KLEINE MITTEILUNGEN
191
Stickerei in Seide, nach Zeichnung von William Morris. Aus dem Werke
William Morris. London, Oeorge Bell and Sons.
Belgien zu uns gekommen war (und in dem Teile, welcher
den letzteren Weg gewählt hatte, starke nationale Eigen-
tümlichkeiten dieser romanischen Länder mit aufgenommen
hatte, war auch in Deutschland und etwas später in Öster-
reich eine lebhaftere Bewegung auf kunstgewerblichem Ge-
biete gefolgt. Diese Bewegung wurde erhalten und genährt
durch das „Studio", und so, wie sich diese hervorragende
englische Zeitschrift, die in den in Rede stehenden Ländern
eine ungewöhnliche Verbreitung gefunden hat und hinsicht-
lich deren es Eulen nach Athen tragen hiesse, wollten wir
auf sie und ihren reichen Inhalt weiter eingehen, dem
Kunstgewerbe als einer Kunstübung dienstbar machte, welche
nicht als ein geringerer Zweig der sogenannten hohen Kunst,
sondern als eine mit dieser eng verwachsenen gleichwertigen
Kunstübung geschätzt wurde, so hatte auch die nun einsetzende
Bewegung zu einem ihrer Hauptzielpunkte das Bestreben,
durch Gewinnung hervorragender Vertreter der hohen Kunst
für die Zwecke des Kunstgewerbes diesem neue Säfte zuzu-
führen. Wir sehen dabei ab von dem hohen Schlagworte,
welches ausgegeben wurde, dass das Kunstgewerbe sich end-
lich von dem Einflüsse der Architektur loslösen müsse.
Denn mag heute ein Bildhauer oder Maler mit einer Phan-
tasie, die noch so sehr überschäumen will, an die Schöpfung
eines kunstgewerblichen Gegenstandes herantreten und mag
seine Form noch so sehr von aller Tradition losgelöst
werden, in seinem organischen Aufbau wird er ein architek-
tonisches Gefüge verraten müssen, soll er einem praktischen
Zwecke dienen; denn mag man dem Kunstgewerbe einen
noch so hohen Rang anweisen wollen, ein Bestreben, welches
volle Berechtigung hat, es wird doch immer nur angewandte
Kunst bleiben können und so immer einen Schritt hinter
jenen Werken der Malerei und Bildhauerei zurückbleiben
Aymer Valance,
müssen, die nur um ihrer selbst willen
entstehen und der Ausfluss einer durch
keine Gebrauchsbestimmung irgend welcher
Art eingeschränkten Phantasie sind. Diesen
Unterschied lassen die Veröffentlichungen
des „Studio" mit einer Deutlichkeit erkennen,
dass es thöricht wäre, wollte man über
ihn hinwegzugleiten versuchen. Er ist da
und er ist aus natürlichen Gründen da,
deshalb ist er auch in die dem Studio nach-
gebildete französische Zeitschrift »Art et
Decoration" übergegangen, die im zweiten
Jahrgange ihres Erscheinens steht und Mit-
arbeiter wie Vaudremer, Puvis de Chavan-
nes, Grasset, Frc'miet, Laurens, Roty
^wi' u. s. w. zu den ihren zählen darf. In diesen
Namen liegt ein bedeutungsvolles Pro-
gramm; sie zählen zu den ersten der mo-
dernen französischen Kunst und stehen
trotz der verschiedensten künstlerischen
Richtung an der Spitze des Fortschrittes.
Wenn daher auch auf einzelnen Häuptern
der Schnee des Alters lastet, so dürfte sich
die Zeitschrift doch als eine „revue d'art
moderne" bezeichnen. Äusserlich und
innerlich mit dieser Zeitschrift verwandt,
gleich ihr aus der Anregung des „Studio"
entstanden, ist die von Alexander Koch in
Darmstadt herausgegebene Monatsschrift
„Deutsche Kunst und Dekoration". Wenn
„Art et Decoration" vorwiegend der fran-
zösischen und belgischen Kunst huldigt, und
dieKunst der anderen, im Vordergrunde der
Produktion stehenden Länder nur gelegentlich behandelt, so
hat sich die Koch'sche Zeitschrift „die Förderung einer mitten
im Leben stehenden, vom Volke getragenen, gesunden deutschen
Kunst" zur Aufgabe gemacht, will aber dabei kein Hervor-
treten eines Willens, einer Anschauung, da in einer Zeit des
Garens und Werdens jeder Name Partei sei. „Wir aber
wollen mit möglichst freiem Blick auf alles sehen." Das
ist klug. Die gleiche Klugheit beobachtet die Zeitschrift
des Bayerischen Kunstgewerbevereins in München in ihrer
neuen Gestalt, welche sie gleichfalls als ein Ausfluss der
litterarischen Bewegung im Herbste vergangenen Jahres an-
genommen hat. Sie heisst nunmehr „Kunst und Hand-
werk" und giebt dem neuen Raum, ohne das Alte zu unter-
drücken. „Wo Kampf ist, da sind Kräfte, die sich bethätigen
wollen, da ist Leben. Allen Kräften aber Raum zu ge-
währen, die in ernstem, ehrlichem Ringen das Gute wollen,
das allein kann die Losung unseres Vereins und seiner Zeit-
schrift sein." Deshalb will sie keine Parteizeitschrift, „keine
Zwingburg für das künstlerische Gewissen" sein. Das könnte
man eher von der im Verlage von Bruckmann in München
herausgegebenen Monatsschrift „Dekorative Kunst" sagen,
wenn man den Artikel von S. Bing „Wohin treiben wir"
als ihrem Programm entsprechend betrachten darf. „Während
sich alles verändert, während auf allen Gebieten des prak-
tischen Lebens Entwicklungen gleich Revolutionen aus-
brechen, während Erfindungen aller Art die Wissenschaft,
die Industrie, den Handel völlig umgestalten und überall
neue, ungeahnte Arbeitsgebiete entstehen, während Malerei,
Musik, Litteratur die höchsten Gipfel ersteigen, bleibt die
Wohnung, der Raum, in dem all das Neue erdacht wird,
vollständig unverändert, und die tausend Dinge, die uns
räumlich am nächsten sind, werden allein von dieser mäch-
191
Stickerei in Seide, nach Zeichnung von William Morris. Aus dem Werke
William Morris. London, Oeorge Bell and Sons.
Belgien zu uns gekommen war (und in dem Teile, welcher
den letzteren Weg gewählt hatte, starke nationale Eigen-
tümlichkeiten dieser romanischen Länder mit aufgenommen
hatte, war auch in Deutschland und etwas später in Öster-
reich eine lebhaftere Bewegung auf kunstgewerblichem Ge-
biete gefolgt. Diese Bewegung wurde erhalten und genährt
durch das „Studio", und so, wie sich diese hervorragende
englische Zeitschrift, die in den in Rede stehenden Ländern
eine ungewöhnliche Verbreitung gefunden hat und hinsicht-
lich deren es Eulen nach Athen tragen hiesse, wollten wir
auf sie und ihren reichen Inhalt weiter eingehen, dem
Kunstgewerbe als einer Kunstübung dienstbar machte, welche
nicht als ein geringerer Zweig der sogenannten hohen Kunst,
sondern als eine mit dieser eng verwachsenen gleichwertigen
Kunstübung geschätzt wurde, so hatte auch die nun einsetzende
Bewegung zu einem ihrer Hauptzielpunkte das Bestreben,
durch Gewinnung hervorragender Vertreter der hohen Kunst
für die Zwecke des Kunstgewerbes diesem neue Säfte zuzu-
führen. Wir sehen dabei ab von dem hohen Schlagworte,
welches ausgegeben wurde, dass das Kunstgewerbe sich end-
lich von dem Einflüsse der Architektur loslösen müsse.
Denn mag heute ein Bildhauer oder Maler mit einer Phan-
tasie, die noch so sehr überschäumen will, an die Schöpfung
eines kunstgewerblichen Gegenstandes herantreten und mag
seine Form noch so sehr von aller Tradition losgelöst
werden, in seinem organischen Aufbau wird er ein architek-
tonisches Gefüge verraten müssen, soll er einem praktischen
Zwecke dienen; denn mag man dem Kunstgewerbe einen
noch so hohen Rang anweisen wollen, ein Bestreben, welches
volle Berechtigung hat, es wird doch immer nur angewandte
Kunst bleiben können und so immer einen Schritt hinter
jenen Werken der Malerei und Bildhauerei zurückbleiben
Aymer Valance,
müssen, die nur um ihrer selbst willen
entstehen und der Ausfluss einer durch
keine Gebrauchsbestimmung irgend welcher
Art eingeschränkten Phantasie sind. Diesen
Unterschied lassen die Veröffentlichungen
des „Studio" mit einer Deutlichkeit erkennen,
dass es thöricht wäre, wollte man über
ihn hinwegzugleiten versuchen. Er ist da
und er ist aus natürlichen Gründen da,
deshalb ist er auch in die dem Studio nach-
gebildete französische Zeitschrift »Art et
Decoration" übergegangen, die im zweiten
Jahrgange ihres Erscheinens steht und Mit-
arbeiter wie Vaudremer, Puvis de Chavan-
nes, Grasset, Frc'miet, Laurens, Roty
^wi' u. s. w. zu den ihren zählen darf. In diesen
Namen liegt ein bedeutungsvolles Pro-
gramm; sie zählen zu den ersten der mo-
dernen französischen Kunst und stehen
trotz der verschiedensten künstlerischen
Richtung an der Spitze des Fortschrittes.
Wenn daher auch auf einzelnen Häuptern
der Schnee des Alters lastet, so dürfte sich
die Zeitschrift doch als eine „revue d'art
moderne" bezeichnen. Äusserlich und
innerlich mit dieser Zeitschrift verwandt,
gleich ihr aus der Anregung des „Studio"
entstanden, ist die von Alexander Koch in
Darmstadt herausgegebene Monatsschrift
„Deutsche Kunst und Dekoration". Wenn
„Art et Decoration" vorwiegend der fran-
zösischen und belgischen Kunst huldigt, und
dieKunst der anderen, im Vordergrunde der
Produktion stehenden Länder nur gelegentlich behandelt, so
hat sich die Koch'sche Zeitschrift „die Förderung einer mitten
im Leben stehenden, vom Volke getragenen, gesunden deutschen
Kunst" zur Aufgabe gemacht, will aber dabei kein Hervor-
treten eines Willens, einer Anschauung, da in einer Zeit des
Garens und Werdens jeder Name Partei sei. „Wir aber
wollen mit möglichst freiem Blick auf alles sehen." Das
ist klug. Die gleiche Klugheit beobachtet die Zeitschrift
des Bayerischen Kunstgewerbevereins in München in ihrer
neuen Gestalt, welche sie gleichfalls als ein Ausfluss der
litterarischen Bewegung im Herbste vergangenen Jahres an-
genommen hat. Sie heisst nunmehr „Kunst und Hand-
werk" und giebt dem neuen Raum, ohne das Alte zu unter-
drücken. „Wo Kampf ist, da sind Kräfte, die sich bethätigen
wollen, da ist Leben. Allen Kräften aber Raum zu ge-
währen, die in ernstem, ehrlichem Ringen das Gute wollen,
das allein kann die Losung unseres Vereins und seiner Zeit-
schrift sein." Deshalb will sie keine Parteizeitschrift, „keine
Zwingburg für das künstlerische Gewissen" sein. Das könnte
man eher von der im Verlage von Bruckmann in München
herausgegebenen Monatsschrift „Dekorative Kunst" sagen,
wenn man den Artikel von S. Bing „Wohin treiben wir"
als ihrem Programm entsprechend betrachten darf. „Während
sich alles verändert, während auf allen Gebieten des prak-
tischen Lebens Entwicklungen gleich Revolutionen aus-
brechen, während Erfindungen aller Art die Wissenschaft,
die Industrie, den Handel völlig umgestalten und überall
neue, ungeahnte Arbeitsgebiete entstehen, während Malerei,
Musik, Litteratur die höchsten Gipfel ersteigen, bleibt die
Wohnung, der Raum, in dem all das Neue erdacht wird,
vollständig unverändert, und die tausend Dinge, die uns
räumlich am nächsten sind, werden allein von dieser mäch-