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WÜRTTEMBERGER KUNSTGEWERBEVEREIN
M.J. Qradl, Stuttgart
□ Das rein Gärtnerische seines Berufes tritt zunächst
scheinbar etwas zurück; Blumen, Stauden, Strauchwerk,
Rasen und Bäume sind eben zunächst nicht organische
Dinge, sondern zu allererst Bausteine für seine Absichten.
Deshalb erachte ich es für unbedingt notwendig, daß der
Schüler dafür auch modellieren, also plastisch darstellen
lernt. Der Gartenkünstler muß in sich den Flächenkünstler,
den Plastiker und auch den Architekten vereinigen; er
muß dessen wohl fähig werden, auch alles, was an Zutaten
zu jenen organischen Bausteinen hinzukommt, so Brunnen,
Vasen, Plastiken, Gartenhäuser, Pergolen, Terrassen, Ba-
lustraden geschmackkritisch einzufügen, um die Einheit
seiner Schöpfung zu sichern, damit sie am Hause oder in
ihrer Umgebung kein Fremdkörper werde, sondern ein
logischer Raumbegriff innerhalb eines Naturausschnittes,
n Es scheint mir wiederum selbstverständlich, daß eben
der echte Gartenkünstler die architektonischen und pla-
stischen Verstärkungen und Rhythmen innerhalb seiner
gartenkünstlerischen Entwurfarbeit selbst erfinden und
verkörpern lerne, also auch den Gartenarchitekturen kleinerer
Abmessung Form und Abmessung zu geben bis zu jenem
inneren Verstehen der Ausführbarkeit. Darüber, wer auf
diesem Ausbildungswege Führer und Lehrer sein soll, bin
ich mir an einer mit guten künstlerischen Kräften besetzten
Kunstgewerbeschule nicht im unklaren; es genügen dafür
vollauf die Maler, Bildhauer und Architekten in ihrer
gegenseitigen Ergänzung für künstlerisches Schauen, Emp-
finden, Wiedergeben und Entwerfen. Das bliebe inner-
halb des gegebenen künstlerischen Milieus der bisherigen
Kunstgewerbeschule, an der der Gartenkünstler neueren
Stils als Lehrer noch nicht tätig ist. Aus rechnerischen
Gründen sah ich bisher davon ab, eine solche Kraft als
unbedingt notwendig zu fordern. Sie aber als sehr er-
wünscht zu bezeichnen, wenigstens für einige der größeren
Kunstgewerbeschulen, möchte ich, an dieser Stelle zu be-
merken, nicht unterlassen. Ich stehe keineswegs auf dem
Standpunkt, unsere Lehrkräfte der Kunstgewerbeschulen
als sogenannte Mädchen für alles ansehen zu wollen. Mir
würde auch der Gartenkünstler in unserm Kreise ein sehr
willkommener Kollege sein; ich würde ihn nicht zurück-
weisen. Das rein künstlerische Moment findet hinreichende
Vertiefung einmal durch wöchentlich zwei Stunden kunst-
geschichtlichen Vortrag und vier Stunden stilgeschichtliche
Übungen, wobei in diesen sechs Stunden Malerei, Plastik,
Baukunst einschließlich Gartenkunst und technische Künste
Exlibris
einander ergänzend behandelt werden. Aber auch
in anderen Fächern könnte der junge Gartenkünstler
sehr gut zu seinem Recht kommen, wenn er Lücken
in mathematischen Fächern zu füllen hätte oder, und
dafür sollen eventl. auch kleine Kurse in technischem
Rechnen (Statik) und Festigkeitslehre an den Kunst-
gewerbeschulen eingerichtet werden, sich bautechnisch
das nötige Maß praktischer Erkenntnis aneignen
möchte, um so gegebenen Falls auch die für die
praktische Ausführung notwendige Verantwortlichkeit
übernehmen zu können. Da an vielen Kunstgewerbe-
schulen auch Kurse in der Bearbeitung von Bau-
konstruktionen leichterer Art und für Hochbauent-
werfen bis zum Einfamilienhaus bestehen, die wie
auch die oben genannten Fächer in den Abendstunden
liegen, so kann wohl von einer ausreichend guten
Ausbildungsgelegenheit für Gartenkünstler an Kunst-
gewerbeschulen gesprochen werden, selbst wenn
ein anerkannter Gartenkünstler an einer solchen
Anstalt zurzeit als Lehrer noch nicht tätig wäre. □
d Ihn mag zunächst der künstlerisch stark produktive
Architekt ersetzen, der nach dem von mir stets ver-
tretenen Satze, daß der Lehrer vom Schüler ebenfalls
lerne, die notwendige Ergänzung des Gärtnerschülers bildet.
Denn, wenn je jemand berufen ist, hier zunächst diese Lücke
zu füllen, so ist es nicht der Maler oder Bildhauer, sondern
der Architekt als Bezwinger von Massen, als Raumge-
stalter und Bodenbeieber. Er ist von Haus aus der am
universellsten gestaltende Künstler; deshalb können wir ihm
auch zunächst in der Entwicklung der Dinge vertrauen.
□ Soweit meine Erfahrung und Meinung auch in Über-
einstimmung mit meiner seitherigen Stellungnahme zu den
Zeitfragen der gartenkünstlerischen Bewegung. Ich sehe
grundsätzlich davon ab, hier bestimmte Kunstgewerbe-
schulen als für die Ausbildung von Gartenkünstlern be-
sonders geeignet zu nennen; ich möchte davon auch
nicht die meiner Leitung anvertraute Anstalt ausnehmen,
JflifL
frR£AVN97995fr
M.J. Gradl, Stuttgart
Reklamezeichnung
WÜRTTEMBERGER KUNSTGEWERBEVEREIN
M.J. Qradl, Stuttgart
□ Das rein Gärtnerische seines Berufes tritt zunächst
scheinbar etwas zurück; Blumen, Stauden, Strauchwerk,
Rasen und Bäume sind eben zunächst nicht organische
Dinge, sondern zu allererst Bausteine für seine Absichten.
Deshalb erachte ich es für unbedingt notwendig, daß der
Schüler dafür auch modellieren, also plastisch darstellen
lernt. Der Gartenkünstler muß in sich den Flächenkünstler,
den Plastiker und auch den Architekten vereinigen; er
muß dessen wohl fähig werden, auch alles, was an Zutaten
zu jenen organischen Bausteinen hinzukommt, so Brunnen,
Vasen, Plastiken, Gartenhäuser, Pergolen, Terrassen, Ba-
lustraden geschmackkritisch einzufügen, um die Einheit
seiner Schöpfung zu sichern, damit sie am Hause oder in
ihrer Umgebung kein Fremdkörper werde, sondern ein
logischer Raumbegriff innerhalb eines Naturausschnittes,
n Es scheint mir wiederum selbstverständlich, daß eben
der echte Gartenkünstler die architektonischen und pla-
stischen Verstärkungen und Rhythmen innerhalb seiner
gartenkünstlerischen Entwurfarbeit selbst erfinden und
verkörpern lerne, also auch den Gartenarchitekturen kleinerer
Abmessung Form und Abmessung zu geben bis zu jenem
inneren Verstehen der Ausführbarkeit. Darüber, wer auf
diesem Ausbildungswege Führer und Lehrer sein soll, bin
ich mir an einer mit guten künstlerischen Kräften besetzten
Kunstgewerbeschule nicht im unklaren; es genügen dafür
vollauf die Maler, Bildhauer und Architekten in ihrer
gegenseitigen Ergänzung für künstlerisches Schauen, Emp-
finden, Wiedergeben und Entwerfen. Das bliebe inner-
halb des gegebenen künstlerischen Milieus der bisherigen
Kunstgewerbeschule, an der der Gartenkünstler neueren
Stils als Lehrer noch nicht tätig ist. Aus rechnerischen
Gründen sah ich bisher davon ab, eine solche Kraft als
unbedingt notwendig zu fordern. Sie aber als sehr er-
wünscht zu bezeichnen, wenigstens für einige der größeren
Kunstgewerbeschulen, möchte ich, an dieser Stelle zu be-
merken, nicht unterlassen. Ich stehe keineswegs auf dem
Standpunkt, unsere Lehrkräfte der Kunstgewerbeschulen
als sogenannte Mädchen für alles ansehen zu wollen. Mir
würde auch der Gartenkünstler in unserm Kreise ein sehr
willkommener Kollege sein; ich würde ihn nicht zurück-
weisen. Das rein künstlerische Moment findet hinreichende
Vertiefung einmal durch wöchentlich zwei Stunden kunst-
geschichtlichen Vortrag und vier Stunden stilgeschichtliche
Übungen, wobei in diesen sechs Stunden Malerei, Plastik,
Baukunst einschließlich Gartenkunst und technische Künste
Exlibris
einander ergänzend behandelt werden. Aber auch
in anderen Fächern könnte der junge Gartenkünstler
sehr gut zu seinem Recht kommen, wenn er Lücken
in mathematischen Fächern zu füllen hätte oder, und
dafür sollen eventl. auch kleine Kurse in technischem
Rechnen (Statik) und Festigkeitslehre an den Kunst-
gewerbeschulen eingerichtet werden, sich bautechnisch
das nötige Maß praktischer Erkenntnis aneignen
möchte, um so gegebenen Falls auch die für die
praktische Ausführung notwendige Verantwortlichkeit
übernehmen zu können. Da an vielen Kunstgewerbe-
schulen auch Kurse in der Bearbeitung von Bau-
konstruktionen leichterer Art und für Hochbauent-
werfen bis zum Einfamilienhaus bestehen, die wie
auch die oben genannten Fächer in den Abendstunden
liegen, so kann wohl von einer ausreichend guten
Ausbildungsgelegenheit für Gartenkünstler an Kunst-
gewerbeschulen gesprochen werden, selbst wenn
ein anerkannter Gartenkünstler an einer solchen
Anstalt zurzeit als Lehrer noch nicht tätig wäre. □
d Ihn mag zunächst der künstlerisch stark produktive
Architekt ersetzen, der nach dem von mir stets ver-
tretenen Satze, daß der Lehrer vom Schüler ebenfalls
lerne, die notwendige Ergänzung des Gärtnerschülers bildet.
Denn, wenn je jemand berufen ist, hier zunächst diese Lücke
zu füllen, so ist es nicht der Maler oder Bildhauer, sondern
der Architekt als Bezwinger von Massen, als Raumge-
stalter und Bodenbeieber. Er ist von Haus aus der am
universellsten gestaltende Künstler; deshalb können wir ihm
auch zunächst in der Entwicklung der Dinge vertrauen.
□ Soweit meine Erfahrung und Meinung auch in Über-
einstimmung mit meiner seitherigen Stellungnahme zu den
Zeitfragen der gartenkünstlerischen Bewegung. Ich sehe
grundsätzlich davon ab, hier bestimmte Kunstgewerbe-
schulen als für die Ausbildung von Gartenkünstlern be-
sonders geeignet zu nennen; ich möchte davon auch
nicht die meiner Leitung anvertraute Anstalt ausnehmen,
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