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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 9.1898

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Hofmann, Albert: Zur Kunst der modernen Warenhäuser
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https://doi.org/10.11588/diglit.4886#0114
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ZUR KUNST DER MODERNEN WARENHÄUSER

Jahreszeiten, welche die Nischen der vier Pfeiler
schmücken, während die mittleren Figuren, alle gleich
schön in Bewegung und Auffassung, den Bildhauer
Prof. Wledemann zum Urheber haben.

Einen lebhafteren Ton in der künstlerischen Aus-
schmückung schlägt das Innere an, wenn im übrigen
auch hier wie in der Fassade die Erwägung die Dar-
stellung beherrscht, in erster Linie die zum Verkauf
gestellten Waren zur Geltung kommen zu lassen, für
welche alles andere nur Mittel zum Zweck ist. Kunst-
volle Umrahmungen und Öffnungen, metallene Pfeiler-
bekleidungen mit getriebenen Ornamenten von O. Lind,
kraftvoll und eigenartig entworfene Holzarbeiten in
geschickter Weise von O. Riegelmann geschnitzt, be-
reiten den Eintretenden auf das Innere vor, und von
dem hellen, von der weissen Decke durch die gra-
ziösen Lichtkörper herniedergesandten Lichte begleitet,
tritt der Besucher in den grossen Centralraum ein,
in dem das gesamte Leben des Kaufhauses zusammen-
strömt. Sechs Pfeiler stützen die Stockwerke und das
hohe Glasdach; ihre Vorderfläche erhielt einen sinnigen
Schmuck durch Darstellungen aus der deutschen Mär-
chenwelt wie: Hans im Glück etc., von Tippel ent-
worfen und von Manzel, Vogel und Gelger ausge-
führt, leider sind sie zu fein, um in dem unruhigen
Getriebe zur vollen Geltung zu kommen. Die bei-
den Stirnseiten des Lichthofes sind durch Prof.
Max Koch und durch den Maler Fritz Oehrke mit
Scenen aus dem überseeischen Handelsverkehr ge-
schmückt. Koch malte eine venetianische Hafenstadt
mit venetianischem und orientalischem Seevolk, Gehrke
das Leben eines modernen Hafens, beide Darstellungen
in Massstab und Wirkung gut und glücklich. Den
Lichthof beherrscht die allegorische Kolossalfigur der
Arbeit, ein treffliches Werk Manzels, gross gedacht
und durchgeführt, dem Massstab des Raumes wohl
angemessen und doch keine harmonische Befriedigung
gewährend, weil der Detailmassstab in der Umgebung

der Figur zu klein ist. Hinter ihr führt die Haupt-
treppe zu den oberen Räumen empor, zunächst zum
Erfrischungsraum, nieder gehalten, behaglich, meist in
Holz durchgebildet, in den Fenstern sparsame Glas-
malereien. Zu glühender Farbenpracht entfalten sich
diese in dem grossen Mittelfenster, das von Melchior
Lechter herrührt, aber bei aller Schönheit nicht zu
den besten Werken dieses gedanken- und seelenvollen
Künstlers gezählt werden kann. Die Abbildung S. 83 ent-
hebt uns einer weiteren Beschreibung. Mit besonderer
Feststimmung empfängt den Besucher der Teppich-
raum und zwar wohl deshalb, weil sich hier der
Künstler bei durchweg neuer, zerteilter Anwendung
des Beleuchtungsgeräts, stark der alten Kunst, insbe-
sondere der italienischen bedient und damit in tieferer
Empfindung einen ungemein festlich-heiteren Raum
schafft. Der Gegensatz zwischen Lichthof und Teppich-
raum ist zu auffallend, um nicht in einem Widerspiel
der künstlerischen Empfindungen ihres Urhebers ge-
sucht werden zu müssen. Den Treppenaufgang zu
den obersten Geschossen schmücken zwei unbekleidete
weibliche, als Schlangenbändigerinnen nach fran-
zösischem Vorbilde von dem Bildhauer Klinisch flott
modellirte Lichtträger. Viel Schönes und Neues im
Ornament ist in den weiten Räumen verteilt: es
seien erwähnt die prächtigen Gitter in Aluminiumbronze
von Mikslts und Schulz & Holdeflelss, die eigen-
artige ornamentale Ausschmückung der Fahrstuhlzu-
gänge, die zum Teil an altchristliche Vorbilder gemah-
nenden Kapitale des unteren Geschosses, die reizvollen
Thürumrahmungen in den Durchgängen von der
Strasse zu den Höfen, die einfachen und doch
kunstvollen Fensterverglasungen, das schöne Portal
mit seinen gewundenen Säulen beim Teppichraum:
kurzum, überall war die Schönheit Meisterin und
Lenkerin der erfinderischen Hand des Künstlers, der
uns in diesem Bau einen tiefen Blick in sein reich-
bewegtes Seelenleben hat thun lassen. —

ALBERT HOLMANN.

Vignette gezeichnet von Maler M. Pörschmann, Leipzig.
 
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