mit allen ihren Einzelheiten
lebt, wahrhaft lebt, und ich dieses ewig lebendige
Leben liebe, liebe als Spiegel meines inneren Seins."
Das ist Seele, warm empfindende, künstlerisch ge-
staltende Seele, nicht kühl erwägender, nach Gewinn
und billigem, kurzem Ruhm ausspähender Verstand.
Sollte es nicht eine Mahnung für den Künstler Eck-
mann sein, dass seine landschaftlichen Arbeiten den
meisten Beifall finden, der zudem ein allseitiger
ist, während die im dumpfen, staubigen Atelier
erquälten Arbeiten nur den begrenzten, aller-
dings geräuschvolleren Parteibeifall sich zu er-
ringen vermögen? Nur ein Bestreben leuchtet
aus allen diesen letzteren Arbeiten heraus: neu
um jeden Preis. »Jugend, Jugend, du hast das
schöne Recht, nur an dich selbst zu denken,
als ob nicht auch du alt werden würdest!"
Ich kann mich bei der Betrachtung der
meisten dieser Arbeiten Eckmann's und auch
z. B. der mir bekannt gewordenen Arbeiten
eines in demselben Fahrwasser segelnden an-
deren Münchener Künstlers, des Herrn Hermann
Obrist, des Eindrucks einer gewissen Geschäfts-
mässigkeit nicht erwehren, die dadurch noch
bedenklich gesteigert wird, dass ihr in einer
Weise Förderung zu teil wird, die nicht mehr
weit von Reklame ist und von Personen, welche
nach Ausbildung und Wirkungssphäre als intime
Kenner der alten Kunst geschätzt werden, und
ihrer Berufsstellung nach oft in der Lage sind,
eine kunstrichterliche Thätigkeit üben zu müssen.
Der Grund dieser unnatürlichen Förde-
rung einer unnatürlichen Sache liegt vielleicht
darin, dass sich eine Anzahl von Direktoren,
wie Bode, Lichtwark und andere, deren Organ
der Pan ist, zusammengethan haben, eine neue
deutsche Kunstbewegung hervorzurufen, die
in ihren natürlichen Anfängen zweifellos schon
vorhanden ist, die sich aber nicht künstlich
züchten und treiben lässt, wie die Eintags-
pflanze des Treibhauses, und schillere sie für
den Augenblick noch so schön. Man gehe aus
dem Abteil von Eckmann zu jenem von
Kunstgewerbeblatt. N. F. IX. H. 5.
Rieth, um diesen als einen zufälligen Repräsentanten
einer anderen Richtung zu nennen, und betrachte
dessen Werke. Hier, um einen bildlichen Vergleich
zu gebrauchen, das vornehme Palais eines kunst-
begeisterten Mäcen, reich mit wirklichen Kunstwerken
geschmückt, dort das Geschäftshaus eines emsigen
Kaufmannes, dessen Kunst nach Erwerb ausgeht und
sich dabei — künstlerisch genommen — aller Hilfs-
mittel bedient, welche ihm die Erwerbszweige an
die Hand geben. Ist es demnach schon eine Ver-
fehlung für die Zukunft dieser neuen Kunst, in der
That vorhandene, aber verstiegene grosse Fähig-
keiten in der Einhaltung dieser Richtung noch
zu bekräftigen, so war es ein weiteres, noch schwe-
reres Verfehlen, die so verirrten Fähigkeiten einer
aufnahmedürstigen Jugend als Vorbilder zu geben.
Ich möchte nicht prophezeien, das kann misslich sein,
aber ich fürchte, dass es sich in kurzer Zeit heraus-
stellt, dass die hier bevorzugte Kunst nicht vollwertigen
Nahrungsstoff genug enthält, um eine nach dem
»Neuen« dürstende Jugend zu einer gesunden Ent-
wicklung zu bringen. — ALBERT HOFMANN.
Grosser dekorativer Leuchter, entworfen von Professor O. Eckmann, Berlin,
in Schmiedeeisen getrieben von J. Zimmermann & Co., München. Gesetzl. geschützt.
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