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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 9.1898

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Seliger, Max: Für oder wider Künstlerkonkurrenzen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4886#0151
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FÜR ODER WIDER KÜNSTLERKONKURRENZEN

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Kritiker, die nicht ihrer selbst wegen da sein wollen,
sondern zur Erziehung des Publikums und der
Künstler, hat die Unsicherheit über Wege und Ziele
der Kunst noch vermehrt. Fragen, über welche die
Künstler selbst unklar sind, löst schnell die Kritik,
nur leider zu oft anders und nur das letzte Mal immer
richtig. Zudem will man das Neue um jeden Preis,
wenn es sich auch nicht messen kann an Leistung
mit dem Historischen Traditionellen. Man will nicht
mehr den alt erprobten langsamen Weg der Tradition,
man wünscht auf einem neuen schneller und be-
quemer zum Ziel zu kommen.
Aber das Ziel ist nicht be-
kannt. Auch die Kritik pro-
tegirt diesen Weg. Sie predigt
für das Originale, Unab-
hängige, Niedagewesene und
damit die Auflösung dessen,
was die historische Kunst gross
gemacht hat, der Schule, Tra-
dition, Zucht und Meister-
schaft. Besonders gefährlich
ist dieser Geist für die Schulen,
für die Jugend. Der Jugend ist
nötig, die Elemente, die Prin-
zipien der Kunst zu erkennen,
und dazu eignen sich am
besten die geschichtlich aner-
kannten Exempel, also der Weg
der Tradition. Aus dem eben
beleuchteten Gesichtspunkt
mehr bin ich Gegner der Wett-
bewerbsaufgaben und Arbeits-
weise. Es ist socialdemokra-
tischer Geist darin, der zer-
stören will und nicht weiss,
was er aufbauen wird. Ich
gebe den intimeren Aufgaben
des direkten Auftrags den Vor-
zug vor den ungenauen, all-
gemeinen des Wettbewerbs.
Ich zweifle nicht, dass die
Leistungen des ersteren zu
denen des letzteren mindestens
im Verhältnis von Besser und
Gut stehen für beide Teile,
Künstler und Abnehmer.

Gelten lassen möchte ich
die engeren Konkurrenzen auf-
geforderterbekannter Künstler,
die besonders bei Architektur-
fragen angewandt werden.
Wohlbekannte tüchtige Künst-
ler, die für eine bestimmte
Aufgabe geeignet erscheinen,

streiten unter vollem Namen meist gegen Entschädigung
um den Preis für die beste Lösung. Hier kommt
wohl in den meisten Fällen ein brauchbares Resultat
heraus, weil alle annähernd ebenbürtig und über-
haupt tüchtig sind. Hier handelt es sich nicht um
ein Experiment, ein Rechenexempel mit unbekannten
Grössen, sondern um das Finden des Besten aus
bekannt Gutem.

Hiernach gebührt das Wort dem, der nachweist,
dass die Konkurrenzen grössere Lichtseiten haben als
Schattenflächen.

Ciasfenster, entworfen für das Klubzimmer eines Restaurants in Hamburg
von Architekt Wolbrandt daselbst.

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