10,2
KLEINE MITTEILUNGEN
tigen Zeitströmung ausgeschlossen." Die Voraussetzung ist
zweifellos richtig, ist es aber auch die Folgerung? Zweifel-
los nicht, aber es sei gerne anerkannt, dass beim Anheben
einer neuen Bewegung Unterschätzung und Überschätzung
zwei Begriffe sind, für welche nicht mehr der allgemeine
und objektive Massstab die Beurteilung bildet, sondern für
welche der subjektive Kampfmassstab in Frage kommt. Und
dass dieser gerne übertreibt, ist keine neue Erfahrung. Eine
besondere Stellung nimmt unter den neuen Zeitschriften das
Lieferungswerk „Der moderne Stil", von Julius Hoffmann jr.
in Stuttgart zusammengestellt, ein. Die ursprünglich nur
für einen Abschluss mit 15 Lieferungen gedachte Veröffent-
lichung wird nunmehr periodisch fortgesetzt, so dass sich
eine Erwähnung an dieser Stelle rechtfertigt. Die Veröffent-
lichung beabsichtigt, eine internationale Rundschau über die
hervorragendsten kunstgewerblichen Leistungen der letzten
Jahre zu geben. Aus einer Umwandlung zu Beginn dieses
Jahres hervorgegangen ist die Monatsschrift: „Kunst und
Kunsthandwerk", das Organ des Österreichischen Museums
für Kunst und Industrie in Wien. Wenn etwas die tief-
gehende Bewegung in der neueren Kunst zur Erscheinung
bringt, so ist es die Umwandlung der Zeitschrift eines durch
und durch konservativen Institutes. Äusserlich ist diese
Umwandlung durch einen Direktorialwechsel veranlasst, die
inneren Ursachen aber liegen in der Bewegung der Zeit,
welcher sich die berühmte Anstalt nicht verschliessen konnte
und durfte. Als Herr von Scala die Leitung des Öster-
reichischen Museums übernahm, war eine seiner ersten Mass-
nahmen, in Verbindung mit der Verlagsfirma Artaria & Co.
die bescheidenen „Mitteilungen des Österreichischen Museums
für Kunst und Industrie" in Wien durch eine das Museum
würdiger und reicher repräsentierende Zeitschrift zu ersetzen.
So erschien „Kunst und Kunsthandwerk" in einer Art Lieb-
haberausstattung. Dass da die von Teirich begründeten
„Blättter für Kunstgewerbe" im Verlage von Waldheim nicht
zurückbleiben durften, ist einleuchtend, und mit der Über-
nahme der Redaktion der Zeitschrift durch Bruno Bucher
zogen auch sie ein neues schönes Gewand an und widmeten
namentlich auch dem Text wieder mehr Aufmerksamkeit.
Sind diese beiden Zeitschriften starke Symptome der Kunst-
bewegung in Österreich, so bildet deren neues Spiegelbild
aber die Zeitschrift „Ver sacrum", das Organ der „Ver-
einigung bildender Künstler Österreichs" der österreichischen
Secession im Verlage von Gerlach & Schenk in Wien. Sie
will eine Kampfzeitschrift sein. „Wir wollen dem thaten-
losen Schlendrian, dem starren Byzantinismus und allem
Ungeschmack den Krieg erklären." In Rom bestand die
Sitte, in Zeiten grosser Gefahren den Göttern alles Lebende
des neuen Frühlings darzubringen. Wenn dieses Geschlecht
herangewachsen war, zog es in die Fremde, ein neues Ge-
meinwesen zu gründen, die secessio. Sie hatte gegen das
Alte zu kämpfen; im Kampf suchte sie das Leben, das für
sie nur Leben war, da es Kampf war. Mitten im Leben
muss der Künstler stehen, „mit allem Hohen, allem Herr-
lichen und mit allem Grässlichen, das es birgt, vertraut sein,
tief untertauchend in den brausenden Wirbel". Die Zeit-
schrift will die Überzeugung wecken, dass die Kunst „die
notwendige Lebensäusserung eines intelligenten Volkes ist,
so selbstverständlich und unentbehrlich, wie Sprache und
Sitte. Und so einer unter euch sage: „Aber wozu
brauche ich den Künstler? Ich mag keine Bilder", dann
wollen wir ihm antworten: „Wenn du keine Bilder magst,
dann wollen wir deine Wände mit herrlichen Tapeten
schmücken. Du liebst es vielleicht, deinen Wein aus einem
kunstvoll geformten Glase zu trinken: komm zu uns, wir
weisen dir die Form des Gefässes, die des edlen Trankes
würdig. Oder willst du ein köstliches Geschmeide, ein selt-
sam Gewebe, um dein Weib oder deine Geliebte damit zu
schmücken? So sprich, so versuch's nur einmal, und wir
wollen dir dann beweisen, dass
du eine neue Welt kennen
lernst, dass du ein Mitdenker
und Mitbesitzer von Dingen
bist, deren Schönheit du nicht
ahnst, deren Süsse du noch
nie gekostet hast!" Wir wollen
diesen herrlichen Worten, die
den Beschluss dieser kurzen
Übersicht bilden mögen, nichts
hinzufügen, um nicht ihren
Eindruck zu zerstören.
Die Wissenden wissen
schon lange, dass der
„Heilige Frühling" in
der Künstlerseele kein
Phantom ist. —n.
Herausgeber und für die Redaktion verantwortlich: Professor Karl Hoffacker, Architekt in Charlottenburg-Berlin.
Druck von August Pries in Leipzig.
KLEINE MITTEILUNGEN
tigen Zeitströmung ausgeschlossen." Die Voraussetzung ist
zweifellos richtig, ist es aber auch die Folgerung? Zweifel-
los nicht, aber es sei gerne anerkannt, dass beim Anheben
einer neuen Bewegung Unterschätzung und Überschätzung
zwei Begriffe sind, für welche nicht mehr der allgemeine
und objektive Massstab die Beurteilung bildet, sondern für
welche der subjektive Kampfmassstab in Frage kommt. Und
dass dieser gerne übertreibt, ist keine neue Erfahrung. Eine
besondere Stellung nimmt unter den neuen Zeitschriften das
Lieferungswerk „Der moderne Stil", von Julius Hoffmann jr.
in Stuttgart zusammengestellt, ein. Die ursprünglich nur
für einen Abschluss mit 15 Lieferungen gedachte Veröffent-
lichung wird nunmehr periodisch fortgesetzt, so dass sich
eine Erwähnung an dieser Stelle rechtfertigt. Die Veröffent-
lichung beabsichtigt, eine internationale Rundschau über die
hervorragendsten kunstgewerblichen Leistungen der letzten
Jahre zu geben. Aus einer Umwandlung zu Beginn dieses
Jahres hervorgegangen ist die Monatsschrift: „Kunst und
Kunsthandwerk", das Organ des Österreichischen Museums
für Kunst und Industrie in Wien. Wenn etwas die tief-
gehende Bewegung in der neueren Kunst zur Erscheinung
bringt, so ist es die Umwandlung der Zeitschrift eines durch
und durch konservativen Institutes. Äusserlich ist diese
Umwandlung durch einen Direktorialwechsel veranlasst, die
inneren Ursachen aber liegen in der Bewegung der Zeit,
welcher sich die berühmte Anstalt nicht verschliessen konnte
und durfte. Als Herr von Scala die Leitung des Öster-
reichischen Museums übernahm, war eine seiner ersten Mass-
nahmen, in Verbindung mit der Verlagsfirma Artaria & Co.
die bescheidenen „Mitteilungen des Österreichischen Museums
für Kunst und Industrie" in Wien durch eine das Museum
würdiger und reicher repräsentierende Zeitschrift zu ersetzen.
So erschien „Kunst und Kunsthandwerk" in einer Art Lieb-
haberausstattung. Dass da die von Teirich begründeten
„Blättter für Kunstgewerbe" im Verlage von Waldheim nicht
zurückbleiben durften, ist einleuchtend, und mit der Über-
nahme der Redaktion der Zeitschrift durch Bruno Bucher
zogen auch sie ein neues schönes Gewand an und widmeten
namentlich auch dem Text wieder mehr Aufmerksamkeit.
Sind diese beiden Zeitschriften starke Symptome der Kunst-
bewegung in Österreich, so bildet deren neues Spiegelbild
aber die Zeitschrift „Ver sacrum", das Organ der „Ver-
einigung bildender Künstler Österreichs" der österreichischen
Secession im Verlage von Gerlach & Schenk in Wien. Sie
will eine Kampfzeitschrift sein. „Wir wollen dem thaten-
losen Schlendrian, dem starren Byzantinismus und allem
Ungeschmack den Krieg erklären." In Rom bestand die
Sitte, in Zeiten grosser Gefahren den Göttern alles Lebende
des neuen Frühlings darzubringen. Wenn dieses Geschlecht
herangewachsen war, zog es in die Fremde, ein neues Ge-
meinwesen zu gründen, die secessio. Sie hatte gegen das
Alte zu kämpfen; im Kampf suchte sie das Leben, das für
sie nur Leben war, da es Kampf war. Mitten im Leben
muss der Künstler stehen, „mit allem Hohen, allem Herr-
lichen und mit allem Grässlichen, das es birgt, vertraut sein,
tief untertauchend in den brausenden Wirbel". Die Zeit-
schrift will die Überzeugung wecken, dass die Kunst „die
notwendige Lebensäusserung eines intelligenten Volkes ist,
so selbstverständlich und unentbehrlich, wie Sprache und
Sitte. Und so einer unter euch sage: „Aber wozu
brauche ich den Künstler? Ich mag keine Bilder", dann
wollen wir ihm antworten: „Wenn du keine Bilder magst,
dann wollen wir deine Wände mit herrlichen Tapeten
schmücken. Du liebst es vielleicht, deinen Wein aus einem
kunstvoll geformten Glase zu trinken: komm zu uns, wir
weisen dir die Form des Gefässes, die des edlen Trankes
würdig. Oder willst du ein köstliches Geschmeide, ein selt-
sam Gewebe, um dein Weib oder deine Geliebte damit zu
schmücken? So sprich, so versuch's nur einmal, und wir
wollen dir dann beweisen, dass
du eine neue Welt kennen
lernst, dass du ein Mitdenker
und Mitbesitzer von Dingen
bist, deren Schönheit du nicht
ahnst, deren Süsse du noch
nie gekostet hast!" Wir wollen
diesen herrlichen Worten, die
den Beschluss dieser kurzen
Übersicht bilden mögen, nichts
hinzufügen, um nicht ihren
Eindruck zu zerstören.
Die Wissenden wissen
schon lange, dass der
„Heilige Frühling" in
der Künstlerseele kein
Phantom ist. —n.
Herausgeber und für die Redaktion verantwortlich: Professor Karl Hoffacker, Architekt in Charlottenburg-Berlin.
Druck von August Pries in Leipzig.