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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 21.1910

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4873#0146

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VEREINE UND VERSAMMLUNGEN

o Die kunstgewerblichen Kreise haben im März fleißig
getagt und beraten. Manche wohlbereiteten Bausteine
wurden auf das Gebäude gesetzt, an dem spätere Zeiten
unser kulturelles Leben erkennen und messen werden. In
allen Schichten regt sich's. Ganz unten im Verließ der
Heloten, der Kunstgewerbezeichner, an deren Entwicklungs-
möglichkeit schon mancher verzweifelte, spürte man ein
ernstes, heißes und zielbewußtes Streben nach Höherem,
nach Veredelung des in kulturlosen Jahrzehnten verwahr-
losten »Handlanger«-Berufes. — In der Mitte, bei den
Künstlern und volkswirtschaftlichen Stürmern des Deutschen
Werkbundes ein klares Erkennen und schöpferisches Weiter-
bilden beglückender Gaben der durchackerten Gegenwart.
Und oben im Areopag der Machthaber ein maßvoll-weises
Erwägen gesetzgeberischer Anträge, die das Gebäude
wirtschaftlich und künstlerisch festigen sollen. Die Ver-
treter der Bundesstaaten, Behörden, Magistrate, die Schul-
männer, Kunsthistoriker und Ästheten und die Delegierten
der zahlreichen deutschen Kunstgewerbevereine sind in
Berlin zur jährlichen Tagung des Verbandes deutscher
Kunstgewerbevereine zusammengetreten. In ihren aristo-
kratischen Kreis drangen von unten schon die lebhaften
Weisen der demokratischen Neuerer und heischen zur Er-
haltung der Harmonie für die nächste Zeit eine reichere
Instrumentation des Konzertes. o

□ Eine wirklich das Herz erwärmende Freude boten die
Verhandlungen des Verbandes deutscher Kunstgewerbe-
zeichner in Berlin am Ostersamstag. Man hätte von den
Prügelknaben der modernen Ästhetik, die für fremde
Schuld zu büßen haben, kaum ein so gemäßigtes und
würdiges Verhalten erwartet. Wieder einmal wurde der
Beweis geliefert, daß die höchste Not die Köpfe klar
machen und ihnen als erstes Gebot ein streng solidarisches
Verhalten aufdrängen kann. Nur dort, wo der sittliche
Kern angefault ist, wird ein Ruin unaufhaltsam. Das war
nun hier ganz und gar nicht der Fall, denn man beugte
sich willig und begeistert den gemeinnützigen Geboten
des Verbandgeschäftsführers H. Weiß. Die Kunstgewerbe-
zeichner sind glücklich zu schätzen, daß sich diese mar-
kante Persönlichkeit an ihre Spitze stellte; in höchster Not
der rechte Mann, der die Probleme seines Berufes tief
durchdacht und an den Erscheinungen der Zeit gemessen
und geläutert hat. Er hat den Anschluß und die enge
Fühlung mit den auf den Grenzgebieten maßgebenden
Persönlichkeiten gesucht und wurde von ihnen als ehr-
licher Mitkämpfer gern willkommen geheißen. Wir hatten
in der vorigen Nummer besonders auf diese Tagung des
Verbandes aufmerksam gemacht und die Arbeitgeber auf-
gefordert, sich dort mit den Wünschen ihrer Arbeitnehmer
vertraut zu machen. Leider hat kein einziger diesen Hin-
weis beachtet. Und doch hätte so mancher tönende Mori-
turus von der durch und durch ehrlichen und deshalb
zukunftssicheren Beweiskraft des Herrn Weiß, den man
geflissentlich von den Beratungen des Fachverbandes aus-
zuschließen pflegt, unendlich viel lernen können. Weiß
hatte ein »Soziales Programm«, den Entwurf eines »Schul-
programmes« und zusammen mit dem Verbandsvorsitzen-
den M. Steinert Leitsätze zum »Urheberrecht der Ange-
stellten« aufgestellt, an denen man kaum etwas zu ändern
haben kann und denen man nur ein wohlwollendes Ver-
ständnis bei den Kontrahenten wünschen mag. Wir werden
auf alle drei Punkte in der nächsten Nummer ausführlich
zurückkommen. Man hatte im stillen gehofft, etwas von
den künstlerischen Wünschen der Zeichner zu hören, mußte
es aber doch als richtig anerkennen, daß sie vor den wirt-
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schaftlichen Fragen zurücktraten. Gilt's doch zuerst der
sozialen Hebung des Berufes, der aus der Notwendigkeit
unwürdigster Preisgabe eigener Überzeugungen zur Selbst-
achtung und äußeren Schätzung gerettet werden soll. Es
verdient alle Achtung, daß die Zeichner zu einschneiden-
den Opfern bereit sind, um ihr Ziel zu erreichen. — Den
Verhandlungen wohnten vom »Verein für deutsches Kunst-
gewerbe« in Berlin die Herren Direktor Dr. Peter Jessen
und Prof. Dr. G. Lehnert bei. Regierungsvertreter haben
wir nicht bemerkt. D

d Die Verhandlungen im Ausschuß des Deutschen Werk-
bundes am 23. März sind selbstverständlich geheim, doch
darf einiges über die allernächsten Ziele des Bundes ge-
sagt werden. Starke Hoffnungen weiden auf die Welt-
ausstellung in Brüssel gesetzt, an deren deutscher Ab-
teilung »Raumkunst und Kunstgewerbe« der Werkbund
nicht geschlossen beteiligt ist. Wohl aber haben die meisten
seiner Mitglieder an dem Gelingen der Ausstellung mit-
gearbeitet. Eine im Verlage von Julius Hoffmann in Stutt-
gart sorgfältig vorbereitete amtliche Publikation soll das
Resultat der Öffentlichkeit unterbreiten. Die Ausstellung
in Brüssel soll der Illustrationszentrale des D. W. B. die
erste und gut gewählte Gelegenheit bieten, die ästhetische
Unterstützung der Familienblätter zu beginnen. Alle Mit-
glieder des D. W. B., die in Brüssel ausstellen, haben sich
verpflichtet, Reproduktionserlaubnisse nur durch die Illu-
strationszentrale vergeben zu lassen, die also in der
momentan wichtigsten künstlerischen Darbietung den Re-
daktionen gegenüber autorisiert erscheint. Das »Deutsche
Museum für Kunst im Handel und Gewerbe« hatte mit
seinen Wanderausstellungen den besten Erfolg. Es wurden
kaufmännische Drucksachen und Packungen in Hagen i.W.,
Frankfurt a. M., Magdeburg, Halberstadt, Halle a. S., Biele-
feld, Hanau, Iserlohn, Hamburg, Leipzig und München,
Musterbeispiele moderner Keramik in Hagen, Bielefeld
und Iserlohn, Frauenschmuck in Essen vorgeführt. Der
stetig wachsende Ausbau der Museumssammlung wird es
bald gestatten, die Ausstellungen in größerem Maßstabe
zu betreiben und auf alle wichtigen Gebiete des Kunstge-
werbes auszudehnen. Den gleichen Zielen soll die für
Berlin beabsichtigte »Höhere Fachschule für Dekorations-
kunst« dienen, die auf Anregung des »Verbandes Berliner
Spezialgeschäfte« und des »Deutschen Verbandes für das
kaufmännische Unterrichtswesen« in Berlin begründet und
der Leitung der bekannten Kunstgewerblerin Frau Oppler-
Legband anvertraut werden soll. In sehr erfreulicher Weise
haben der D. W. B., das Deutsche Museum für Kunst im
Handel und Gewerbe und der Deutsche Verband für das
kaufmännische Unterrichtswesen zusammengewirkt, um den
Vortragszyklus zur Geschmacksbildung des deutschen Kauf-
manns weiter auszubauen. Der bisher von unseren besten
Vortragskünstlern auf diesem Felde ausgesäte Samen ver-
spricht reiche Frucht zu tragen. Wir stehen vor einem
saftigen, keimreichen Acker, aus dessen weit geöffneten
Furchen wir bald eine gesunde und für Generationen aus-
reichende Nahrung sprießen sehen werden. Das von den Ver-
tretern vieler Handelskammern zur Schau getragene ge-
radezu brünstige Verlangen nach ästhetischer Befruchtung
hat beinahe etwas Rührendes an sich. Ein ähnliches, zu-
kunftsfreudiges Verlangen zeigen Leute, die man immer
fern von aller Kultur zu wähnen pflegte. Zum Beispiel
hat'der »Verein deutscher Kalkwerke« den D. W. B. um
künstlerische Beeinflussung seiner Abteilung auf der »II.Ton-
Zement- und Kalkindustrie-Ausstellung 1910« gebeten und
läßt umfangreiche Anlagen nach Entwürfen von Prof. Peter
Behrens ausführen. Außerdem wird der D. W. B. eine
Sammlung guter Fabrikbauten im Vortragssaal dieser Aus-
 
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