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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 21.1910

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4873#0045

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DIE STOCKHOLMER AUSSTELLUNG 1909







MARIF. LJÖSTROM: GEKNÜPFTER TEPPICH. AUSGEFÜHRT DURCH DEN VEREIN HANDARBETETS VÄNNER

und so fort. Man muß es den Künstlern und Kunstge-
lehrten zum Vorwurf machen, daß sie gegen dies barba-
rische Verfahren nicht frühzeitiger und energischer Ein-
spruch erhoben. Aber sie waren anfänglich selbst in dem
Irrtum befangen, daß sich so ein eigener, neuer Stil ent-
wickeln ließe; sie merkten es zu spät, daß die im idealsten
Bestreben zur Befruchtung des Kunsthandwerks angelegten
Kunstgewerbemuseen zu Spickgalerien herabgewürdigt
wurden. Im Jahre 1867 herrschte noch eitel Jubel über
die neue Methode kunstgewerblicher Produktion; in Berlin
wurde die Unterrichtsanstalt — als Ableger des könig-
lichen Kunstgewerbemuseums - gegründet und hat sich
seither, in bester Absicht freilich, redlich an der Dressur
der Ornamentenjäger beteiligt. Aus manchen von diesen
wurden selbst Fabrikanten, die sich nun mit Recht darüber
empören, daß man ihnen die Stilproduktion und den mit
einem Heer von eigenen Musterzeichnern betriebenen
Ornamentenschacher zum Vorwurf macht. Hier braucht
aber niemand Angeklagter zu sein und niemand darf den
Ankläger spielen! □

o Die Orabschaufel des verflossenen Forscherjahrhunderts
hatte eine zu ungeheure Menge historischer Schätze auf
einmal zutage gefördert und damit das frischgebackene
Bürgertum, als den Erben des Adels, überhäuft. Keine
Nation konnte dieses Übermaß verdauen und alle Völker
Europas, am meisten aber das deutsche, wurden verblendet
und hielten das Wissen um die Kunst für die Kunst selbst.
Alle Kunstgewerbeschulen, nicht etwa nur die Berliner,
glaubten dem Fortschritt zu dienen, und dienten doch nur
einer fehlerhaften, künstlerisch unfruchtbaren Strömung.
Nur, weil gerade in Berlin die Schulausstellung stattfindet,
sei an der Berliner Schule das Schulbeispiel entwickelt.

□ Durch das Programm der Unterrichtsanstalt des Kgl.
Kunstgewerbemuseums (wie durch die Programme wohl
aller anderen Kunstgewerbeschulen) läßt sich, wie ein roter
Faden, die leider zu spät erkannte dienende Abhängigkeit
von dem, meist in gutem Glauben betriebenen Ornamenten-
Schachersystem der Fabrikanten bis in die letzten Jahre
verfolgen! Der Lehrgang, z. B. der Fachklasse für archi-
tektonisches Zeichnen, begann mit dem Zeichnen nach
Vorlagen und Photographien, Umbilden gegebener Vor-
bilder und Entwerfen in Anlehnung an gegebene Muster
oder auf Grund gegebener Verhältnisse und Motive. Sein
Ziel war erreicht, wenn der Schüler die Fähigkeit erlangt
hatte, für diesen beschränkten Kreis von Aufgaben in einer
Werkstatt als Zeichner zu dienen. Begabtere Schüler
wurden dann noch im Zeichnen und Entwerfen in einem
größeren und »reicheren Formenkreis ausgebildet. Die
Modelleure mußten lernen, nach Zeichnungen, Photo-
graphien oder plastischen Vorbildern: mustergültige Vor-
bilder aus den verschiedenen Stilperioden aus dem Voll-
rund ins Relief und umgekehrt zu übertragen. Die Schüler
der Fachklasse für ornamentale Malerei übten sich im Um-
bilden und Ergänzen (!) der Vorbilder für veränderte Be-
dingungen; desgleichen die Musterzeichner, die zudem
noch eine Veränderung der Technik einzustudieren hatten.
Abzeichnen! Umbilden! Übertragen! Abwandeln! Die Er-
gänzung des gesamten Fachunterrichts bestand hauptsäch-
lich im — Ornamentzeichnen. °
□ Wie durften die Fabrikanten schmunzeln! Mit so vor-
gebildeten Hilfskräften konnten sie sich schon einen Schritt
weiter wagen. Nun übertrugen sie herzhaft plastische
Ornamente in die Fläche und umgekehrt; ließen sich
(wenn sie sich diese Mühe überhaupt noch machten) die
 
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