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NEUE WEGE ZUR VOLKSKUNST
k
iw#fei
ARBEITEN DER VORSTUFE DER HAMBURGISCHEN KUNSTOEWERBESCHULE
□ Da nun unter diesen Einflüssen die Sehnsucht nach
einem künstlerischen Milieu überall erwacht, da die Zahl
der darauf Harrenden immer dichter anwächst: so fehlt es
uns hauptsächlich an tüchtigen Kräften, deren Schaffens-
fähigkeit solchen Bedürfnissen begegnet und sie befriedigt.
Wir brauchen geniale Vermittler, die das Kunstgewerbe
mitten in den Pulsschlag der reichen neuen Kunstströmungen
zu stellen vermögen, die es von der Last vergangener Jahr-
hunderte befreien. Eine große Vergangenheit, wie die
Renaissance, soll nicht dazu dienen, der Kunst Fesseln
aufzuerlegen, sie zurückzureißen, sondern sie sollen ihr
Mut und Kraft geben, ebenso selbständig, frei und uner-
reicht ZU werden wie jene. Aller Laster Anfang ist in der
Kunst die Imitation — selbst des Besten. Man muß schon
selbst etwas Bedeutendes geworden sein, um daran nicht
zu ersticken. Nur der bereits entwickelte Künstler wird
die alten Meister und sonstige Muster ungefährdet kopieren
können. Mit vollem Rechte ist man deshalb auf den Kunst-
akademien schon lange von solchem Verfahren abgekommen,
um es einer Zeit zu überlassen, wo die Reife des jungen
Künstlers ihn davor schützt, die eigenen freien Regungen
durch den Zwang von Traditionen zu ernüchtern, abzu-
schwächen oder zu vergessen. □
□ Es war unausbleiblich, daß die neue Arbeitsweise der
Künstler, die sie mit eigenen Augen frisch in die volle
Natur hineinführte, sich bald der gesamten Erziehung zur
Kunst wohltuend wie ein Leben erweckender Frühlings-
wind bemächtigen mußte. Amerika blieb es vorbehalten,
diese bereits »in der Luft liegenden« Ideen aufzufangen
und für die Jugenderziehung zu verwerten. Was half
ihren Kindern das tote Wissen allein, an dem die alte
Welt zu kranken begann. Die Schule sollte dem Kinde
das Leben eröffnen, das frische freie Leben. Leben heißt:
sich bewegen. Einen edlen vorwärtstreibenden Rhythmus
in die seelische Bewegung der Jugend zu pflanzen: dazu
wurde die Kunsterziehung vom alten Zopf befreit und in
neuem Gewände in die Schulen eingeführt. Man hatte
bisher dem lebenswarmen Instinkte der Jugend selbst zu
wenig überlassen. Man hatte ihre Phantasie in Formen
und Modelle geschraubt, anstatt sie zu befreien und sich
im Materiale ausleben zu lassen. Nun durften die Kinder
wieder in ihrer eigenen naiven Sprache reden, sie durften
ausdrücken, was sie immer zu denken, anzuschauen und
aufzufassen vermochten, und die Fesseln, die ihnen ihre
lehrenden Freunde auferlegten, wurden so leicht, daß sie
nichts davon merkten. Eine glänzende Antwort brachte
NEUE WEGE ZUR VOLKSKUNST
k
iw#fei
ARBEITEN DER VORSTUFE DER HAMBURGISCHEN KUNSTOEWERBESCHULE
□ Da nun unter diesen Einflüssen die Sehnsucht nach
einem künstlerischen Milieu überall erwacht, da die Zahl
der darauf Harrenden immer dichter anwächst: so fehlt es
uns hauptsächlich an tüchtigen Kräften, deren Schaffens-
fähigkeit solchen Bedürfnissen begegnet und sie befriedigt.
Wir brauchen geniale Vermittler, die das Kunstgewerbe
mitten in den Pulsschlag der reichen neuen Kunstströmungen
zu stellen vermögen, die es von der Last vergangener Jahr-
hunderte befreien. Eine große Vergangenheit, wie die
Renaissance, soll nicht dazu dienen, der Kunst Fesseln
aufzuerlegen, sie zurückzureißen, sondern sie sollen ihr
Mut und Kraft geben, ebenso selbständig, frei und uner-
reicht ZU werden wie jene. Aller Laster Anfang ist in der
Kunst die Imitation — selbst des Besten. Man muß schon
selbst etwas Bedeutendes geworden sein, um daran nicht
zu ersticken. Nur der bereits entwickelte Künstler wird
die alten Meister und sonstige Muster ungefährdet kopieren
können. Mit vollem Rechte ist man deshalb auf den Kunst-
akademien schon lange von solchem Verfahren abgekommen,
um es einer Zeit zu überlassen, wo die Reife des jungen
Künstlers ihn davor schützt, die eigenen freien Regungen
durch den Zwang von Traditionen zu ernüchtern, abzu-
schwächen oder zu vergessen. □
□ Es war unausbleiblich, daß die neue Arbeitsweise der
Künstler, die sie mit eigenen Augen frisch in die volle
Natur hineinführte, sich bald der gesamten Erziehung zur
Kunst wohltuend wie ein Leben erweckender Frühlings-
wind bemächtigen mußte. Amerika blieb es vorbehalten,
diese bereits »in der Luft liegenden« Ideen aufzufangen
und für die Jugenderziehung zu verwerten. Was half
ihren Kindern das tote Wissen allein, an dem die alte
Welt zu kranken begann. Die Schule sollte dem Kinde
das Leben eröffnen, das frische freie Leben. Leben heißt:
sich bewegen. Einen edlen vorwärtstreibenden Rhythmus
in die seelische Bewegung der Jugend zu pflanzen: dazu
wurde die Kunsterziehung vom alten Zopf befreit und in
neuem Gewände in die Schulen eingeführt. Man hatte
bisher dem lebenswarmen Instinkte der Jugend selbst zu
wenig überlassen. Man hatte ihre Phantasie in Formen
und Modelle geschraubt, anstatt sie zu befreien und sich
im Materiale ausleben zu lassen. Nun durften die Kinder
wieder in ihrer eigenen naiven Sprache reden, sie durften
ausdrücken, was sie immer zu denken, anzuschauen und
aufzufassen vermochten, und die Fesseln, die ihnen ihre
lehrenden Freunde auferlegten, wurden so leicht, daß sie
nichts davon merkten. Eine glänzende Antwort brachte