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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 9.1898

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Borrmann, Richard: Moderne Keramik, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4886#0186
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174

MODERNE KERAMIK

Gruppe: „Heimkehr aus der Schule". Emailliertes Steinzeug von

E. MÜLLER 8t Co. in Paris nach dem Modell von A. Falouiere.

Höhe: 73 cm.

indem er Poterien von durchaus origineller Erfindung
und Verzierung schuf, die den gres flammes der vorge-
nannten Gruppe an die Seite zusetzen sind, sie aber an
dekorativer Wirkung noch übertreffen. Massier trat
zuerst in dem für die moderne französische Keramik
so bedeutungsvollen Jahre der Weltausstellung von
1889 mit Erfolg hervor. Neuerdings hat indessen die
Fabrik nichts wesentlich Neues und Durch-
schlagendes geschaffen, wohl aber Konkurrenten ge-
funden. Die Lüsterfarben werden auf die weisse, das
rohe Thonmaterial deckende Zinnglasur aufgetragen,
es ist jedoch bezeichnend, dass selbst bei dieser zu-
nächst doch auf Qlanzwirkung berechneten Kunst-

gattung sich die der modernen Keramik eigene
Neigung für gebrochene, matte Töne Geltung ver-
schafft hat. Anstatt den Lüster von der milchweissen
Glasur abzuheben, wie es die Alten thaten, geht man
darauf aus, diese selbst abzutöften, in gebrochener
Grundstimmung zu halten. Der Lüsterglanz lässt sich
wiederum durch Stumpfmachen einzelner Partien
brechen; man erreicht dieses, wie es scheint, durch
Ätzen, in anderen Fällen auch dadurch, dass man den
Lüster auf farbigen, den Metallglanz dämpfenden
Untergrund aufbringt. — Die glänzendste Wirkung
ergiebt das schon erwähnte, aus dem Kupfer ent-
wickelte Rubinrot. Massier hat förmliche Bildplatten
in Lüstermalerei hergestellt. In seinen neueren Ar-
beiten erstrebt er hauptsächlich koloristische Effekte.
Das Rubinrot vermischt sich mit den gelblichen,
teilweise schmutzigen Tönen der Zinnglasur des
Grundes, so dass jede feste Abgrenzung oder Zeich-
nung verloren geht; es entsteht ein verschwommenes,
flammiges Gemenge von Tönen, aus denen das Rot
wie feurige Glut hervorleuchtet. Massier sucht hier
offenbar die Wirkung der geflammten Steinzeuge mit
den Mitteln der Lüstertechnik nachzuschaffen.

Neben Clement Massier sind mit Lüsterarbeiten
Delpin Massier, sowie die Fabrik von Keller & Guerin
in Luneville hervorgetreten, aber auch anderwärts
haben die Lüsterfayencen Nachfolge gefunden. So
liefert die renommierte Fabrik von Zsolnay zu Fünf-
kirchen in Ungarn treffliche Lüsterdekors in dem von
ihr sogenannten Genre Eosin. Hierbei dient in der
Regel das Rubinrot als Grund, in welchem die Zeich-
nung durch ein Ätzverfahren ausgespart wird, so dass
das darunter befindliche verschieden getönte Zinn-
material zu Tage tritt.

Auch Dänemark, dessen Kunsttöpferei heute
neben der französischen den höchsten Rang ein-
nimmt, hat Lüsterarbeiten zu verzeichnen. Auf diesem
Gebiete ist des Ateliers von Hennan A. Kaehler in
Nestved rühmend Erwähnung zu thun. Kaehler ist
Ende der achtziger Jahre hervorgetreten. Seine Arbeiten
zeigen die sichere und die vollständige Beherrschung
des roten Kupferlüsters auf Steingut. Neuerdings hat
er auch die Lüstermalerei auf Fayence d. h. also auf
dem weissen oder getönten Zinnschmelzgrunde als
Unterlage gepflegt. Den flammenden Metallglanz des
Rubinrots versteht er geschickt durch Mattmachen
einzelner Partien, sowie durch andersfarbige Kupfer-
lösungen oder durch Überlaufglasuren zu variieren
und zu brechen. Seine Versuche sind sehr vielseitig.
In hervorragender Weise hat er ferner, unter Beihilfe
künstlerischer Kräfte, die Plastik zur Mitwirkung
herangezogen und liefert Tierfiguren nach hervor-
ragenden Modellen, denen er, gleich den Franzosen,
durch einen metallischen Lüster einen Anhauch von
Farbe und Leben verleiht. Auf der Stockholmer Aus-
 
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