Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 21.1910

DOI Artikel:
Pazaurek, Gustav E.: Schwatzhaftes Kunsthandwerk
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4873#0064

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


WÜRTTEMBERGER KUNSTGEWERBEVEREIN



55







KARL SCHMOLL VON EISENWERTH IN STUTTGART

ungeschminkte Bauernweisheiten vielfach vorzuziehen
sind manchem wohl parfümierten »Witz« unserer Tage,
der zwar nicht gleich auf der Hand liegt, dafür aber
an Stelle naiver Sinnlichkeit perverse Pathologie verrät.
Jedenfalls können wir alle derartigen »Scherze«, die
zum Glück im besseren Kunsthandwerk heutzutage kaum

mehr vorkommen, leichten Herzens vermissen.-------

o Namengebungen sind jetzt nicht weniger bekannt,
wie in früheren Jarhhunderten; Glocken oder Schiffe
tauft man heute ebenso wie ehedem. Es ist gewiß
ein poetischer Gedanke, einem leblosen Objekte so
etwas wie eine Individualität der Seele einzuhauchen.
Und wenn auch im riesigen Häusergewirr moderner
Großstädte die guten alten Hausnamen, Hausschikler
und Hausmarken immer mehr den nüchternen Orien-
tierungszahlen weichen mußten, so werden doch ge-
rade wieder die Lokomotiven mit bekannten Namen
versehen. Darin steckt in scheinbar maschinenmäßig
nüchterner Umgebung ein gut Teil alter Tradition;
jedenfalls können wir froh sein, daß sich für derlei
nicht Siegel, wie »Bus«, »Degea , »Damuka«, Ha-
pag« usw. eingebürgert haben. Was mit den alten
Hausschildern immer mehr schwindet, lebt in den
»redenden Wappen weiter fort und findet in den
»redenden« Besuchskarten oder Exlibris-Zeichen eine
weitere Fortsetzung; hier liegt aber die ganz harmlose
Schwatzhaftigkeit nicht in Worten, sondern im Bilde.

o Nur nebenbei sei hier noch die Meistersignatur
und Fabriksmarke gestreift, die recht verbreitet sein
sollte, und zwar nicht nur als registrierte Wort-
oder Bild-Schutzmarke, sondern noch mehr — wie
dies in alten Zeiten in ganzen Produktionsgruppen
üblich war — als ein Ausdruck stolzer Genugtuung,
die das Verantwortungsgefühl des Verfertigers hebt
und bessere Qualitätsware verbürgt. Aber derartige
Bezeichnungen sind an weniger augenfälligen Stellen
der Unterseite oder Innenseite, und nur im kleinsten
Maßstabe angebracht, gehören somit nicht in den
Rahmen unserer Betrachtungen. Wenn wir diese
nochmals zusammenfassen, kommen wir zum Ergebnis,
daß auch im Kunsthandwerk Reden Silber und Schwei-
gen Gold ist. Je weniger »Loreley-Kunst«, die nicht
weiß, was es bedeuten soll, hergestellt wird, um so
besser; um so weniger sind dann aber auch umständ-
liche Erklärungen erforderlich. Im Kunstgewerbe
liegen die Dinge ähnlich wie in der freien Landschaft:
Unaufdringliche Wegmarkierungen können nicht scha-
den; aber breitspurige Verordnungstafeln, womöglich
in ganzen Gruppen an jeder Bezirks- oder Landes-
grenze verderben das schönste Landschaftsbild; ein
hübsches Wirtshausschild läßt man sich gern gefallen,
aber kunstlose Riesenplakate an jeder Feuermauer, an
jedem Gartenzaun, an jedem Dachfirst, - die soll
der Teufel holen! °
 
Annotationen