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DER SCHRIFTKURS IN NEUBABELSBERG
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BILDER-
RAHMEN UND
BÜHNEN-
RAHMEN
EINE VERGLEICHENDE
BETRACHTUNO
K
'UNSTLER wissen,
wie schwer es ist,
für ein Kunstwerk
den richtigen Rah-
men zu schaffen. Und das
ist mehr als bloße Ge-
schmacksache: es ist der
Ausdruck eines tief inner-
lich im Kunstwerk liegen-
den Gesetzes, und deshalb
ist das Problem kein iso-
liertes für Bilderrahmen,
sondern in gleichem Maße
wirksam für jede Kunst-
form, in der ein Rahmen
für eine Idee gesucht wird,
— also für Bühnenbilder,
ja sogar schon für die dich-
terisch-bildnerische Einfas-
sung einer dramatischen
Idee. Es ist in allen diesen
Fällen das gleiche Grund-
legende: unter der Decke
der Erscheinung des ge;
malten oder des Bühnen-
bildes ist die Idee wirk-
sam geworden; zu dieser
Idee soll der Rahmen
stimmen, aber auch zu der
äußeren bildlichen Form-
gebung soll der Rahmen
stimmen. Diese Doppel-
forderung hat zu wunder-
lichen Auswüchsen im Bil-
derrahmengeschäft geführt.
Ich habe da einen Katalog
vor mir für künstlerischen
Wandschmuck, auf dem
wahre Orgien geschmack-
losen Einrahmens gefeiert
werden. Fast jedes ein-
zelne Bild hat seinen Ori-
ginalrahmen, der reich ver-
ziert ist und dessen Ver-
zierungen die Idee des
Bildes fortzusetzen be-
stimmt sind. Für Land-
schaftsbilder hat man da Rahmen gewählt, die selber mit
Bäumen, Blumen, Sträuchern verziert sind, und sogar mit
blühenden, obschon der Rahmen auch für eine Winter-
landschaft bestimmt ist. Dieser Sonderfall sollte schon das
Widersinnige solcher Manier zeigen, aber weit gefehlt,
scheint er nur zu noch größeren Exkursen ins Reich des
Bizarr-Formlosen verführt zu haben. Wenn von Musika-
lischem auf dem Bilde die Rede ist, nähert der Rahmen
sich der Form einer Lyra, wenn das Bild vom Frieden
handelt, ziert den Rahmen ein Palmenzweig usw. Das
qijiesincceLis
TUKNOCPeW MOBlSbeBl
TUUCD.
AbveKiiAT Req
MUCT) TÜUCQ
FlATVOLUCP-
TASTUA, SI-
TA KJOSTKA,
51CUT&MOS
blODlTTlCDus
beßiTom -
BUS MOSTKIS
cut im coe~ tr ue Mos im
LO&lMTeK1?A- tKJCAS IM t
pAMGCO MOS-
rTI?UCr> QUOT1
bUMUCD t>A
Moms hotne
T6MTATIOM"
$eö LiBeiu
MOS A CPALO
X ro^e nt
U All*"
Pergamenttafel, geschrieben von \V. Hikler in Hildesheim
Handgreiflichste des Bildes, das jeder auch ohnedies ver-
steht, wird auf dem Rahmen noch einmal betont. Auf-
dringlich ist das. Aber noch mehr: es ist auch töricht,
es nimmt eine Idee des Bildes und unterstreicht sie zum
Schaden der übrigen Ideen, die in dem Bilde außerdem
lebendig sind. Und noch mehr: es ist geschmacklos; es
zeigt die ganze Unfähigkeit, das Bildhafte durch den
Rahmen hervorzukehren, es erniedrigt die darstellende
Kunst, indem es einen Punkt des Bildes zum Programm-
punkt vergewaltigt und die Harmonie der ganzen Kon-
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DER SCHRIFTKURS IN NEUBABELSBERG
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BILDER-
RAHMEN UND
BÜHNEN-
RAHMEN
EINE VERGLEICHENDE
BETRACHTUNO
K
'UNSTLER wissen,
wie schwer es ist,
für ein Kunstwerk
den richtigen Rah-
men zu schaffen. Und das
ist mehr als bloße Ge-
schmacksache: es ist der
Ausdruck eines tief inner-
lich im Kunstwerk liegen-
den Gesetzes, und deshalb
ist das Problem kein iso-
liertes für Bilderrahmen,
sondern in gleichem Maße
wirksam für jede Kunst-
form, in der ein Rahmen
für eine Idee gesucht wird,
— also für Bühnenbilder,
ja sogar schon für die dich-
terisch-bildnerische Einfas-
sung einer dramatischen
Idee. Es ist in allen diesen
Fällen das gleiche Grund-
legende: unter der Decke
der Erscheinung des ge;
malten oder des Bühnen-
bildes ist die Idee wirk-
sam geworden; zu dieser
Idee soll der Rahmen
stimmen, aber auch zu der
äußeren bildlichen Form-
gebung soll der Rahmen
stimmen. Diese Doppel-
forderung hat zu wunder-
lichen Auswüchsen im Bil-
derrahmengeschäft geführt.
Ich habe da einen Katalog
vor mir für künstlerischen
Wandschmuck, auf dem
wahre Orgien geschmack-
losen Einrahmens gefeiert
werden. Fast jedes ein-
zelne Bild hat seinen Ori-
ginalrahmen, der reich ver-
ziert ist und dessen Ver-
zierungen die Idee des
Bildes fortzusetzen be-
stimmt sind. Für Land-
schaftsbilder hat man da Rahmen gewählt, die selber mit
Bäumen, Blumen, Sträuchern verziert sind, und sogar mit
blühenden, obschon der Rahmen auch für eine Winter-
landschaft bestimmt ist. Dieser Sonderfall sollte schon das
Widersinnige solcher Manier zeigen, aber weit gefehlt,
scheint er nur zu noch größeren Exkursen ins Reich des
Bizarr-Formlosen verführt zu haben. Wenn von Musika-
lischem auf dem Bilde die Rede ist, nähert der Rahmen
sich der Form einer Lyra, wenn das Bild vom Frieden
handelt, ziert den Rahmen ein Palmenzweig usw. Das
qijiesincceLis
TUKNOCPeW MOBlSbeBl
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Pergamenttafel, geschrieben von \V. Hikler in Hildesheim
Handgreiflichste des Bildes, das jeder auch ohnedies ver-
steht, wird auf dem Rahmen noch einmal betont. Auf-
dringlich ist das. Aber noch mehr: es ist auch töricht,
es nimmt eine Idee des Bildes und unterstreicht sie zum
Schaden der übrigen Ideen, die in dem Bilde außerdem
lebendig sind. Und noch mehr: es ist geschmacklos; es
zeigt die ganze Unfähigkeit, das Bildhafte durch den
Rahmen hervorzukehren, es erniedrigt die darstellende
Kunst, indem es einen Punkt des Bildes zum Programm-
punkt vergewaltigt und die Harmonie der ganzen Kon-
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