DIE ERZIEHUNG ZUM ARCHITEKTEN
29
abgebe, möchte ich zu dieser Frage vom weiteren Gesichts-
punkte aus Stellung nehmen. °
o Es ist eigentlich naheliegend, daß man alle bildende
Kunst, deren Zweige untereinander so enge Beziehung
haben, im ganzen, und nicht getrennt in so und so viele
Abteilungen, als ein fest umschlossenes Gebiet betrachtet
und die Erziehung zum Künstlerberuf sowohl für die so-
genannte höhere Kunst, als auch für das Kunstgewerbe
gemeinsam erstrebt. Es
sind alle Kenner der
gemeinsamen Überzeu-
gung, daß zwischen
Kunstgewerbe und so-
genannter höherer Kunst
ein durchgehender Qua-
litätsunterschied nicht
besteht und daß hervor-
ragende kunstgewerb-
liche Arbeiten im glei-
chen Range stehen mit
hervorragenden Werken
der bildenden Kunst,
insofern, als die höch-
sten kunstgewerblichen
Schöpfungen zugleich
höchste architektoni-
sche Schöpfungen sein
können. Es werden ver-
hältnismäßig auch eben-
soviel minderwertige
Gemälde, Plastiken und
Bauten hergestellt, wie
schlechte kunstgewerb-
liche Arbeiten, und es
gibt auf kunstgewerb-
lichem Gebiete heute
sicherlich ebensoviele
Talente, wie auf den
anderen Gebieten der
bildenden Kunst. Es
ist daher nicht einzu-
sehen, daß im Fall der
Möglichkeit der gemein-
samen Erziehung zum
Maler, Bildhauer, Archi-
tekten und Kunstge-
werbler diese gemein-
same Erziehung nicht
auch eingeführt werden
könnte. Gegenwärtig
existiert keine einzige
Kunstschule, bei der
dies der Fall wäre, wohl
existieren solche Kunst-
schulen, die einzelne
Gebiete des Kunstge-
werbes, sowie die Archi-
tektur oder wenigstens
die Innenarchitektur umfassen. Wenn man schon einmal eine
Grenzlinie zwischen der bildenden Kunst, als Malerei und
Plastik, und dem Kunstgewerbe, als der angewandten Kunst,
ziehen will, so würde zum Kunstgewerbe die monumentale
und dekorative Plastik gehören, welche in enger Beziehung
zur Architektur steht und also in innerer Abhängigkeit und
innerem geistigen Zusammenhang zur Umgebung sich als
angewandte Kunst erweist. Es würde also die Monument-
plastik der Bauten, der Gärten, der Räume, der Grab-
mäler usw. als angewandte Kunst aufzufassen sein, es
Kunstgewerbeblatt. N. F. XXI. H. 2
würde ferner die Kunst des Mosaik ebenso wie der Glas-
malerei, der monumentalen Wandmalerei und aller deko-
rativen Malerei als angewandte Kunst zu bezeichnen sein
und in das große Gebiet des Kunstgewerbes fallen. □
□ Nun ist die ideale Erziehung zur Kunst die Lehre
beim Meister, wie sie aus früheren Zeiten allein bekannt
war und zu den größten Ereignissen auf dem Kunstgebiet
führte. Zugegeben, daß in unserer Zeit der Zentralisierung
der Unterricht in großen
Kunstanstalten notwen-
dig und förderlich ist,
so sollte das Gesamt-
gebiet der Kunst auch
als ein Ganzes ange-
sehen werden und die
einzelnen Zweige dieses
Gebietes sollten sich
schon bei der Erziehung
zur Kunst ergänzend
helfen. Auch aus einem
anderen Grunde ist die
Gemeinsamkeit eines
Teiles des Ergänzungs-
unterrichts anzustreben,
da bei dem Mangel an
guten Lehrern der ge-
meinsame Ergänzungs-
und Vorbereitungs-
unterricht unter einem
guten Lehrer dem ge-
trennten Unterricht in
diesen Fächern unter
mehreren mittelmäßi-
genLehrern vorzuziehen
ist. Um zu großeSchüler-
zahl unter einem Lehrer
zu vermeiden, müßten
nur talentierte Schüler
aufgenommen, jeder un-
begabte sollte aber fern-
gehalten werden und
der Ehrgeiz derSchulen
auf möglichst große
Schülerzahl aufhören, o
d Bei der nun bren-
nenden Frage der Er-
ziehung zum Architekten
ist folgendes für den
Ort der künstlerischen
Erziehung zumArchitek-
ten ausschlaggebend.
Der Baukünstler soll alle
Zweige d. Kunstgewer-
bes und der bildenden
Kunst, mit denen er bei
seiner Arbeit in Berüh-
rungkommt und auf die
er bei seinen Schöpfun-
gen angewiesen ist, vollkommen geistig erfassen können. Er
soll alle Möglichkeiten der Verwendbarkeit und der stilistisch
richtigen Anwendung in sich aufnehmen, so daß in ihm
bei der Schaffenstätigkeit ein harmonischer künstlerischer
Geist wirkt. Zu den Gebieten des Kunstgewerbes und
der bildenden Kunst, welche der Architekt insbesondere
mit dem weitesten und tiefsten Verständnis beherrschen
muß, gehören die monumentale und dekorative Plastik,
die monumentale und dekorative Malerei, die Techniken
des Mosaiks, der Glasmalerei, der gesamten Textilkunst,
Peter Forsberg: Dreifacher Wandleuchter aus getriebenem Messing